Ortsseite Gut Juschanlee, Molotschna Kolonie. Von Rita Dick.
"Das Steppenflüsschen Juschanlee bildete in seinem Unterlauf die südliche Grenze der Molotschnakolonie und mündete ca. 20 km nördlich von der Stadt Melitopol in den Molotschnaja- Fluss. Die Umgegend die Flüsschens war noch am Anfange des 20. Jahrhunderts das Weideland nomadischer Stämme. Die Nogaier und Molokaner weideten hier ihre Vieherden.
Längs des Oberlaufs des Flüsschens wurden in den Jahren 1820 bis 1857 vierzehn mennonitische Siedlungen gegründet.“ [540 15. Oktober 1997]. Die Steppe am Mittellauf der Juschanlee hatte seit 1811 Johann Cornies von der Zarenregierung gepachtet.
"Eines Abends, seine Heerde dem Flüsschen Juschanlee entlang forttreibend, schlug er sein Nachtlager auf der Stelle auf, wo gegenwärtig das Gut Juschanlee liegt. Am andern Morgen, die vor ihm liegende Oertlichkeit näher betrachtend, fand er dieselbe für die spätere Anlage eines Gutes so günstig, dass er den Plan dazu schon damals fasste. Er begann bald darauf die Ausführung dieses Gedankens mit dem Aufbau einer Erdhütte und legte so den Grund zu dem jetzt an dieser Stelle vorhandenen Mustergute Juschanlee.“, schrieb Alexander Petzholdt im Jahr 1855. [405]
Cornies Pachtartikel betrug gut 3500 Desjatinen Weideland. Auf welchem anfänglich mehrere Jahre lang ausschließlich nur Schafzucht getrieben wurde. Auf diesem Pachtland beschloss Cornies eine Musterwirtschaft für alle Zweige der Landwirtschaft einzurichten. Das Gut „Juschanlee“ wurde am 7. Oktober 1830 gegründet. „Der wahre Zweck dieses Unternehmens war, nicht allein seine eigene Wirtschaft zu verbessern, sondern dadurch auch den übrigen Bewohnern der hiesigen Gegend Mittel und Wege zu zeigen ihren wirtschaftlichen Wohlstand mehr emporheben und begründen zu können. Obgleich das Stück Land, worauf Cornies diese Wirtschaft anlegte, damals noch nicht sein Eigentum war, sondern dasselbe nur auf unbestimmte zeit in Pacht hatte, so hielt dieser bedenkliche Umstand ihn dennoch nicht ab, massive und dauerhafte Gebäude aufzuführen und andere verschiedene Anlagen und Einrichtungen auf demselben zu machen. Seit diesem Zeitpunkte nun, wurde stets mit regem Eifer und voller Thätigkeit daran gearbeitet, dieses Vorwerk in jeder Hinsicht immer mehr zu vervollkommnen, was denn auch in vielen Theilen nach Wunsch gelang, da weder Mühe noch Kosten geschont wurden.“ [692 Mai 1852]
Hier in „Juschanlee“ hatte Cornies nun die Gelegenheit, seine Pläne und Ideen auszuleben, und in der Regel gelang ihm alles, was er versuchte...
„Zuvor legte er (Cornies) den Grund zu einer Ziegelei, Dachpfannen- und Kachelbrennerei. Dann wurden aus eigenen Ziegeln Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude errichtet. Da er nebst dem Ackerbau und der Schafzucht auch Milchwirtschaft betrieb, dann auch Pferde- und Schweinezucht erfasste, mussten viele Stallungen gebaut werden. Er unterließ auch nicht den Seidenbau und die Bienenzucht. In etlichen Jahren war ein großer Obstgarten angelegt, wie auch eine Baumschule und Laubwald." [540 15. Oktober 1997]
Im Jahr 1836 schenkte Zar Nikolaj I. Cornies per Erlass 500 Desjatinen des Juschanlee-Landes, als Anerkennung seiner Verdienste. Dieses Dokumente, über die Übertragung 500 Desjatin in seinen Besitz, befindet sich im staatlichen Archiv Krim, Simferopol.
