Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1906. H. Dirks. 1907. Halbstadt
Artikel: Aus den Aufzeichnungen eines Alten. (von Aeltesten H. Dirks )
 
   
 
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mit Nase und Ohren." Dem Muschik aber gab er sein Fuhrwerk zurueck und beschenkte ihn obendrein noch reichlich.
Einem reitenden Deutschen begegnete Alim auf dem Tschumakenwege und begann mit ihm eine Unterhaltung. Der deutsche Herr war nicht mit Reiseproviant versehen, Alim aber hatte in seiner Reisetasche Brot, Ziegenkaese und einen Krug mit Wasser; damit traktierte er den deutschen Reisenden und liess ihn unberaubt und heiler Haut seines Weges ziehen."
Aber der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht. Als einmal Alim, schwach und matt vom Fieber, in einem Nogaieraul (Dorf) sich aufhielt, wurde er von der Polizei ausgehoben und nach Moskau geschickt, Dort soll er fuer seine Verschuldigungen und Missetaten auf einem eisernen gluehenden Stuhl haben sitzen muessen, bis sein Fleisch an den Lenden und Schenkeln wie gebraten war, und er endlich den Geist aufgab; wenigstens wurde erzaehlt, dass einer solcher Weise sein Ende gefunden habe. Es ist aber vielleicht nur ein blosses Gerede gewesen damals. Wahrscheinlicher ist, dass er fuers ganze Leben in den Karzer oder in die Bergwerke gekommen ist.
Zur Zeit des Krimkrieges hiess es einmal, dass die mohammedanischen Voelker Suedrusslands und in der Krim sich empoeren wuerden gegen die Krone und die andern Nationalitaeten und namentlich auch die Deutschen ausrotten wuerden. O, wie aengstlich hat damals aus Furcht vor den Nogaiern das Herz des Herausgebers dieses Jahrbuches, der damals noch ein Knabe war, geschlagen. Die Tscherkessen im Kaukasus indessen waren ein noch raeuberischeres Volk als die Nogaier (von den Deutschen Nohaizen genannt), die selbst nicht vor Menschenraub zurueckschreckten. So haben sie einmal aus der deutschen Kolonie Karas sechs Knaben, die die Pferdetabun (Pferdeherde) des Dorfes weideten, entfuehrt und sie zu Sklaven gemacht. Es dauerte Monate lang, ehe die Knaben fuer ein reiches Loesegeld von ihnen frei gegeben wurden.
Um noch auf die Nogaier zurueckzukommen, kann auch gesagt werden, dass die Mennoniten von ihnen nicht allein Schaden, sondern auch Nutzen hatten. Sie brachten auf ihren oefters knarrenden, mit Pferden oder Kamelen bespannten Mascharen (Wagen) das verkaufte oder zu verkaufende Getreide nach Taganrog und spaeter nach Berdjansk, kauften viel in den Lawken (Kauflaeden), die in den Mennoni-

         
 
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Zuletzt geaendert am 27 Mai 2008.