Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1913. D. Epp. 1914. Halbstadt
Artikel: Ein Sonntag von Anno 1840 auf der Insel Chortitza. Nach K. Hildebrandt senior.
 
   
 
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Ein Sonntag von Anno 1840 auf der Insel Chortitza.

Nach K. Hildebrandt senior.

Ein herrlicher Maientag ist angebrochen. Die Natur badet sich im Sonnenglanze des jungen Lenzes. Die Berge und die Taeler der Insel prangen im satten, glaenzenden Gruen des aufgefrischten Daseins. Lebensfrohe Lerchen rufen's in langen Trillern in die Welt hinein: "Neu erstanden ist das Leben, neu erblueht der Erde Schmuck! Erwache auch du, o Menschenkind, von deinem unbegreiflichen Schlaf der Gleichgueltigkeit gegen all das Schoene und Herrliche, das sich dir taeglich wieder in der goettlichen Schoepfung offenbart!"
Wie ein frisch abpolierter Riesenspiegel glaenzt die glatte Oberflaeche des breiten Dnjeprstromes, von der aufgehenden Sonne wunderbar beschienen. Hie und da huepft ein munteres Fischlein in jugendlichem Uebermut aus der schwarzen Tiefe empor, die tadellose Glaette des Wassers durch eine Reihe immer groesser werdender Ringe stoerend. Eine einsame Moewe streicht drueber weg und badet von Zeit zu Zeit ihre heisse Brust in der kuehlen Flut.
Aus den Schornsteinen der Haeuser des kleinen Inseldorfes, die sich in einer, stellenweise von Uferfelsen unterbrochenen Strassenzeile laengs dem Berge und fast unmittelbar am Flusse dahin ziehen, steigt feiner, blauer Rauch kerzengerade in die voellig windstille Luft, beinahe feierlich, wie gewuerzter Opferrauch von ebenso vielen Hausaltaeren.
Kein Wagen faehrt auf der Strasse, kein Arbeiten, kein Laerm stoert die weihevolle Stille: 's ist Sonntag, und Sonntagsruhe, Sonntagsfrieden huellen Natur und Kreatur ein und huellen wenigstens fuer Stunden auch des Menschen unruhige Brust.

 

         
 
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Zuletzt geaendert am 1 Juni 2008.