Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1906. H. Dirks. 1907. Halbstadt
Artikel: Aus den Aufzeichnungen eines Alten. (von Aeltesten H. Dirks )
 
   
 
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fliegenden oft meilenlangen, die Sonne verdunkelnden Heuschreckenschwaerme hielt man, soweit als moeglich, durch Schreien und Schiessen und durch Blechgetrommel oder durch den uebel riechenden Dampf von angezuendetem, feuchtem Gnuell oder Stroh von dem Siechniederlassen ab. Wo sie sich aber dennoch niederliessen, da frassen sie alles Gruene weg: Getreide, Gras, Gemuese, das Kartoffelkraut, ja selbst die Blaetter von den Baeumen. Es setzten sich oefters so viele auf einen Ast, dass derselbe unter der schweren Last abbrach. Wo die tradenden Heuschrecken, mit dem Hinterende in die Erde gebohrt ihren Samen legten, da mussten die Eier eingesammelt und vernichtet werden, was sehr muehsam war und viel Zeit erforderte.
Schalte noch ein, dass suedlich vom Mennonitenlande, doch an dieses angrenzend, die unter die Nogaier verbannten Molokanen in ihren drei Doerfern Astrachanka, Wasieljewka und Schawkai wohnen. Die Molokanen bilden eine Sekte, haben freie Gemeinden mit Predigern aus ihrer eigenen Mitte, essen kein Schweinefleisch, dafuer aber viel Hammelfleisch und trinken viel Milch; daher der Name Molokanen (Milchleute). Taufe und Abendmahl nehmen die Altmolokanen geistlich. Die Molokanen sind ein sehr wirtschaftliches Volk, sind reich geworden, namentlich durch Vieh- und Schafzucht. Aeusserlich recht religioes, kommt unter ihnen aber auch viel Schwindel und Betrug vor; davon wissen besonders die mennonitischen Ladenbesitzer zu erzaehlen, bei denen die Molokanen Einkaeufe machten auf Borg, so dass sie bei den mennonitischen Kaufladenbesitzem tief in Schulden gerieten, dieselben aber grossenteils, den Nogaiern gleich, nicht berichtigten.
Spaeter zersplitterten sich die Molokanen in mehrere Gemeinschaften, so dass es jetzt ausser den Altmolokanen Neumolokanen und baptistische Molokanen gibt.
Neben Altenau, fuenf Werst ab von diesem Ort, waren die Doerfer Terpinje, Troitzki, Bogdanowka, Dubowaja Balka und Tombowka, wo die aus Russland verwiesene Sekte der Duchoborzen (d.h. Geisteskaempfer) wohnten. Hinter dem Korniessen-Lande hinter Melitopol an der Taschenak waren noch vier weitere Duchoborzendoerfer: Duchoborzi, Radionowka, Garsloj und Damidowka, welche 1842 nach dem Kaukasus, Achalziek und Tiflis als von der orthodoxen Kirche Abtruennige zum zweiten Mal verwiesen wurden. Von dort zurueckgekommen, erzaehlten sie meinem Vater von der ungesunden Gegend bei

         
 
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Zuletzt geaendert am 27 Mai 2008.