Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1911-12. D. Epp. 1913. Halbstadt
Artikel: Wirtschaftliches.
 
   
 
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Es waere ja nicht das eiste Mal, dass unsere Glaubensgenossen die heimatliche Scholle verlassen und in eine unbekannte Ferne ziehen; es wird auch nicht das letzte Mal sein, wo innere und aeussere Bedraengnis ihnen das Bleiben am Orte unmoeglich macht und man sich mit blutendem Herzen losreissen muss von der teuren Scholle, die mau so lange bearbeitet und mit seinem Schweiss geduengt hat, von der trauten Huette, oder dem bescheidenen Hause, in dem man lange so gluecklich war. Doch die gegenwaertige Bewegung traegt etwas Unnormales an sich, unnormal in dem Sinne, als sie nicht religioesen Noeten entsprungen und durch Gewissensangst bedingt ist. Wenn hier nicht egoistische Absichten Einzelner vorliegen, die aus einer Massenbewegung Vorteil ziehen wollen, (was ich uebrigens weder behandeln will, noch beweisen kann,) so scheint doch die Triebfeder diesmal rein materialistischer Art zu sein, das Verlangen nach billigem Lande, nach einer besseren Existenz. Bei manchen ist's vielleicht auch nur der Wandertrieb, der den meisten Deutschen angeboren ist, und ihnen jetzt den Wanderstab in die Hand druecken moechte. Wie gesagt, Gewissensbedenken scheinen's diesmal nicht zu sein, da kein Grund fuer dieselben vorhanden ist. Wir geniessen, trotz einiger Einschraenkungen seit letzter Zeit, in unserem russischen Vaterlande so viele Rechte und Freiheiten, was die Gewissensfragen anbelangt, dass wir (die Vereinigten Staaten vielleicht ausgeschlossen) kaum ein zweites Land finden wuerden, wo uns noch mehr geboten werden koennte. Und selbst in dem freien Amerika wissen wir nicht, was geschehen wuerde, wenn eimal ein Vaterlands-Verteidigungskrieg ausbrechen sollte, wir wissen nicht, ob dann unsere Brueder dort nicht auch noch in Glaubens- und Gewissensnot kommen koennten.
Freilich koennen wir auch nicht wissen, was bei einer uns unguenstigen Stroemung in dem Unter- und Oberhause noch folgen kann; doch wir sprechen von dem, was jetzt ist, und da wird wohl niemand von den Argentinia-Begeisterten mit Grund behaupten koennen, dass Gewissensfragen ihn forttreiben. Oder soll dieses Ausschauen nach einem Ansiedlungsplatz fuer viele nur ein Akt der Vorsicht sein, um zu wissen wohin, wenn die Not da ist? Vorsicht tut immer gut, doch in diesem Falle nutzt die Vorsicht nichts, es kann sich nur um direkte Absichten handeln, anders wird sich kein Land in Unterhandlungen mit etwaigen Vermittlern einlassen, oder aber sich doch nicht fuer eine fernere Zukunft binden. Handelt es sich aber um Absichten, so duerften

 

         
 
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Zuletzt geaendert am 25 Mai 2008.