Franz Blüher schildert das Gut in seinen Reiseaufzeichnungen aus dem Jahr 1847 wie folgt:
„Juschanlee ist vor 17 Jahren gegründet und enthält 3500 Dessjatin Landes, ein geräumiges Wohnhaus, viele Stallungen und Wirtschaftsgebäude, welche sämtlich aus Ziegelsteinen erbaut und mit Dachpfannen gedeckt sind, sowie eine eigene Ziegelbrennerei.
Bei der Wohnung ist ein ausgedehnter Fruchtgarten mit 2200 ausgewachsenen Obstbäumen und 1750 diversen fruchttragenden Sträuchern. Linker Hand von den Gebäuden ist eine große Anlage, 68000 Stück verschiedener Waldbäume und eine große Baumschule mit jungen Obst- und Waldbäumen, die zu billigen Preisen verkauft werden. Die Länge der Anlage beträgt 1 Werst, die Breite ca. ¼ Werst und wird noch mit jedem Jahre vergrößert.“ [90 S. 21]
Es war in jeder Hinsicht ein Mustergut. Von überall her kamen Bestellungen nach Baumsetzlingen. Die Zahlen aus dem „Verzeichnis über die Anpflanzungen verschiedener Baumarten“ im Jahr 1837 (nur sieben Jahre nach der Gründung des Gutes) belegen es.
„Man sieht hier recht deutlich, was ein ernster Wille in Betreff der Baumzucht dem Steppenboden abzuringen vermag. Zwar ist die Oertlichkeit, die zur Waldanlage gewählt ward, eine verhältnissmässig günstige, da sie sich in einer Steppenniederung befindet, allein auch auf der Hochsteppe sind bereits von Johann Cornies kleine Waldanlagen geschaffen worden, durch deren Gedeihen die Möglichkeit des Fortkommens von Waldbäumen auch an sehr ungünstigen Localitäten bewiesen ist."
"Die Bestände dieser Waldanlage sind theils gemischte, theils reine; sie gehören zu den ältesten in der hiesigen Gegend und sind besonders tauglich um forstwirtschaftliche Studien an ihnen vorzunehmen. Sie liefern nicht allein schon jetzt viel Brennholz, sondern auch Nutzholz für Stellmacher und Tischler und gewähren ihrem Eigenthümer eine grosse Revenue. Auch die Anlage von Obstbäumen ist nicht unbedeutend, da sie sechs Dessjatinen Landes einnimmt. Auch sie bringt bereits seit einer Reihe von Jahren grosse pecuninäre Gewinne. Jedenfalls sind die bedeutenden Summen, welche auf Herstellung dieser Wald- und Obstbaumanlagen verwendet wurden, längst gedeckt und man erntet jetzt die Früchte der frühern Ausdauer. Jedem „forstlich ungläubigen Thomas" ist die Wallfahrt nach Juschanlee dringend anzurathen; hier werden seine Zweifel schwinden." [405]
1847 im „Unterhaltungsblatt für deutsche Ansiedler im südlichen Russland“ wurde den Auszug über den Ertrag der Schafe auf dem Vorwerke „Juschanlee“ von 1825 bis 1845 veröffentlicht. E.v.Hahn schrieb: „Ein uns amtlich zugestellter Auszug des Ertrages der Schäferei des Mennoniten Johann Cornies auf seinem Vorwerke Juschanlee im Laufe der leztverflossenen zwanzig Jahre, erscheint uns von solcher Wichtigkeit für die Landwirtschaft, dass wir uns nicht enthalten können, diese Rechnung den Lesern des Unterhaltungsblattes zur Beherzigung vorzulegen.
Wir bitten den Besitzer dieser Schäferei, über solche unbescheidene Veröffentlichung seiner häuslichen Rechnungen nicht ungehalten zu sein, sondern zu erwägen wie nützlich es für unsere Schafzüchter unter den Ansiedlern ist, wenn sie Gelegenheit bekommen die hier aufgestellten Ergebnisse mit denjenigen ihrer eigenen Schäfereien zu vergleichen und dadurch zum Wetteifer in der Verbesserung der Schafzucht aufgemuntert werden.
