Kopie der Zeitung "Mennonitische  Rundschau" vom 14. Juni 1905, Seiten 10. (gotisch) von Pascal  Schneller. 
  
Dolinsk, den 2. Mai 1905. Von  ungefähr zwei Monaten schrieb ich einen kurzen Bericht für die  "Rundschau", derselbe scheint aber den Weg verfehlt zu haben,  vielleicht war die Adresse nicht vollkommen genug, denn, wie ich mich besinne,  hatte ich vergessen Севернуъ Амерiку beizufügen. Darum will ich nochmals versuchen,  allen lieben Freunden in Rußland und Amerika durch die "Rundschau"  einige Zeilen ins Haus zu schicken. Herzlichen Dank den lieben Schwager  Heinrich Quiring für den Bericht in No. 12 der "Rundschau" von dem  absterben seines Bruders Joh. Quiring. Obzwar ich diesen nun vollendeten Freund  und Schwager niemals gesehen habe, so haben wir uns doch durch den, wenn auch  nicht langwierigen, brieflichen Verkehr ziemlich gut kennen gelernt, wenigstens  doch so viel, daß wir uns beiderseits recht sehr lieb gewonnen. Aus ist es nun  auch mit diesem Verkehr. Wollte noch immer seinen Brief beantworten, allein es  ist zu spät. Dieses "Zu spät!" hat ja nicht viel zu bedeuten; zu spät  kommen wir öfter, und hat manchmal auch recht üble Folgen, das "Verspäten",  sogar unglückliche Folgen, aber ein über alle Maßen schreckliches "es ist  zu spät", wird über diejenigen ergehen, die in ihren Sünden, ohne einen  Strahl seliger Hoffnung aus der Welt gehen und ohne einen Funken ewigen Lebens  in die Ewigkeit eintreten. Vom lieben Schwager Johann Quiring heißt es, daß er  im Glauben an seinen Erlöser gestorben ist; das ist herrlich. Den  Hinterbliebenen bezeuge ich hiermit unser innigstes Beileid und empfehle ihnen  zum Trost Jes. 41, 10. 
In No. 5 der "Rundschau" fragt  Jakob Kliewer, Henderson, Neb., wo Schwager David Warkentin hingezogen. Bin ich  es gemeint, wie ich fest glaube - denn einen Schwager Jakob Kliewer haben wir  in Amerika, desen Frau, geb. Abrahams, ist meiner Frau Nichte, - dann sollt ihr  wissen, daß wir seit fünf Jahren schon hier auf der samarischen Ansiedlung  wohnen. Geschwister Peter Krökers und Peter Penners sind auch hier; alle in ein  und demselben Dorfe. Penner hat schon seine zweite Ehefrau, Ihr wißt es  vielleicht noch nicht. Seine Maria, geb. Quiring, ist nicht mehr hier, sondern  droben, wie wir hoffen und glauben, unter den seligen Geistern der vollendeten  Gerechten. Sie starb im Januar vorigen Jahres. Seine jetzige Frau ist Wilhelm  Konrads Tochter, Justina, von Kraßikow. 
Du, lieber Freund Bernhard Fast, wie  geht es Dir und deine Familie? Wo seid Ihr, noch in Alexanderkrone, oder seid  Ihr schon auf Eurem Wirtschaftsland im Terekgebiet? Daß Ihr unser solltet  vergessen haben, ist nicht denkbar und was wir uns gegenseitig versprachen bei  unserem Abschied von Kronberg, haben wir beide auch nicht vergessen, aber an  dem Nachkommen des Versprochenen, daran fehlt es leider. Schwager H. Penner  wartet noch immer mit Sehnsucht auf den ersten Brief von Euch, der ihm vor drei  Jahren versprochen wurde, er freut sich nebenbei, daß es ein sehr langer sein  wird. Wir warten denn auf den zweiten. Es wird Euer im Kreise der Geschwister  und unserer Familie recht oft in Liebe gedacht. Wir sind gegenwärtig alle wohl  und gesund. Nur die kleine Enkelin hat einen quälenden Husten. Im Reiche der  Natur sieht es wieder schön und prächtig aus, alles ist nun wieder zu neuem  Leben erwacht. Ueber uns die schöne blaue Luft, angefüllt mit Vogelgesang und  die lieblich strahlende Sonne, um uns her sieht man wie die Bäume - wenn es auch  nicht Obstbäume, denn von solchen kann hier bei uns nicht die Rede sein - mehr  und mehr mit grünem Laub geschmückt werden und dann die grünen Saatfelder, die  prachtvollen mit bunten Blumen besäten Wiesen. Da wird man unwillkürlich an das  Lied erinnert: 
"Ja, wunderschön ist Gottes  Erde, Und wert, darauf vergnügt zu sein, Drum will ich, bis ich Asche werde,  Mich dieser schönen Erde freu´n." 
