Nachrichten aus Asien in "Gemeindeblatt der Mennoniten" vom Mai 1884, Nr. 5, S. 39 und Juni1884, Nr. 6, S. 44 - 45
mit freundlicher Genehmigung des Mennonite Library and Archives Bethel College.
Hier geht es zum Digitalisat: "Gemeindeblatt der Mennoniten" im Internet.
Mai 1884, S. 39
Nachrichten von den Brüdern in Turkestan und in Chiwa.
(Eingesendet aus Süd – Rußland)
In Turkestan.
s. Notstände in Asien in "Christlicher Bundesbote" vom 15 April 1884, 1 Mai 1884 und 15 Mai 1884 - .
Juni 1884, Nr. 6, S. 44 – 45
Nachrichten von den Brüdern in Chiwa. (Auszüge aus den Briefen)
Außer dem in voriger Nummer mitgetheilten Schreiben aus Süd – Rußland erhielt der Herausgeber noch einige Briefe aus Chiwa und Turkestan selbst, die von der jammervollen Lage der dortigen Brüder ein trauriges Bild geben, aus denen wir Folgendes mittheilen:
„Wenn ich heute nun fortfahre, meine Berichte zu schreiben, vielleicht meinen letzten, so kann ich diesmal nur grau in grau malen, denn trübe ist meine Stimmung, ernsterer Natur sind die neuesten Vorgänge bei uns, über die ich zu schreiben beabsichtige.
Zum bessern Verständniß wiederhole ich hier früher schon mitgetheiltes. Nicht unser ganzes Gemeindlein zog im Verlauf des vergangenes Jahres auf die Anhöhe oder, wie wirs hier zu nennen pflegen, an den Berg; fünfzehn Familien zogen nur etwas weiter landeinwärts auf höher gelegene Plätze an demselben Leitungsgraben, bauten auf zwei Stellen, nicht weit von einander, zusammen und umgaben ihre Gebäude mit einer Lehmmauer; mit der zunehmenden Unsicherheit fing man hier auch an zu wachen. Da die hiesigen Bewohner dazu noch erfuhren, daß auf der einen dieser zwei Stellen auch Gewehre vorhanden waren, so hielten sich die Diebe hier mehr fern und ist bisher noch nichts gestohlen worden. Am Berge wohnte man wohl auch nahe beieinander, doch standen die Gebäude größtentheils frei, weil Zeit und und Mittel bei den wenigsten ausreichen, sie mit Zäunen oder Mauern zu umgeben. Dazu wurde, als die Gefahr zunahm, auch nur auf einem Hofe gewacht, der ebenfalls mit einer Mauer umgeben war. Hier nun am Berge raubten die Turkmenen nach und nach 45 Pferde und 24 – 30 Kühe, zuletzt in der frechsten Weise. Da sie nun weiteres Vieh nicht mehr gut bekommen konnten, fingen sie an in gleicher Weise in die Wohnungen zu brechen.“
u.s.w. Es werden nun die einzelnen Angriffe und Diebstähle beschrieben, die auch in einem andern Briefe mitgetheilt werden, aus dem wir Folgendes entnehmen:
„----Wie aufreibend und abspannend sind doch die beständigen Nachtwachen, deren wir uns jetzt unterziehen müssen, wie greift es bis in das innerste Mark, wenn man das Angstgeschrei überfallener Familien hören muß, ohne selbst helfend oder rettend eingreifen zu können. Am 23. Januar stellten sich die Räuber schon vor 11 Uhr ein und hielten uns bis nach 6 Uhr Morgens in Bewegung. Bei H. Jantzen wurde 1 Kuh, bei Becker beide Kühe gestohlen, bei Ed. Dyck das Thürgerüst zerhackt und aus dem Vorhause was sich lohnte mitgenommen, am schlimmsten ging es bei Witwe Töws her. Die Räuber, es waren 4 Mann, schlugen die Fenster ein und drangen in die Wohnung. Die Schwester Töws mit den Kindern, sowie die alte Frau Esau hatten kaum Zeit, aus den Betten in den Keller zu flüchten. Auf den Tisch machten die Räuber als Leuchte ein Feuer an und fingen dann an Kästen und Kisten aufzuschlagen, wobei sie alles Geld (80 Rubel), Wäsche und Kleider einpackten. Als endlich 10 – 12 Mann der unsern hinkamen und die Turkmenen davon ritten, waren die Kisten vollständig leer, das Haus voll Rauch, so daß es kaum Jemand darin aushalten konnte. Die Familie wurde zur Nachtzeit zu G. Esau, den nächsten Nachbar gebracht. “
Aehnliche Räubereien und Mißhandlungen werden noch viele berichtet. In einer andern Nacht griffen die Räuber die Wohnung eines Bruders Quiring an; als nun derselbe die Thür öffnete, um mit allen den Seinen hinauszugehen, wurden dieselben mit Säbelhieben verwundet. Bruder Quiring am Ohr. Ein anderer Bruder in den Kopf; derselbe erhielt eine Wunde von der linken Wange quer durch das Ohr, welches bis auf den Hirnschädel gespalten wurde. Schon etwa ½ Jahr vor diesen Ereignissen drangen die Turkmenen eines Nachts in die Hütte einer Familie. Die Frau hatte Zeit durch das Fenster zu entkommen, der Mann, Br. Abraham, wurde durch Säbelhiebe getödtet, die Sachen geraubt.