Bei der gegenwärtigen Lage dieses für unsere Gegend so wichtigen Zweiges der Landwirtschaft ist es nach unserer Ansicht schon Zeit, nicht so sehr auf die Vermehrung der Schafe, sondern der Gattung bedacht zu sein; denn die Schäferei des Mennoniten Cornies gehört nicht der Zahl der Schafe, sondern der Gattung der Schafe und deren Behandlung nach zu den merkwürdigsten Anstalten dieser Art, und hat dadurch so glänzende Einnahmen erziehlt.
Das Vorwerk Juschanlee befindet sich im Gouvernemente Taurien, Kreis Berdjansk, am äußersten Ende des molotschner Mennonitenbezirkes, wo selbst Cornies für ausgezeichnete Verdienste Allergnädigst 500 Deßjatinen Landes bekommen hat, zu denen er noch die angrenzenden unbesetzten Ländereien pachtet. Dieses Vorwerk ist ein Muster der Ordnung und Wohleinrichtung in den meisten einführbaren Fächern der Landwirtschaft und der häuslichen Einrichtung überhaupt.“ [692 Juli 1847]
1847 erreichte das Vorwerk „Juschanlee“ seine Blütezeit. Nach Cornies Tod (1848) ging die Wirtschaft an seinen Schwiegersohn Philip Wiebe über.
Eine kurze Übersicht der ganzen Wirtschaft in „Juschanlee“ mit Beilage eines Grundrisses wurde im Mai 1852 im „Unterhaltungsblatt für deutsche Ansiedler im südlichen Russland“ veröffentlicht.
„1) Akkerbau. Jährlich werden etwa 270 Dessätinen Land (wovon 50 Dessätinen unter Schwarzbrache kommen), mit verschiedenen Getreidearten besäet und bearbeitet. Der Akkerbau ist in den letzten 3 Jahren vollkommen geregelt eingerichtet; dazu sind Akkergeräte vorhanden: 10 Pflüge, 15 Eggen, 2 Landhaken, 1 Akkerrahm, 20 große Wagen, 12 Dreschsteine, 1 Getreideputzmaschine und alle andern erforderlichen Geräthe, die zum Akkerbau gebraucht werden. Alle Arbeiten werden durch Tagelöhner verrichtet. Das Arbeitsvieh besteht meistentheils aus Ochsen. Geernten wurde i. J. 1851 574 Tschwt. Weizen, 695 Tschwt. Roggen, 545 Tschwt. Gerste, 397 Tschwt. Hafer, 232 Tschwt. Hirse, 14 Tschwt. Leinsamen und 341 Tschwt. Kartoffeln.(Че́тверть (четь) — в XVII и XVIII веках в России — мера массы (веса) определённых товаров. Так называемая вощаная четверть равнялась 12 пудам,) Die Ernte war gut mittelmäßig. Verkauft wurden nur 207 Tschwt. Weizen für 873 Rbl.; das übrige Getreide wird zum eigenen Bedarfe aufbewahrt.
2) Schafzucht. Auf diesen Zweig war von jeher immer ein besonderes Augenmerk gerichtet, denn schon i. J. 1825 wurden bei St. Petersburg Zuchtbökke gekauft und später im Jahre 1827 aus Sachsen Zuchtbökke und auch Mütter eingeführt, wodurch nicht nur allein die Schafzucht beim Vorwerke veredelt und gehoben wurde; sondern den Bewohnern der ganzen Umgegend wurde dadurch die Gelegenheit verschafft ihre Herden veredeln und zu verbessern; ja selbst Gutsbesitzer der Gouvernemente Charkow und Poltawa haben durch Ankäufe guter Zuchtbökke aus der Schäferei des Vorwerks ihre Herden auf eine höhere Veredlungsstufe empor gehoben. Zur Unterhaltung des Fortschrittes in der Schafzucht werden im nächsten Jahre wieder frische ächte Merinobökke aus dem Auslande erwartet. Der gegenwärtige Bestand der Herden beim Vorwerk beläuft sich auf überhaupt 9000 Stück. Verkauft wurden in diesem Jahre 804 Pud Wolle, 850 Brakmütter, 39 Zuchtbökke und 800 Fetthammel, überhaupt für die Summe von 13.000 Rbl. Silb.
