|  | 57 Flut des braunen Haares des jungen Weibes, sowie 
                    die Ohren und noch einen Teil der glatten Stirn, - aber auch 
                    den gelichteten Scheitel des Alters. Vorn zieht sich von Ohr 
                    zu Ohr, das ganze Gesicht wie mit einem schwarzen Heiligenschein 
                    einrahmend, ein mehrfacher Kranz steifgestaerkter, aufrechtstehender 
                    krauser Spitzen. Hinten ganz glatt, ist die "Macht des 
                    Weibes", vorne unter dem Kinn mit langen breiten Baendern 
                    zugeknuepft.Auch die "Muhmke" traegt ein altvaeterliches Gesangbuch 
                    in der Hand, doch obendrauf das spitzenlose, stark geblaeute 
                    Taschentuch und darauf noch ein scharf duftendes, frisches 
                    Marienblatt, das speziell fuer Kirchgangszwecke im Garten 
                    gezogen wurde; - oder auch eine duftende Rose, oder, wenn 
                    sie nichts von beiden besitzt, ein Straeusschen wilden Thymians, 
                    den die Tochter tags zuvor vom Felde mitgebracht hat; denn 
                    wenn man in der Kirche sitzt, muss es auch "nach Sonntag 
                    riechen". Ebenso steht sonntags wohl in jedem Hause ein 
                    Strauss blauen Flieders, gepaart mit langstieligen Tulpen, 
                    in einem Glase oder Kruge auf dem Tisch der guten Stube. - 
                    Auch eine Art Rauchwerk vor dem Altar,, nach Vorbild und Muster 
                    des Tempels im alten Jerusalem.
 So sonntaeglich geschmueckt, schreiten Vater und Mutter zur 
                    Kirche. Und die herangewachsenen Kinder gehen mit. Die Soehne, 
                    welche bereits das 17. - 18. Lebensjahr erreicht haben, sofern 
                    sie wohlhabender Eltern Kinder sind, tragen den krausen Schirkassinrock 
                    von unbestimmter grauer Farbe; die juengeren Burschen laufen 
                    sonntags in weissen Hemdaermeln, statt der blauen am Werktage. 
                    - Die erwachsenen Toechter gleichen den Muettern in der Tracht, 
                    nur dass die blauen Augen recht schalkhaft unter den lose 
                    geknuepften Kattuntuechlein hervorlugen und ebenso bestaendig 
                    zum Lachen geneigt sind, wie die Back-, Brat- und anderen 
                    Fische von heute. Nur "duse" musste alles sein, 
                    besonders noch, wenn's zur Andacht ging. (Mit einer brennendroten 
                    Jacke in die Kirche zu kommen, waere ein arger Verstoss gegen 
                    Ordnung und Sitte gewesen, ja fast wie eine Heiligtumsschaendung 
                    aufgefasst worden). - Was noch ganz jung an Knaben und Maedchen, 
                    laeuft barfuss, zumal die erste Schwalbe laengst gesehen worden 
                    ist.
 
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