vom 7 Juni 1880, Nr. 11, S. 6 und 21 Juni 1880, Nr. 12, S. 5
7 Juni 1880, Nr. 11, S. 6
Rußland.
Von der Wolga schreibt Jemand an seinen Freund in Amerika bezüglich der Auswanderung nach Turkestan, wovon schon in voriger Nummer dieses Blattes Einiges berichtet worden, wie folgt: „In sozialer Beziehung hat sich seit eurer Abreise hier so Manches verändert. Es hat sich eine Partei gebildet, welche auf Grund der Prophezeiungen des prophetischen Sehers Claass Epp eine Bewegung in Szene gesetzt, mit welcher sich die Polizei zu beschäftigen beginnt. Sie verwerfen jede Vergünstigung, welche die Regierung den Mennoniten in Betreff des obligatorischen Staatsdienste angeboten. Durch verschiedene Deputationen nach Petersburg in Gemeinschaft einiger Mennoniten von der Molotschna, an deren Spitze Peters steht, haben sie versucht, die Erlaubniß zu erlangen, nach dem turkestanischen Gebiet, in der Gegend von Taschkent, überzusiedeln, weil dort bis jetzt die Wehrpflicht noch nicht eingeführt ist. Am 18. Dezember d. J. schickte diese Partei den jungen Jacob Hamm von Köppenthal und einen Wiebe von der Molotschna nach Taschkent, um mit Hilfe oder durch den Einfluß der dortigen General Gouverneurs Aufnahme zu erlangen. Diese Beiden nahmen 800 Rubel Reisegeld mit, aber schon im Februar telegraphirte Wiebe nach der Molotschna, ihnen sofort 300 Rubel nachzuschicken, indem es ihnen an Geld mangele. Seitdem ist von ihnen keine Nachricht mehr gekommen. In Hamms Familie herrscht schon große Besorgniß um die Sicherheit der Deputierten. Kürzlich war ein vom Gouverneur geschickter höherer Beamter im Kreisamte und machte dieser Partei bekannt, daß in Folge eines Telegramms des turkestanischen General Gouverneurs von Kauffmann wegen Uebersiedlung mehrerer Mennonitenfamilien in jene Gegend an den Minister des Innern, der Minister ihm zu wissen gab, daß er die Uebersiedlung nicht gänzlich verbiete, weil es jedem Unterthan erlaubt sei, aus einem Gouvernement in ein anderes zu ziehen, daß ihnen aber keinerlei Konzessionnen zugestanden würden und die Jugend über 15 Jahre nicht entlassen werden dürfte. (Späteren Nachrichten zufolge, die mir bereits in der vorigen Nummer des „Zur Heimath“ brachten, ist auch den Jünglingen von 15 – 21 Jahren die Uebersiedlung gestattet, jedoch sind sie auch dort dienstpflichtig. Die Red.) Außerdem wurde ihnen auf`s strengste verboten, für diese Sache Propaganda zu machen. Welche Beschlüsse in Folge dieser Bekanntmachung gefaßt werden, ist noch nicht bekannt. Man spricht, daß zwei Familien aus Köppenthal nach Amerika auswandern wollen. Claass Epp seine Prophezeiungen sind nicht eingetroffen, er hat die Pocken bekommen.“
21 Juni 1880, Nr. 12, S. 5
Die Deputierten aus Turkestan sind noch nicht zurückgekehrt.