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                  Es waere ja nicht das eiste Mal, dass unsere 
                    Glaubensgenossen die heimatliche Scholle verlassen und in 
                    eine unbekannte Ferne ziehen; es wird auch nicht das letzte 
                    Mal sein, wo innere und aeussere Bedraengnis ihnen das Bleiben 
                    am Orte unmoeglich macht und man sich mit blutendem Herzen 
                    losreissen muss von der teuren Scholle, die mau so lange bearbeitet 
                    und mit seinem Schweiss geduengt hat, von der trauten Huette, 
                    oder dem bescheidenen Hause, in dem man lange so gluecklich 
                    war. Doch die gegenwaertige Bewegung traegt etwas Unnormales 
                    an sich, unnormal in dem Sinne, als sie nicht religioesen 
                    Noeten entsprungen und durch Gewissensangst bedingt ist. Wenn 
                    hier nicht egoistische Absichten Einzelner vorliegen, die 
                    aus einer Massenbewegung Vorteil ziehen wollen, (was ich uebrigens 
                    weder behandeln will, noch beweisen kann,) so scheint doch 
                    die Triebfeder diesmal rein materialistischer Art zu sein, 
                    das Verlangen nach billigem Lande, nach einer besseren Existenz. 
                    Bei manchen ist's vielleicht auch nur der Wandertrieb, der 
                    den meisten Deutschen angeboren ist, und ihnen jetzt den Wanderstab 
                    in die Hand druecken moechte. Wie gesagt, Gewissensbedenken 
                    scheinen's diesmal nicht zu sein, da kein Grund fuer dieselben 
                    vorhanden ist. Wir geniessen, trotz einiger Einschraenkungen 
                    seit letzter Zeit, in unserem russischen Vaterlande so viele 
                    Rechte und Freiheiten, was die Gewissensfragen anbelangt, 
                    dass wir (die Vereinigten Staaten vielleicht ausgeschlossen) 
                    kaum ein zweites Land finden wuerden, wo uns noch mehr geboten 
                    werden koennte. Und selbst in dem freien Amerika wissen wir 
                    nicht, was geschehen wuerde, wenn eimal ein Vaterlands-Verteidigungskrieg 
                    ausbrechen sollte, wir wissen nicht, ob dann unsere Brueder 
                    dort nicht auch noch in Glaubens- und Gewissensnot kommen 
                    koennten. 
                    Freilich koennen wir auch nicht wissen, was bei einer uns 
                    unguenstigen Stroemung in dem Unter- und Oberhause noch folgen 
                    kann; doch wir sprechen von dem, was jetzt ist, und da wird 
                    wohl niemand von den Argentinia-Begeisterten mit Grund behaupten 
                    koennen, dass Gewissensfragen ihn forttreiben. Oder soll dieses 
                    Ausschauen nach einem Ansiedlungsplatz fuer viele nur ein 
                    Akt der Vorsicht sein, um zu wissen wohin, wenn die Not da 
                    ist? Vorsicht tut immer gut, doch in diesem Falle nutzt die 
                    Vorsicht nichts, es kann sich nur um direkte Absichten handeln, 
                    anders wird sich kein Land in Unterhandlungen mit etwaigen 
                    Vermittlern einlassen, oder aber sich doch nicht fuer eine 
                    fernere Zukunft binden. Handelt es sich aber um Absichten, 
                    so duerften 
                    
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