Moskau, den 3. August 1922
Professor Alvin J. Miller
Director der American Mennonite Relief in Rußland, Moskau.
Lieber Br. Miller!
Heute erhielt ich etliche Briefe von Neu Samara, aus welchen ich kurze Auszüge unten folgen lasse. Die
Gerüchte von einer anhaltenden Dürre an der Wolga bestätigen sich, wie Sie sehen. Wieder zerschlagene
Hoffnungen! Wieder für viele ein schwerer Winter in Aussicht. Was in diesem Falle zerschlagene Hoffnungen
heißen, kann nur verstehen, wer es miterlebt wie schwer es hielt, das wenige Wieh, durch den Winter zu
bringen, wo die meisten Pferde so entkräftet waren, daß sie nicht ohne Hilfe aufstehen konnten; wie schwer
es hielt, die von der Regierung vorgestreckte Saat mit den schwachen Pferden von der Bahnstation abzuholen;
wie unsäglich schwer es war, die Saat einzubringen; wie dann fruchtbarer Regen die Felder tränkte; wie
vielversprechend die Saat aufging und sich weiter entwickelte; wie die guten Leute sich freuten, frisch
aufatmeten, denn sie hofften eigenes Brot zu essen im nächsten Jahr. Dann kam die Dürre, und vom halben
Juni bis Ende Juli kein Regen, sondern große Hiße mit heißem Wind. Der Roggen, der ganz besonders schön
aussah, ist zusammengeschwirrt und viele Aehren ganz leer. Von etlicher gesäten Hirse keine Spur zu finden,
während andere nur zur Futter gemäht werden konnte. Zerschlagene Hoffnungen! - Furchtbar! -
Wir glaubten im Frühjahr, daß das Schwerste überstanden, und jeßt für Viele diese Aussicht auf einen noch
schwereren Winter. Wann wird denn endlich genug sein des Elends? - Von Neu Samara schreiben sie - "weitere
Hilfe "tut not". In jedem Brief bitet man um Traktore: denn nur das gepflügte Land gibt noch was.
Dürfen wir noch weiter unsern Brüdern in Amerika unsere Not klagen? Dürfen unsere Kolonien an der Wolga
auf weitere Mithilfe rechnen? Werden unsere Wohltäter nicht bald müde sein für die Armen in Rußland zu
sorgen? -
Gott gebe Ihnen Weisheit und Kraft, die schwierige Arbeit hier weiter zu regeln und unsern Brüdern über dem
Wasser viel Geduld mit den Hungrigen in Rußland und viel Liebe zu diesen.
Grüßend C. Klassen
Auszug aus dem Brief von Jakob Brucks, Kuterlja, Neu Samara, in der "Mennonitische Rundschau" vom 6.09.1922.
Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau)
Klassen, Cornelius Franz (1894-1954), Pleschanovo, Neu Samara
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