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die Flucht zu jagen. Mit frischen vollen Lungen
wird gesungen, freilich wohl unter vielen Auf- und Abschreiten
der Toene zwischen C und A und dem zweimal gestrichenen C,
doch ohne alle Stockungen bis zum Schluss.
Ein paar Minuten des Verschnaufens, dann folgt das Lied vor
der Predigt: "Liebster Jesu, wir sind hier! Nr. 86!"
- - "86!" - Das Ansagen dieser Nummer haette sich
der Vorsaenger ersparen koennen, - denn wo "Liebster
Jesu" zu finden sei, wusste damals jeder Ohmke, jede
Muhmke, die meisten konnten's von A bis Z auswendig. In jenen
alten Zeiten suchten viele schlichte, fromme Gemueter, besonders
aber die Muetter, ihren geistlichen Hunger aus dem Gesangbuch
zu stillen und waren deshalb auch in demselben besser bewandert,
als die meisten Gemeindeglieder von heute. - Doch der Vorsaenger
kennt seine Pflicht und ruft die Nummer "86" nochmals
mit einem Brusttone aus, dass der dritte Nachbar von der Schule
es zu Hause gehoert haette, wenn er daheim geblieben waere*);
denn die Fenster nach Jerusalem standen offen beim Gebet,
wie einstmals beim Daniel in der Bibel. -
Nun sind auch die drei Strophen dieses Liedes abgesungen.
Der liebe Predigerohm, der schon waehrend des Gesanges eingetreten
ist, erhebt sich vor seinem Tisch, auf dem ein Buchhalter
steht, zieht seine abgeschriebene Predigt, in blauem Zuckerpapierumschlag,
aus der inneren Seitentasche seines Rockes heraus und gruesst
die Versammlung ohne in sein Heft hineinzuschauen, mit dem
apostolischen Gruss: "Der Friede Gottes, welcher hoeher
ist." Damit ist die Versammlung in eine Stimmung versetzt,
die man zu den Fuessen Jesu findet, und dem Irdischen wird
Schweigen geboten. Betrachten wir uns den Mann naeher. Es
ist eine zwar schlichte, aber Ehrfurcht gebietende Gestalt,
die dort vor der Versammlung steht: Schon in seinem Aeussern
ist er ordentlich und sorgfaeltig.
Wenn bei der Wahl hinter dem Ohm eine gute Wirtschaft
*) Anmerkung: Auch heute, 1913
waere es angebracht, wenn die Vorsaenger in der Kirche Lied
und Nummer genuegend laut ansagten. Es sind immer alte Leute
zugegen, die an Schwehrhoerigkeit leiden und wegen uebergrosser
Bescheidenheit der Vorsaenger das Lied nicht finden koennen.
Auch bei Trauhandlungen wird oftmals seitens des Brautpaars
so ein leises "Ja" gelispelt, das die Versammlung,
die doch Zeuge dieses Versprechens sein soll, nichts davon
vernimmt. Und das ist nicht recht!
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