Notstände in Asien in "Christlicher Bundesbote" vom

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

15 April 1884, Nr. 8, S. 5 – 6;

1 Mai 1884, Nr. 9, S. 5 – 6;

15 Mai 1884, Nr. 10, S. 5


15 April 1884, Nr. 8, S. 5 – 6,

Ein Aufruf an Alle

Zur Unterstützung hilfsbedürftiger Mennoniten in Asien, die gerne nach Amerika auswandern möchten.

Manch Tausend Dollars ist schon von Amerika nach Asien zur Mithilfe dortiger Mennoniten bei ihrer schwierigen Ansiedlung daselbst gesandt worden, und das ist recht, schön und anerkennenswerth. Solche gaben sind gerne gegeben und dankbar empfangen worden, dafür haben wir viele Zeugnisse, welche zur Fortsetzung dieser Unterstützung aufmuntern. Indessen stellt sich jetzt immer mehr heraus, daß diese eine Art der Mithilfe allein nicht hinreichend genug ist, und schon mancher Geber hat bei der Absendung seiner Gabe nach Asien sich dahin ausgesprochen: „Wie viel nachhaltiger und weitreichender könnten unsre Gaben den Brüdern in Asien zu statten kommen, wenn die dort hingesandten Gelder gebraucht würden, die Reise der Brüder nach Amerika zu bezahlen. Hier in unserer Nähe und Mitte würden die jetzt hilfsbedürftigen Brüder ja bald so gestellt sein, daß die keine Unterstützung mehr nöthig haben würden.“ Doch solche Bemerkungen wurden nur im Stllen gemacht, denn wohl keiner der Geber wollte durch seine Gabe für Amerika aqitieren, und das soll auch durch diese Zeilen durchaus nicht geschehen. Die Ueberzeugung und Glaubensanschauung derjenigen Brüder, die nun einmal daran festhalten, daß in Asien der Sammelplatz der Brautgemeine sei, soll nicht dadurch angefochten werden, daß die jenen Brüdern so nöthige Unterstützung ihnen entzogen, oder auch nur geschmälert wird. Aber wenn auch ohne Zuthun von dieser Seite unter den Brüdern in Asien sich solche finden, die es einsehen, daß sie zu weit nach dem Osten gegangen, und die dem Raube ihrer Habe, Mord und Todtschlag seitens der sie umgebenden heidnischen Völker entfliehen möchten, und zu diesem Zwecke sich nach Amerika wenden mit dem Rufe: „Helft uns, daß wir dem Elend hier entgehen und zu Euch nach Amerika kommen können“, dann öffnet sich uns hier ein zweiter Weg der Hilfeleistung, den wir ebenso wenig unbeachtet lassen dürfen, als den ersteren (oben angedeuteten) und es gilt hier: das Eine zu thun, und das andere nicht zu lassen.

Es ergehet daher hiermit die Bitte und Aufforderung an Alle, welche den „Hilferufen aus Asien“ an einer anderen Stelle dieses Blattes freundlich Gehör schenken, und welche aus den kurzen Beschreibungen der „Nothstände in Asien“ (in einer anderen Spalte) die Nothwendigkeit der erbetenen Hilfe erkennen, sowie mit der weiter unten angedeuteten Art und Weise der Hilfeleistung einverstanden sind: sendet Eure Gaben zur Unterstützung für die Reise hilfsbedürftiger Brüder von Asien nach Amerika an den Empfang solcher Gaben ernannten Bruder Abraham Sudermann, Newton, Harvey County, Kansas.

Es werden solche Gaben gerne schenkungsweise angenommen, aber auch leihweise Vorschüsse auf nicht kürzere Zeit als drei Jahre, ohne Interessen, sind willkommen, denn die jetzt schon nöthige Unterstützungssumme von $ 8,000 bis 10,000 für die bereits reisefertigen ca. 26 Familien würde vielleicht schenkungsweise allein nicht schnell genug zusammenkommen, durch Mithilfe von Vorschüssen aber leichter erreichbar sein.

Das zur Verwaltung und Verwendung dieser Gaben und Vorschüsse erwählte „Amerikanische Mennonitische Hilfs – Comite“ wird sich bemühen, auf Grund früher schon in der Unterstützungs – und Emigrationssache gemachten Erfahrungen die eingehenden Unterstützungsgelder so weitreichend als möglich anzuwenden, indem Passage – Contrakte zu den möglichst billigsten Preisen in kürzester Zeit sollen abgeschlossen werden.

Hoffen wir denn gerne, daß auch in der Unterstützung dieser um Hilfe zum Herüberkommen aus Asien rufenden Brüder die Bereitwilligkeit unserer Gemeinden zum Helfen und Geben sich auf`s Neue bewähren möge.

Im Auftrage, der am 4. April 1884 in Newton zur Unterstützung hilfsbedürftiger Einwanderer aus Asien abgehaltenen Versammlung.

Das A.M. Hilfscomite.

(Viele Berichte überschneiden sich mit der „Mennonitische Rundschau“ – E.K.)

1 Mai 1884, Nr. 9, S. 5 - 6

Weiter siehe: Bericht und Bericht

15 Mai 1884, Nr. 10, S. 5

Nachrichten von den Brüdern in Turkestan und Chiwa.

In Turkestan.

