Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1913. D. Epp. 1914. Halbstadt
Artikel: Ein Sonntag von Anno 1840 auf der Insel Chortitza. Nach K. Hildebrandt senior.
 
   
 
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stand, so war das Erste, dass er sich beim Schuster "korwonsche" Stiefel (eine Art Blankleder) mit kurzen, glaenzenden Schaeften machen liess. Die Hosen wurden in ihren Auslaeufern huebsch glatt in diese blanken Schaeften hineingesteckt. - Um den Hals trug er ein langes, schwarzseidenes Halstuch geschlungen, dessen Zipfel beinahe bis zu den Westentaschen reichten und in jeder Ecke in roter Baumwolle die Anfangsbuchstaben des Namens seines Traegers aufwiesen. Vom alten Ohm Jakob Dyck, dem seinerzeitigen Aeltesten der Chortitzer Gemeinde, erzaehlt man, dass er bei besonders feierlichen Gelegenheiten, wie bei Taufhandlungen, das schwarzseidene Halstuch durch ein langes weisses, auf die Brust herabhaengendes ersetzte.
Kurz, unsere Altvaeter wussten, dass man in heiligen Stunden auch in gereinigten Kleidern vor dem Hoechsten erscheinen muss. Denn wo's am aeussern Menschen schon recht unordentlich aussieht, dort ist in der Regel der innere noch mehr in Unordnung.
Nach kurzer Einleitung und Gebet folgt der Text: "Kommet her zu mir alle, die ihr ..." In sehr schlichter Weise verliest nun der Ohm die sehr gute und tiefgehende Predigt. In seinen Worten zittert etwas nach von dem eigenen tiefen Empfinden, das ohne viel Kunst den Weg zum Herzen des Zuhoerers findet. Alle lauschen denn auch tief bewegt. Hie und da wischt ein Muetterchen sich eine Traene der Ruehrung von der Wange. Stammen doch die Worte, die es hier vernimmt, aus hoeherem Munde nach, ja von Jesu selbst, der seinen Boten befohlen hat, diese selige Einladung weiter forttoenen zu lassen. "Kommt her ..." Wie sehr heimeln diese Worte an, denn es ist Kanaans Sprache, es ist der Ruf des lockenden Vaters. Und wer ist nicht muehselig und beladen? Da ist so manches, was nicht sein sollte im Leben und sich einmal schwer auf die Seele legt. Doch die Last, die wir uns selbst aufbuerden, soll uns zum Bewusstsein kommen, damit wir sie ihm zu Fuessen legen, - hingegen die Last, die er uns dann auflegt, aufnehmen, denn sie ist sanft, und sein Joch ist leicht.
Die Predigt schliesst mit dem apostolischen Segen. - "Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes ..." Wenn ich in der Gnade stehe, dann fallen alle Rechtsansprueche Satans an meine Suendhaftigkeit und Unvollkommenheit weg, von welcher Seite sie

 

         
 
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Zuletzt geaendert am 1 Juni 2008.