Nach diesen Vorgängen kamen einige Beamten und brachten 7 Mann Wache mit, aber diese fürchteten sich vor den Turkmenen.
Am Schluß obiger Berichte wird in einem der Briefe geschrieben: „Ihr seht, unsere Stellung hier ist unhaltbar, oder sollen wir unser Bekenntniß der Wehrlosigkeit daran geben? Was sollen wir thun? Auf russischem Boden können wir wohl eine Zeitlang geduldet werden, verfallen aber, wenn wir als Gemeinde hinkommen, dem vollem Wehrgesetz! Der Herr helfe uns Seinen Weg gehen, auf welche Art aber wir von hier fort sollen, ist uns dunkel. …...Die Mittel sind alle, Geld ist seit über 3 Jahre keines zugekommen, und haben 50 Familien mit Pferden von Baarem gelebt. Bis auf wenige Pferde ist den Geschwistern Alles, auch Wäsche und Kleider, gestohlen. Es ist also fast Alles alle geworden. …..Wenn Gott der Herr, des die Sache ist, jetzt nicht bald eingreift….dann…, aber es muß bald geschehen; doch Gottes Wille ist gut mit den Seinen, aber unser Unglaube hindert uns, Seine Liebe durch die Züchtigung hindurchblicken lassen…..Er hat auch Mittel und Wege, wo wir kurzsichtige Menschen nichts sehen; Er hat auch Wasser und Brod in der Wüste, für mehr als 50 Familien.“
In welch` fast verzweifelnder Lage sich die dortigen Brüder befinden, geht aus folgenden Schlußworten eines Briefes von dort hervor:
„Wird denn der Herr ewiglich verstoßen und keine Gnade mehr erzeigen? Ists denn ganz und gar aus mit seiner Güte? u.s.w. (Psalm 73). Fast scheint es so; denn viel Gebet und Geschrei ist in diesen Tagen zum himmlischen Herrscher emporgesandt worden und scheinbar ohne Erfolg. Doch möchte ich mit den folgenden Worten des Psalmisten schließen: „Aber doch sprach ich: Ich muß das leiden, die Hand des Höchsten kann alles ändern.“ Uns alle dringend Ihrer Fürbitte empfehlend….“
Ein Theil der dortigen Familien will nun nach Amerika aufbrechen, da sie aber von allen Mitteln entblößt sind, so haben sie die Brüder in Amerika um Unterstützung gebeten, welche nun auch bereit sind, ihnen zu dem nöthigen Reisegeld zu verhelfen.
Von Cl. Epp, der mit einem Theil der dortigen Familien in Chiwa bleiben will, wird folgendes geschrieben:
„Claaß Epp stellt sich als besonderer Zeuge vom Herrn bestimmt hin, will gar keine andere Meinung oder Einwendung vertragen. So kommt es auch jetzt noch bei dem Theil in Chiwa eben wegen dem ängstlichen Festhalten an Epp`s Aussprüchen zu weiteren inneren Zerwürfnissen; obwohl, ich möchte sagen alle Aufstellungen Epp`s als eigenes Machtwerk erwiesen, sich nicht bestätigt haben, so sind dennoch eine Anzahl Glieder, welche sein Wort unbedingt gelten lassen, trotz besserer Einsicht erfahrener Prediger und Gemeindeglieder.“