Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1905. H. Dirks. 1906. Halbstadt
Artikel: Nekrolog des verstorbenen Aeltesten der Kronsweider Gemeinde J. Wiebe. Von I. Klassen.
 
   
 
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alten "Lehrer Wiebe," wie er allgemein genannt wurde, den uns unser Vater im Himmel nun zum Fuehrer und Leiter der Gemeinde ' bestimmt. Wer ihn horte, musste ihn lieb gewinnen, denn er hatte eine schoene volle Stimme, und Liebe atmete uns aus seinen Predigten entgegen. Man hoffte damals auf viele Jahre, auf Jahrzehnte mit einem Aeltesten versorgt zu sein; aber der Mensch denkt, und Gott lenkt.-Kaum zwei Jahre spaeter fing er an zu kraenkeln. Eine tueckische Krankheit hatte sich in seinen Korper gesetzt, und es ging mit ihm dem Grabe zu.
Wenige Monate vor seinem Tode im September 1906 machte ich mit ihm zusammen eine Reise nach Kronsgarten und Wiesenfeld, wo er das Abendmahl auszuteilen hatte. Die Reise ging Verhaeltniss-maessig gut vor sich. Wir haben uns vieles erzaehlt, und ich danke meinem Vater im Himmel heute noch, dass ich diese Reise mit ihm machen durfte.
Als er auf Kronsgarten den Schluss zum Abendmahl machte, sprach er darueber, was es fuer uns fuer ein Trost sei, zu wissen, dass auch Jesus sich hier im Leben oft muede gefuehlt habe (Joh. 4, 6), und wir ja in unserer Muedigkeit in ihm einen Hohenpriester haetten, der Mitleid mit unserer Schwachheit habe und uns aufhaelfe; auch wir seien muede geworden vom Leben, muede von der Reise haetten wir uns niedergelassen am Rande des Jakobsbrunnens, um Wasser zu schoepfen, um uns an seinem Tische zu erquicken und zu staerken, eingedenk seiner Einladung Matth. 11, 28.
Von Kronsgarten fuhren wir nach Wiesenfeld. Seine dortige Schlussrede wird niemand vergessen, der sie gehoert. Etwas Ergreifenderes habe ich nie erlebt. Der liebe Verstorbene hatte seiner Rede das Motto gesetzt "des Apostels Abschied von der Gemeine zu Ephesus" (Ap. Kap. 20). Er sprach davon, wie ihn gegraut habe vor dieser Reise, da er sich so krank und schwach fuehle, und sich gefuerchtet habe, er werde seines Amtes nicht mehr warten koennen, aber Gott sei Dank: es habe wider Erwarten gut gegangen. Trotzdem fuehle er aber dennoch, zum letzten Mal sei er hier gewesen, "und nun siehe, ich weiss, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet..." (Av. 20, 25)- eine innere Stimme sage ihm dies. Mit tiefbewegter Stimme sprach er: "Ich habe dich lieb gehabt du Wiesenfelder-Gemeine; ich habe mich immer so wohl gefuehlt in deiner Mitte, und wenn ich heute von dir

         
 
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Zuletzt geaendert am 25 Mai 2008.