Dagegen aber im Reiche der Zeit und  der Völker sieht es nicht erfreulich, sondern recht traurig aus, dort im fernen  Osten der blutige Krieg, aus dem Süden hört man von traurigen Begebenheiten,  von da und dort Unheil drohende Nachrichten. Alles dieses erregt in unserem  Innern so mancherlei verschiedene Gefühle und Gedanken. Da ist man bald mit der  Vergangenheit mehr mit der Gegenwart, besonders aber mit der Zukunft  beschäftigt. Ja, dunkel und trübe liegt sie vor uns. Die Gerichtswolken, die  schon längst drohend über unseren Häuptern schwebten, scheinen immer mehr  zusammenzuziehen und näherzukommen und können vielleicht bald losbrechen. Ja,  wenn wir die Zeichen der Zeit beobachten, müssen wir alle zugeben daß wir einer  trüben Zeit entgegen gehen und der Tag des Herrn nicht mehr ferne sein kann.  Jedermann weiß aus Gottes Wort, daß es schrecklich zugehen wird am Ende der Tage,  da werden heulen all Geschlechter auf Erden. Aber wir haben auch den gewissen  Trost, daß Gott alle seine Gläubigen in der elenden Zeit wunderbar erretten und  erhalten werde. Denn: "Wenn ihr sehet solches anheben, so merket auf, und  hebet eure Häupter auf, darum daß sich eure Erlösung nahet." Luk. 21, 28. 
Grüßend, David Warkentin. 
  
  
Bemerkungen  von Lydia Friesen (Esau):  
        David David  Warkentin (1855-?) ( #1371083), seine erste Frau war: 
        Anna Jakob Quiring (1858 - 13.06.1922, Dolinsk, Neu Samara) (#1371084), Tochter  von Jakob Quiring (Abt 1827, Grossweide, Molotschna - 31.03.1899) (#61942) Foto 
        Die zweite Frau von David Warkentin war Katherina Delesky (26.06.1859 -  19.06.1924, Bogomasowo, Neu Samara) (642113) 
Brief von David  Warkentin, Dolinsk, Neu Samara, in der "Mennonitische Rundschau" vom  1. Mai 1901, Seite 2. Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau). 
Brief von David  Warkentin, Dolinsk, Neu Samara, in der "Mennonitische Rundschau" vom  26. April 1905, Seite 5 und 6. Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau). 
Brief von D.  Warkentin, Dolinsk, Samara. In der "Mennonitischer Rundschau" vom  7.11.1906. Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau). 
Geschwister  Peter Krökers und Peter Penners:  
        Peter  Abraham Penner (vor 1870 - April 1909, Dolinsk, Neu Samara) 
        Maria Jakob Quiring (vor 1872 - Jan 1904, Dolinsk, Neu Samara), Tochter von  Jakob Quiring (Abt 1827, Grossweide, Molotschna - 31.03.1899) (#61942) Foto 
        Peter  Kröker (#1349877) 
        Sara Jakob  Quiring (1349878), Tochter von Jakob Quiring (Abt 1827, Grossweide, Molotschna  - 31.03.1899) (#61942) Foto 
Brief von Jakob  Kröker, Dolinsk, Samara. In der "Mennonitische Rundschau" vom  15.11.1922. Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau). 
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