Ein Auszug aus einem Brief von Wiebe (aus Rußland) und weitere Nachrichten aus Chiwa in "Gemeindeblatt der Mennoniten" vom Februar1883, Nr. 2, S. 12 – 14.

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

mit freundlicher Genehmigung des Mennonite Library and Archives Bethel College.
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(Eingesendet aus Preussen für`s Gemeindeblatt)

Auszug aus einem Brief von Wiebe in Rußland.

Die Reisenden im Osten sind, die Meisten davon, noch immer nicht am Ziele.*) Einige, darunter Hermann Epp, haben sich bei Aulie – Ata niedergelassen, bauen sich in drei Dörfern an, zwei von Molotschnaern, eins von den Unsern bewohnt, welchem letztern sie den Namen Köppenthal gegeben haben. Sie bitten jetzt um die Rechte, welche ihnen in der alten Heimath geboten wurden. Sie hatten dort eine sehr spärliche Ernte und die Frage: wovon sollen wir leben? Tritt bei Vielen wohl schon sehr in den Vordergrund. Das Holz zum Bauen können sie sich aus dem Gebierge selbst fällen, wofür sie eine gewisse Zahl Bäume anpflanzen sollen.

Das Holzholen ist aber mit viel Schwierigkeiten verbunden, denn der Weg dorthin ist von einem reißenden Bergstrom, den sie vielmal durchfahren müssen, durchschnitten, und wobei sie schon einige Pferde, ja bald Menschenleben, geopfert haben. So bauen sie meistens aus Lehm und brauchen so wenig Holz als möglich. Mit dem Ackerbau geht es dort nur sehr schlecht, und werden sie wohl mehr Viehzucht treiben müssen. Die anderen der Wanderer, darunter auch Joh. Janzen, gehen jetzt nach Chiwa, da sie, wie sie glauben, mit keiner Obrigkeit in Verbindung treten dürfen. Dort in Chiwa haben sie sich aufnehmen lassen, dürfen auch keinen Dienst leisten, außer: daß nach 4 Jahren jeder arbeitsfähige Mensch dem Fürsten 12 Tage jährlich arbeiten muß, und die Abgaben sind: der zwangzigste Theil des Ertrages. Dieses ist dort Landesgesetz, welchem sie sich unterworfen haben. Sollte dies besser sein, als wenn die Jünglinge 4 Jahre Bäume pflanzen? Es sieht wie Frohndienst und Sklaverei. Auch die dritte Partie, 10 Familien, worunter auch B. Janzen, welche sich auf dem Bucharischen Grenzlande festgesetzt hatten, von dem sie glaubten, daß es ihnen von Gott gegeben und versiegelt sei, und es nicht, wie sie selbst hergeschrieben, räumen würden, wenn es gleich Blut kosten sollte, haben sich, nachdem sie zum zweitenmale vertrieben worden sind, diesem Zuge nach Chiwa angeschlossen. Diese 10 Familien haben über vier Monate in den Bucharischen Bergen in Zelten gewohnt und der Zukunft des Herrn geharrt. Bei weitem das Traurigste ist aber, daß sie zu keinem Frieden unter einander kommen können; fast Jeder hat seine eigenen Glaubensansichten und richtet über seinen anders denkenden Bruder aufs Schrecklichste.**) Frau Cornel. Wall schreibt: Die 10 Familien wollen von Claas Epps`Person nichts mehr wissen, obgleich sie seine früheren Lehren genau befolgen. Epps dagegen erklärt sie dem Gerichte verlassen. (Danach zu urtheilen, sind Epps`frühere Lehren von den jetzigen wohl noch verschieden, weil er Anhänger der früheren Lehren zu richten und zu strafen für nöthig hält. Anmerk. Des Schreibers.) In einem Brief berichtet Schwager Joh. Janzen, daß sie in Serabulak angekommen, und mit den Geschwister Bernh. Janzen vereint die Reise nach Chiwa angetreten hätten. Da sie aber durch eine Wüste müßten, welche nicht mit Wagen zu passiren sei, so wurden die Wagen auseinander genommen, und mit ihrem Inhalt auf Kameele geladen, und so die Reise reitend fortgesetzt. Für Frauen und Kinder sind Bettstellen 4’8“ lang und 1’6“ breit, von weidenen Knitteln gemacht. Diese werden sie zwei mit den Langseiten zusammengebunden, los über den Kameelsattel gelegt, worin sie sitzen müssen. Joh. Janzen schreibt: Daß er in dem einen Bettstall die Ziege und das Essen, in dem andern seine Frau und die drei Kinder (das jüngste ist schon gestorben) geladen hatte. Natürlich müssen beide Seiten gleich schwer geladen sein. Er hatte ein großes Kameel, also daß sein Fuchs, welchen er ritt, mit ausgerecktem Kopfe unter dem Bettstall durchgehen konnte. Schwägerin B. Janzen schreibt den letzten Brief von Petro – Alexandrowsk, daß sie die Kameelsreise mit Gottes Hilfe beendet, und jetzt schon zwei Tage auf Kujuks (Kähnen), also zu Wasser fahren. Sie schreibt: Daß die Kameelsreise doch noch das Schwerste in den zwei Jahren gewesen ist. Es waren einige wilde Kameele, welche beim Aufsteigen noch sprangen (die Kameele werden immer liegend beladen) und viele schwache, welche beim Auf- und Absteigen der Berge sich oft hinlegten. Und dieses brachte viel Furcht und Angst in manches ängstliche gemüth. Man denke sich nur den Zug von über 400 Kameele, die Männer zu Pferde, einer hinter dem andern. Nichts zu sehen, wie Himmel und Sandberge, wie Schneedünen vom Winde geformt. Nichts zu hören, als den langen schlürfenden Tritt der Kameele, und ab und zu das „Goppel goppel hee“ der Führer, dabei über steile Sandberge und an schwindelnde Abgründe, wo nur ein fußbreiter Kameelssteig führte; also daß die Bettstellen hoch über dem Abgrunde schwebten. Nur ein Fehltritt, und das Kameel wäre mit seiner Last in die Tiefe gestürzt. Die Kähne sind, wie sie schreibt, 140’lang (ich glaube es muß ein Floß sein), und auch hier muß die Bequemlichkeit ganz bei Seite gesetzt werden. Von Petro – Alexandrowsk haben sie noch 160 Werst bis zu ihrem Landungsplatz und werden ihn mit Gottes Hilfe wohl schon erreicht haben, wo sie sich selbst Simlinken (Semljanken – Erdhütten – E.K.) bauen und zum Winter einrichten wollen, da es dort auch schon recht kalt wird.

*) Siehe den nachfolgenden Brief.

**) Nach den folgenden und andern Briefen scheint mir obige Schilderung mit etwas zu grellen Farben aufgetragen zu sein. Anmerk. Des Herausgebers.

Korrespondenz aus Chiwa.

Petro – Alexandrowsk, den 3. Oktober 1882

s. dazu - Korrespondenz von E. Riesen aus Chiwa (entnommen aus dem „Gemeindeblatt“) in der "Mennonitische Rundschau" Nr. 16 vom 18. April 1883.