3) Rindviehzucht. Um diesen Zweig zu verbessern, wurden i.J. 1835 in der Umgegend von Moskau 2 Zuchtstiere und 10 Milchkühe komagorischer Rasse angekauft, wodurch der Viehstapel auf dem Vorwerk bedeutend empor gekommen ist; es giebt Milchkühe darunter, die bei einer guten Frühlingsweide täglich 20 und 25 Quart, ausnahmsweise auch bis 30 Quart Milch geben. Nicht nur schöne und stattliche Kühe geben aus dieser Rasse hervor, - sondern auch starke und kräftige Ochsen werden erzogen, die gegen den hier gewöhnlichen Viehschlag bei weitem den Vorzug verdienen. Eine gute Milchkuh dieser Rasse wird mit 30- 43 und Zuchtstier mit 50 und 100 Rbl. Silb. bezahlt. Der ganze Viehbestand ist gegenwärtig 3 Zuchtstiere, 39 Milchkühe, 79 Zugochsen und 57 Stück Jungvieh, überhaupt 178 Stück.
4) Pferdezucht. Diese wurde schon in den ersten Jahren der Gründung des Vorwerkes eingeführt. Durch öftere Ankäufe guter Zuchthengste persischer und arabischer Abstammung und Brakirung der Stuten wurde dieses Gestüt immer im besten Zustande erhalten. Jährlich werden 25 bis 30 Walachen entweder hier auf Ort und Stelle, oder auf dem Pferdemarkt in Nowomoskowsk, unweit der Stadt Jekatherinoslaw verkauft, größtentheils an die Remonte (?). Zuchthengste sind bisher nur wenige aus diesem Gestüt verkauft worden, und zwar einzig und allein aus dem Grunde, weil diese Thiere frei und ungezähmt auf den Steppen weiden, und deßhalb in solchem wilden Zustande nicht für die Ansiedler geeignet sind. Vom gegenwärtigen Besitzer des Vorwerkes ist jedoch bereits Veranstaltung getroffen, daß junge zum Verkauf bestimmte Hengste gezähmt werden. Das ganze Gestüt besteht aus 333 Stück. Verkauft wurden im letzten Jahre 25 Walachen und 21 Brakstuten für die Summe von 1.790 Rubel Silber.
5) Künstliche Überschwemmungen auf den Heuwiesen zu verursachen, und Wasserbehälter zu Viehtränken zu erzielen, sind 7 mehrentheils große Erddämme aufgeführt, die ihrer Bestimmung vollkommen entsprechen.
6) Garten- und Waldbau. Die ersten Baumanlagen wurden i. J. 1831 angelegt, 5 ½ Dessätin Obstgarten und 6 Dessätin Wald, gegenwärtig aber enthält letzterer 29 ½ Dessätin, welche Waldungen dem Vorwerke nicht allein schon viel Brennholz, sondern auch bereits Nutzholz zu Stellmacher - und Tischlerarbeiten liefern. Obgleich zu diesen Anlagen bedeutende Summen verwendet werden mußten, so sind diese Auslagen doch schon durch die Einkünfte für verkaufte junge Bäume und Obst gedeckt worden. Nicht nur die Ansiedler, sondern auch viele Gutsbesitzer haben die nöthigen Bäume zu ihren Gärten und Waldanlagen aus den hiesigen Baumschulen bezogen. Der höchste Ertrag in einem Jahre war für Bäume 1.340 Rbl. und für Obst 579 Rbl. Silb. Gegenwärtig bestehen blos in Linien(?) und Samenschulen, welche zu verpflanzen sind, überhaupt 171.700 Stück.
7) Bienenzucht. Seit einem Jahre ist darauf Bedacht genommen diesen für die Wirtschaft so nützlichen Zweig auf eine verbesserte Weise einzuführen.