Die bei Aulie – Ata angesiedelte Gesellschaft scheint es, könnte nun ihr Brod dort haben, nachdem die Brüder aus Amerika durch ihre reiche Spende, von über 6,000 Rubel, den eingetretenen leiblichen Nothstand haben überwinden helfen. Die Vertheilung dieser Spende hat den Brüdern zugleich einen innern Nothstand Vieler geoffenbart, welcher nicht durch leibliche Gaben, sondern nur durch geistliche Gnadengaben zu heben geht. Ein Prediger, dem man seines Wandels halber, das Amt entzog, hat etwa zehn bis zwölf Familien an sich gezogen und bildet mit ihnen eine besondere Gottesdienstgemeinschaft. Einige Familien sind zu der (Flußtaufer-) Gemeinschaft vom Kuban her, übergetreten. Die Ableistung des Wehrdienstes anbelangend, so hatte bisher das Loos dienstuntaugliche Jünglinge getroffen, letztens aber einen tauglichen. Dieser Jüngling hat sich in Taschkent und in Aulie – Ata stellen müssen. Als der Aelteste, welcher den Jüngling geleitete, erklärte, daß sie keinen ihrer Jünglinge in Dienst geben könnten, hatte der zuständige Beamte erwidert, daß man für ungehorsame Unterthanen Sibirien habe. Der Dienstpflichtige durfte aber bis auf Weiteres, versteht sich unter den bestehenden gesetzlichen Bedingungen für Fälle, wo die Empfangsbehörde in Unklarheit ist, nach Hause zurückkehren. Die Entscheidung ist hier zur Zeit noch nicht bekannt.

In Chiwa.

Mehr und mehr Glieder dieser Gesellschaft, die bekanntlich aus etwa 60 Familien besteht, erkennen und bekennen, daß sie des rechten Weges verfehlt und eigenwillig dem Herrn vorgegriffen haben, indem sie sich selbst nach ihrem Sinn den Ort zur Bergung in der großen Versuchungsstunde, bereiten wollten. Jetzt neigt ihr Sinn nach Amerika hin. Sie möchten dort hinüber, wo so viele unserer Brüder unbehindert ihres Wehrlosigkeitsbekenntnisses, so wie auch im lieblichen Segen leben. Aber es gebricht, wenigstens Manchen, schon an allen Reizmitteln und ob sich die gehegte Hoffnung auf Mithülfe erfüllen wird, ist noch unbekannt. Wenn nun aber die Vermöglichern, wie sie vorhaben, jedenfalls von dort aufbrechen und wenn auch nur vorläufig bis zu ihrer, früher verlassenen Heimath zurückkehren, was wird dann aus den Andern? Dort scheint es, wie man schreibt, kann ihres Bleibens nicht mehr sein. Die Räubereien nehmen immer mehr überhand. Soweit die Nachrichten gehen, lagen damals schon sieben Brüder, zum Theil schwer verwundet darnieder. Zehn Familien sind schon zusammengezogen, haben um ihre Wohnungen eine Mauer gezogen und halten regelmäßige Wache. Die Andern können, oder konnten, weil ab und zu Einer nach dem Andern andern Sinnes wird, gewissenhalber weder eine Mauer zur Wehre aufführen, noch eine Wache organisieren. „Es geht schrecklich her; der treue Herr möge sich unserer erbarmen und den bösen Menschen Halt gebieten, oder uns ein anderes Plätzchen anweisen.“ u.s.w., heißt es in einem Briefe, wie der Hilfeschrei einer geängsteten Seele; als hörte man selbst die Hilferufe „rett! rett! rett!“, die man dort schon hört, ohne sich hinzuwagen. Die Räuber schlagen mit Beilen die Thüren, oder noch kürzer, die Fenster ein und schießen auch wohl hinterdrein in die Stube hinein, um die Bewohner desto schneller hinauszutreiben, die sich dann hinaus oder in die Keller flüchten. Es ist schon vorgekommen, daß die Räuber sich in der Wohnstube ein Feuer anmachen und in dessen Beleuchtung alles umkramten und durchsuchten. Es ist auch vorgekommen, das Brüder, welche zu Pferde nach dem Orte, von wo man das Angstgeschrei hörte, hineilten, von den Räubern ein Stückchen von den Häusern wegmanöverirt und dann überfallen wurden, um die Pferde zu nehmen. Einmal, als die Räuber auch in ein Haus eingedrungen waren, und zwei der hinausflüchtenden Brüder noch mit Säbelhieben (einen schwer) verwundet hatten und die Brüder in größerer Anzahl zusammengelaufen waren, drangen drei Turkmenen zu Pferde, mit Säbel und Messern bewaffnet, auf die angesammelten Brüder ein. In die Enge getrieben, brauchten letztere ihre Waffe, den Stock oder Knüppel, und schlugen die Pferde an den Kopf, oder wo sie selbige trafen, daß sie mit den Reitern davonliefen. Das war zwar nur das unschuldige Thier geschlagen, aber doch die Ueberwältigung der schuldigen Reiter gemeint und wer das menschliche Herz kennt, kann wohl auf den eigenen Nothlage überwunden worden und nun bis zu den andern Vertheidigungswaffen nicht mehr weit hin ist.

Einzelne Fälle speziell zu schildern dürfte das Mitgefühl nicht mehr erregen, als es die kurze Mittheilung thun kann, weßhalb es hier unterlassen wird.

Aus Allem zu schließen, führt Claas Epp keine leitende Rolle mehr und herrscht allgemeiner Wirrwar.