|   Kopie der Zeitung  "Mennonitische Rundschau" vom 26. April 1905, Seite 5 und 6.  (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).     Dolinsk, den 13. März 1905. Weil ich  schon durch Umstände veranlaßt bin, an die Redaktion der "Rundschau"  zu schreiben und auch im Briefschreiben ein großer Schuldner geworden bin, so  daß gegenwärtig sieben Briefe vorliegen - von meinen Geschwistern und Freunden  im Jekaterinoslawschen Gouv., und auch von Freunden in Minnesota, Amerika - die  noch unbeantwortet sind, so will ich hiermit durch die "Rundschau"  denjenigen einen kurzen Bericht zukommen lassen, die dieselbe lesen. Seiner  Zeit schreibe ich dann vielleicht noch einmal an jeden besonders einen Brief -  das ist aber nicht jedem Rundschauleser gemeint.Die Gesundheit ist in unserer  Familie bisher noch so ziemlich immer derart, daß wir uns freuen können. Zwar  sind auch wir nicht frei von kleinen Gebrechen. Kopfschmerzen ist so etwas  Gewöhnliches unter uns, aber von schweren Krankheiten sind wir sehr verschont  geblieben. Wünsche auch den lieben Geschwistern und Freunden die beste  Gesundheit, und Wohlergehen in allen Dingen, besonders daß es der Seele  wohlgehe.
 Eine Veränderung hat es auch in  unserer Familie gegeben. Unser Sohn Jakob mußte auch dieses Jahr in den  Forsteidienst eintreten. Am 22. Februar fuhr er und alle andere Новобранцы von  hier ab, und wie schon von dort berichtet, sind sie am 27. Februar gesund und  wohlbehalten auf der Forstei Razyn im Chersonschen Gouv. angekommen. That auch  der Abschied wehe, den lieben Sohn in so weiter Ferne und auf so lange Zeit  ziehen zu lassen, so sind wir doch sehr glücklich, daß unsere Söhne nicht in  den blutigen Krieg ziehen dürfen, wie so viele Tausende in der jetzigen  schweren Zeit ihr junges Leben fürs Vaterland dahingeben müssen. O, wenn wir  daran denken, dann sind doch unsere Söhne warlich nicht zu bedauern, dann ist  der Dienst, den die Unseren zu leisten haben, im Vergleich des Militärdienstes,  doch ein gar schöner zu nennen. Wenn wir daran denken, wie so viele schwer  verwundet werden, viele auf Lebenszeit unfähig, sich und Familie zu versorgen,  wenn wir an die vielen Frauen denken, deren Männer im fernen Osten in heißen  Kämpfen schon gefallen oder als Gefangene in Feindesland, oder mit durchbohrter  Brust und zerschmettertem Bein oder Arm im Hospital oder Feldlazarett  darliegen! Ach, wie schrecklich wir uns all das Elend auch vorstellen, ich  glaube, wir würden es noch weit schrecklicher finden, wenn wir es mit eigenen  Augen sehen sollten. O, wir sollten Gott und der Obrigkeit gegenüber doch viel  mehr  dankbar sein. Sollten viel mehr ernstlicher für die Unglücklichen,  für das ganze schwer betroffene Vaterland, für den Kaiser und alle Obrigkeiten  beten; sollten viel mehr zur Linderung der Not und Schmerz unter den  hilfsbedürftigen, zurückgebliebenen Frauen und in der Ferne liegenden  verwundeten Männern thun! Zwar muß man auch unserem Mennonitenvolk das Lob  wiederfahren lassen, daß Menschenliebe schon viel  gethan hat und noch  thut, es ist viel - aber nicht genug. Es geschieht viel von vielen, aber noch  lange nicht genug von allen. Denn wir ich neulich in der "Odessaer  Zeitung" las, sind leider auch im taurischen Gouv. solche, die noch nichts  gethan haben. Ob hier auf unserer Ansiedlung solche sind, weiß ich nicht, aber  das weiß ich, es geschieht lange nicht genug, wenn man das Bedürfnis ansieht,  und wenn mann bedenkt, was geschehen könnte nach dem Segen Gottes, den wir  haben, und was geschehen sollte nach dem großen Vorzug, den wir genießen! O,  wie gut haben wir es doch; und doch  - sollen solche da sein, die nichts  übrig haben? Lasset uns vom barmherzigen Samariter im Evangelium lernen, was  thätige Menschenliebe ist! Gehe hin und thue desgleichen! Wahrlich, wir haben  in jetziger Zeit reichlich Gelegenheit Samariterdienste zu thun.
 Die Gnade des Herrn sei mit uns  allen!
 Dav. Warkentin.
   Brief von David  Warkentin, Dolinsk, Neu Samara, in der "Mennonitische Rundschau" vom  1. Mai 1901, Seite 2. Abgeschrieben von  Lydia Friesen (geb. Esau).  Brief von D.  Warkentin, Dolinsk, Samara. In der "Mennonitischer Rundschau" vom  7.11.1906. Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau). |