8) Tabaksbau. Dieser nützlich werdende Zweig wurde schon i. J. 1842 eingeführt und es werden gegenwärtig verschiedene Sorten ausländischen Tabaks von ziemlicher Güte jährlich gewonnen. Es ist eigens hierzu ein Stück Land von 2/3 Dessätin Flächeninhalt bestimmt, welches bei einer guten Tabaksernte an 100 Pud Tabak liefern kann; 1851 sind jedoch nur etwa 40 Pud geerntet, weil ein Hagelschlag diese Plantage stark beschädigte. Um den Tabaksbau in hiesiger Gegend mehr zu fördern, und den Pflanzern einen guten Absatz ihres gewonnenen Tabaks zu sichern, ist auf die Bitte des gegenwärtigen Besitzers von höherer Behörde die Erlaubnis ertheilt worden auf dem Vorwerk Juschanlee eine Tabakfabrik zu begründen, welche mit dem Anfange des nächsten Jahres 1852 eröffnet werden soll.
9) Seidenbau. Wegen anderweitiger Einrichtungen und Mangel an eigens dazu bestimmten Maulbeerbäumen, ist dieser Zweig früher unbedeutend betrieben worden; i. J. 1848 aber wurden 2 Dess. Land mit Maulbeerbäumen zu diesem Zwecke bepflanzt und seitdem dieser Sache besondere Aufmerksamkeit gewidmet, und soll hier Seidenbau im größern Umfange bestellt werden.
10) Hauswirtschaft. Es werden hier Käse von vortrefflicher Güte bereitet und verkauft; obgleich jährlich 30 bis 40 Pud verfestigt werden, so können doch die die Nachfragen von nah und fern, bei weitem nicht befriedigt werden. Butter wird nur unbedeutend käuflich abgesetzt, da dieselbe größtentheils in der umfangreichen Wirtschaft verbraucht wird.
11) Fabrikanstalten bestehen außer der Tabakfabrik 3: 1) eine Ziegelei mit Kachelbrennerei, 2) eine Dachpfannenbrennerei und 3) eine Kachelfabrik. In der erstern werden nur Ziegel und Kalk zu eigenen Bauten auf dem Vowerke gebrannt; in der zweiten aber sowohl zum eigenen Bedarf als auch zum Verkaufe Dachpfannen von vorzüglicher Güte verfestigt und in der letztern werden Kacheln für den Verkauf fabriziert, die in jeder Hinsicht den charkowschen nicht nachstehen.
12) Lehranstalten. Erst i. J. 1850 erheischte es die Nothwendigkeit für die Bewohner des Vorwerks eine förmliche Schule außer der für die Kronslehrlinge einzurichten, in welcher deutsch und russisch Unterricht ertheilt wird. Gegenwärtig besuchen 10 Schüler diese Schule.
Im Jahre 1840 wurden auf Verfügung höheren Behörde, zur Erlernung der Landwirtschaft und der Gartenbaues, russische und tatarische Lehrburschen aus den Kronsdörfern hier angenommen, wovon bis jetzt 12 Russen und 4 Nogaier nach beendigter Lehrzeit entlassen worden und als Musterwirte und Gärtner auf ihren Ansiedlungsörtern angesiedelt und angestellt worden sind. Gegenwärtig sind 4 Russen, die ihre Lehrzeit noch nicht überstanden haben.
