Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1913. D. Epp. 1914. Halbstadt
Artikel: Ein Sonntag von Anno 1840 auf der Insel Chortitza. Nach K. Hildebrandt senior.
 
   
 
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So vergeht einige Zeit in tiefstem Grabesschweigen. Das Summen eines hungrigen Bienleins, das sich zum Fenster herein hierher verirrt hat, wird zur lauten Musik. Deutlich unterscheidet man das Zwitschern der Spatzen draussen und den Schlag der Amsel im nahen Gebuesch.
Ploetzlich wird von einem der Vordermaenner, dem's vor lauter Schweigen in den Ohren zu "klingen" anfaengt, ein kurzes Husten simuliert, - dem ein kaum hoerbares Scharren mit den Fuessen folgt. - Einem der Weiblein kommt's wie ein feines Niesen an, und behutsam zieht sie ihr hart gestaerktes Sacktuch mit dem Marienblatt oder Thymianstraeusschen ein paar mal unter der trockenen Nase hin und her, wobei eine Wolke von Kraeuterduft, wie vom Geruch wohlriechender Narde, zu den Nachbarinnen hinueberzieht.
Wieder lautlose Stille, - stumme, fromme Erwartung. Selbst die beweglichen Jungen sitzen wie hypnotisiert, und auf den weissen, glatten Stirnen der Maegdlein ziehen sich feine Andachtsfalten.
Jetzt betritt, aus der Wohnstube des Schullehrers kommend, der Vorsaenger die Schulstube und schreitet in gemessenem, feierlichem Schritt seinem Platze neben dem noch leeren Sitze des Predigers zu.
Es ist eine grosse, markige Gestalt, dieser Vorsaenger des Orts, ein echter Insulaner, gut genaehrt, das Gesicht glatt rasiert, das starke Haupt mit schwarzen, straehligen Haaren bedeckt, mitten ueber den Kopf gescheitelt, rechts und links glatt hinter die Ohren gekaemmt und dann hinten im Genick nach dem Lineal abgeschnitten. Er traegt seinen langen, schwarzen, krausen Rock mit vieler Wuerde; denn da es im Dorfe keinen ansaessigen Prediger gibt, so ist er die einzige kirchliche Spitze und somit die Hauptperson des Ortes. - Feierlich nimmt er seinen Platz ein, blaettert ein Weilchen wie suchend in seinem Gesangbuche, hustet ein paar mal kurz auf, - und dann sagt er an: "Auf, auf, mein Geist zu loben! Nummer 358!" - nach einer kurzen Pause wiederholend - "358!" - Drauf einen Augenblick Schweigen, und dann hebt er mit Stentorstimme zu singen an. Aber die aendern zieren sich auch nicht, wie's heute viele von denen mit dem jungen Blut und dem alten Herzen machen, die auch nicht wert sind, vom lieben Herrgott eine Stimme mitbekommen zu haben; hier setzen 50 Kehlen so tatkraeftig und stark ein, wie wenn es gaelte, die Mauern Jerichos umzuwerfen, oder die Minianiter in

         
 
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Zuletzt geaendert am 1 Juni 2008.