Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1913. D. Epp. 1914. Halbstadt
Artikel: Ein Sonntag von Anno 1840 auf der Insel Chortitza. Nach K. Hildebrandt senior.
 
   
 
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auch kommen moegen. Und so bin ich froehlich in Hoffnung, geduldig in Truebsal und will anhalten im Gebet. "Amen". Darauf werden noch die Glaubensgeschwister, die einander die Ehe versprochen haben, angezeigt: Namen, Familie, Vatersname, ob Juengling und Jungfrau, oder Witwer und Witwe, etc., Wohnort, und alsdann: "Wer etwas Gueltiges gegen die eheliche Verbindung dieser Beiden einzuwenden hat, moege solche Einwendung beizeiten machen."
Der Predigerohm setzt sich, neigt sich zum Vorsaenger hin und fluestert diesem zu: "Ich moechte das Lied gesungen haben: Folget mir, rufet uns das Leben!" Der Vorsaenger erwidert in hoerbarem Fluestern: "Ich bin aber nicht ganz sicher, ob ich die Wies kann, werde erst im stillen versuchen." Doch sein Selbstbewusstsein schwillt, er ruft das Lied aus und hebt sofort mit voller Kraft zu singen an. Jedoch es stimmt nicht und alle aendern schweigen. Er versucht es noch einmal fuer sich im stillen (so dass es jedermann hoert), aber es will wieder nicht gehen. Und ferner schweigt alles, bis der Gesangfuehrer den Schluessel zum Geheimnis gefunden haben wird. Der Vorsaenger aber gleicht jener Witwe im Evangelium, die den ungerechten Richter durch ihr anhaltendes Geilen ueberwindet. Auch er gibt nicht nach, sondern laesst seine Stimme von neuem tastend auf- und abgleiten und dann, als er bekannte Spuren entdeckt, zu einer groesseren Staerke anschwellen. Ein altes Muetterchen faellt zuerst mit zitternder Stimme ein, und seine Stimme schwillt zum heftigen Brausen an - bis er alle mit sich fortreisst. Und wenn die Endreime der Verse auch nicht immer stimmen, das Zuviel wird verschluckt. - Und es braust fort und immer weiter fort, "wie Schwertgeklirr und Wogenprall", dass die losen Scheiben in den alten Fensterrahmen leise klirrend zu zittern anfangen. Und der liebe Gott hat sicherlich seine Freude dran.
Zum Schluss folgt der Segen, und gestaerkt und getroestet erheben sich alle von den ungestrichenen Baenken. Die aelteren Vaeter und Muetter reichen dem lieben Predigerohm, der nicht zu Mittag bleiben will, zum Dank und Abschied noch die Hand und streben dann mit den anderen dem Ausgange zu. Das weibliche

 

         
 
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Zuletzt geaendert am 1 Juni 2008.