13) Bauten. Von den alten Gebäuden, die bei Gründung des Vorwerkes erbaut wurden, sind keine mehr vorhanden, sondern sie sind durch bessere neue ersetzt, und größtentheils mit Pfannen gedeckt. Gegenwärtig bestehen von gebrannten Ziegeln: 5 Wohnhäuser, 1 Bakhaus, 1 Wollmagazin, 3 Viehställe, 3 Schafställe, 1 Schmiede, 1 Haus zur Kachelfabrik nebst den den andern Bauten für die Ziegel und Dachpfannenbrennereien; von der abgetheilt 1 Obstdarre (?) und 4 Aschbuden; von Fachwerk: 1 Viestall, 1 Speicher, 1 Schweinstall, 1 Scheibentrittmühle, 1 Scheune und 1 Brunnenhaus. Eine Wirtschaft in so großem Umfange erfordert auch bedeutende Arbeitskräfte, - nämlich:
14) Die Verwaltung des Vorwerks Juschanlee wird von einem Verwalter und Kassierer versehen, das übrige Dienstpersonal besteht aus einer besondern Wirtschafterin, 4 Dienstmädchen, 1 Schullehrer, 1 Tischler, 1 Müller und 1 Gärtner, welche alle Deutsche sind; ferner sind Russen: 1 Oberschäfer, 20 Schäferknechte, 1 Familie in der Arbeiterküche, 1 Stallknecht, 4 Viehhirten, 1 Pferdehirt, 1 Müllerknecht und 2 Familien auf den Abtheilungsschäfereien; Tataren sind: 1 Pferdehirt und 1 Steppreiter. Alle diese Personen beziehen Jahresgehalte. Zur Verrichtung der Feld- und anderer Arbeiten, werden Tagelöhner verwendet, welche im laufenden Jahre zusammen 20.158 Tage gearbeitet haben.
Hieraus ist ersichtlich, daß das Vorwerk Juschanlee einestheils eine Musterwirtschaft für die ganze Umgegend ist, und zum andern deutliche Beweise liefert, wie das Schöne mit dem Nützlichen auch in den Steppen ohne Nachtheil verbunden werden kann.
Die Vereinsmitglieder: David Cornies
Johann Töws
Kol. Ohrloff, den 22. Dezember 1851“
Alexander Petzholdt berichtet im Jahr 1855 über das Gut „Juschanlee“ folgendes:
"Es befinden sich 270 Dessjatinen Landes unter dem Pfluge; alle Arbeiten werden durch Tagelöhner verrichtet; das Arbeitsvieh besteht grösstenteils aus Ochsen. In jeder Beziehung ausgezeichnet ist das Vieh zu Juschanlee, und wenn das Gut mit Recht ganz im Allgemeinen den Namen eines „Mustergutes" führt, so verdient es denselben insbesondere wegen seiner Viehzucht.
Die Schafe, über 8000 Stück, sind Merinos und es ward seit 1825 ein besonderes Augenmerk auf diesen Zweig der Wirthschaft gerichtet, indem man in diesem Jahre Zuchtböcke aus den Kaiserlichen Schäfereien bei St. Petersburg, später (im Jahre 1827) Böcke und Mutterschafe aus Sachsen einführte. Verkauft wurden im Jahre 1851 nicht weniger als 804 Pud Wolle, 850 Brakmütter, 39 Zuchtböcke und 800 Fetthammel.
Die Rinder sind holländischer Abstammung, zu einem Bestände von circa 200 Stück und es werden aus dieser Heerde nicht nur schöne und stattliche Milchkühe, sondern auch starke und kräftige Ochsen erzogen. Eine gute Milchkuh dieser Race, welche bei einer guten Frühlingsweide täglich 20—25 Quart, ausnahmsweise auch bis 30 Quart Milch giebt, wird mit 30 —43, und ein Zuchtstier, mit 50—100 R. S. bezahlt. Es werden, wie man leicht denken kann, ansehnliche Mengen Milch gewonnen, die man vorzugsweise zu fettem Käse für den Handel verarbeitet, woraus abermals dem Besitzer des Gutes grosser Gewinn zufliesst. Obgleich jährlich bis zu 40 Pud Käse abgesetzt werden, so können doch die Anfragen von nah und fern bei weitem nicht befriedigt werden, wie denn ich und meine Reisegefährten die Vortrefflichkeit und Haltbarkeit der hier gefertigten Käse aus eigener Erfahrung bescheinigen können, da wir einen solchen von Wiebe als Viaticum erhielten, dessen Wohlgeschmack uns fünf Wochen lang auf der Fortsetzung der Reise bis Moskau, wo der Rest in dankbarer Erinnerung an das schöne Juschanlee verzehrt ward, erfreute.
Ebenso ausgezeichnet sind die Schweine, denen englisches Blut innewohnt. Ich sah hier den Stammvater, einen mächtigen, breitrückigen und kurzhaarigen Eber, welcher, nachdem er im Jahre 1851 die Weltaustellung zu London geziert, die Reise hierher in den fernen Süden von Russland unternommen hatte, um Nachkommen zu schaffen, welche hoffentlich sein ruhmwürdiges Andenken von Generation zu Generation forterhalten werden. Am interessantesten war mir jedoch das Gestüt zu Juschanlee nicht allein, weil in der That die Pferde dieses Gestütes in seltener Weise ausgeglichen erscheinen (es sind durchgängig starke, mehr schwere Pferde, da man die Zucht von Arbeitspferden zur Hauptaufgabe dieses Gestütes gemacht hat), sondern auch weil mir hier zum erstenmal Gelegenheit geboten wurde das Leben eines Tabun (wie man die auf der Steppe gehaltenen Pferdeheerden nennt) specieller kennen zu lernen."
"Der Tabun zu Juschanlee wird durch öftere Ankäufe guter Zuchthengste persischer und arabischer Abstammung und Brakirung der Stuten immer im besten Zustande erhalten."
"Es verdient, um Misverständnisse zu vermeiden, noch bemerkt zu werden, dass auf dem 500 Dessjatinen betragenden Areal des Gutes Juschanlee so grosse Schafheerden und Pferdeheerden nicht erhalten werden können, vielmehr hat der Besitzer des Gutes zwei noch unbesetzte Kronsländereien, jede von einigen Tausend Dessjatinen gepachtet, weidet dort seine Schaf- und Pferdeheerden und gewinnt darauf das zur Winterfütterung für diese Heerden nöthige Heu."
"hier in Juschanlee befinden sich zwei Lehranstalten, nämlich eine im Jahre 1850 errichtete Schule für die Bewohner des Gutes, in welcher deutscher und russischer Unterricht ertheilt wird, und eine im Jahre 1840 auf Verfügung höherer Behörde begründete Anstalt, um russische und tatarische Lehrburschen aus den Kronsdörfern in der Landwirtschaft und im Gartenbau zu unterrichten, von welcher letztern Anstalt bereits in dem früher Mitgetheilten gesprochen worden ist. Und um endlich und zuletzt wenigstens einigermassen einen Begriff von der Grösse dieses Gutes und der auf ihm betriebenen verschiedenen Zweige der Landwirtschaft und Viehzucht zu geben, schliesse ich mit der Aufzählung der verwendeten menschlichen Arbeitskräfte. Ausser einem Verwalter und Kassirer besteht aber das übrige Dienstpersonal aus einer Wirthschafterin, vier Dienstmädchen, einem Schullehrer, einem Tischler, einem Müller, einem Gärtner (sämmtlich Deutsche); ferner sind Russen: ein Oberschäfer, zwanzig Schäferknechte, eine Familie in der Arbeiterküche, ein Stallknecht, vier Viehhirten, ein Pferdehirt, ein Müllerknecht und zwei Familien in den Abtheilungsschäfereien; Tataren sind: ein Pferdehirt und ein Steppenreiter. Alle diese Personen beziehen Jahresgehalte. Zur Verrichtung der Feld- und anderer Arbeiten werden Tagelöhner verwendet, welche (im Jahre 1851) zusammen 20158 Tage gearbeitet haben." [405]
1879 ging das Gut „Juschanlee“ gegen den Willen und das Wissen der Cornies-Nachkommen in den Besitz der Reimer-Familie über. Wie konnte es passieren? Bis jetzt fand ich leider keinen Antwort. Die neuen Besitzer bauten die ganze Wirtschaft um: anstelle des Wohnhauses baute man ein kleines Schloss auf. Nur der Glockenturm in der Mitte des Hofes blieb als Zeuge einer Riesenarbeit stehen.
Im Jahr 1900 berichtete Bertenson: „Крупным выдающимся хозяйством является экономия Г. Г. Реймора, верстах в 12 от колонии Орлов, в Юшанле. Это имение когда-то принадлежало знаменитому Корнису, от которого приобретено г. Реймером. Здесь заслуживает между прочим внимание парк, засаженный свышо 50 лет тому назад. Теперь он представляет один из лучших парков юга России. Тут же заведен новый из хороших сортов виноградник. Все хозяйственные постройки сделаны удобно и роскошно; в коровниках цементированные кормушки. Владелец имения обращает большое вникание на улучшение местнаго молочного скота. Как говорят, молочный скот в менонитских колониях получил своо начало от остфрисландского, пригнанного в большом количестве менонитами в начале текущего столетия; затем, чистокровных остфрисландских быков стали скрещивать с местными коровами и в результате получилось то, что мы называем немецким колонистским скотом. Вообще, менонитский скот следует считать хорошим молочным скотом; коровы средней величины, хорошего сложения и дают в период наибольшей молочности до 2 вед. молока в сутки. Они здесь продаются от 30 до 100 руб., смотря по корове.“ [693 S. 99]
Meine Übersetzung:„Eine der größten hervorragenden Betriebe in der Landwirtschaft ist die Wirtschaft von H. H. Reimer, etwa 12 Werst von der Kolonie Ohrloff, in Juschanlee. Dieses Anwesen gehörte dem berühmten Cornies, von dem von Herrn Reimer erworben wurde. Hier verdient die Aufmerksamkeit, unter anderem, der Park, der vor über 50 Jahren bepflanzt wurde. Jetzt ist er einer der besten Parks Südrusslands. Hier vor Ort gibt es einen neuen Weinberg mit edlen Weinsorten. Alle landwirtschaftlichen Gebäude sind komfortabel und luxuriös; in den Scheunen sind zementierte Futterplätze. Der Besitzer des Anwesens legt großen Wert auf die Verbesserung des Milchviehs. Wie man sagt, das Milchvieh in den Mennonitenkolonien hat ihre Herkunft im Ostfriesland, welches zu Beginn dieses Jahrhunderts von den Mennoniten in großen Menge mitgebracht wurde; dann hat man angefangen die reinrassigen ostfriesischen Bullen
mit einheimischen Kühen zu kreuzen, als Folge bekamen wir das, was wir deutsches
Kolonistenvieh nennen. Im Allgemeinen müsste man das mennonitisches Vieh als gutes Milchvieh
betrachten ; Kühe mittlerer Größe, gut aufgebaut liefern in der Periode der
größten Milchleistung 2 Ved. (Eimer) Milch pro Tag. Sie werden hier von 30 bis 100 Rubel
verkauft, je nach Kuh.“
„Nach der Revolution 1917 wurde der Eigentümer vertrieben und das Anwesen nationalisiert.
In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts entstand an der Juschanlee die Sowjetwirtschaft „Mogutschij“, verdeutscht „Der Mächtige“. Ackerbau, Pferde- und Rinderzucht blieben erhalten. Die Obstgärten verloren ihren Wert, da sie vernachlässigt worden waren. Der Wald war 1928 noch in einem verhätnissmäßig gute Zustande. Solche Wälder hatten die Ansiedlungen nicht.“ [540 15. Oktober 1997]
2013 und 2016 habe ich diese Gegend besucht, einen sehr traurigen Anblick. In dem ehemaligen Wohnhaus befindet sich jetzt ein ambulanter Hospital und „Juschanlee“ gehört zum Kolchos "Kirowo". Alle Gebäude sind im sehr schlechtem Zustand. Ich könnte sie nur von außen anschauen. Nur im alten Reimers Wohnhaus durfte ich kurzen Blick in den Erdgeschoss werfen und den Rest von ehemaligen Fliesenboden bewundern.
Was uns aber wirklich noch von Johann Cornies geblieben ist, das sind die alte Eichen, die sich noch an die alte Zeiten erinnern, aber uns leider nichts erzählen können.
2004 wurde einen Denkmal, als Andenken an Johann Cornies, errichtet. Ich vermute, finanziert wurde dieses Objekt aus Kanada.
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