Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung

 

Buch: Mennonitisches Jahrbuch 1903. H. Dirks. 1904. Halbstadt
Artikel: Die Mennoniten in Russland. Von Aeltesten Heinrich Dirks.
 
   
 
Seite 6
 
         
 

6

Land zu erwerben, teils mit erspartem, teils mit aus den Landesbanken entlehntem Gelde Grundbesitz erworben haben. In mehr als fuenf (Gouvernements des europaeischen Russlands trifft man nicht wenige an, die im Besitze von Hunderten Dessaetinen sind. Sogar Gueter, welche aus einem oder mehreren Tausenden von Dessaetinen bestehen, trifft man nicht selten an. Selbst im asiatischen Russland entstehen in juengster Zeit kleinere und groessere Mennonitenansiedlungen. Wo in aller Welt sind die Mennoniten so gut situiert wie in Russland? Annaehernd vielleicht in den Vereinigten Staaten Nordamerikas oder in Canada, wo aber wegen Mangel an Arbeitern das Wirtschaften viel schwerer als bei uns ist.
Wie war nun eine solche Ausbreitung der Mennoniten in Russland moeglich? Was gab den zwei ersten Niederlassungen die Kraft, Baeumen gleich starke Aeste zu treiben, die sich wiederum verzweigen? Nebst dem Fleisse und der Genuegsamkeit, die man als allgemeine Tugenden der Mennoniten bezeichnen kann, bat der Umstand die gedeihliche Entwicklung des Mennonitenvoelkleins ermoeglicht, das; die Gesamtheit fuer die Zukunft der Landlosen und Armen sorgte. Die Molotschnakolonie erhielt obrigkeitliche Erlaubnis, die letzten 11000 Dessaetinen des ihnen angewiesenen Landes nicht zu besiedeln, sondern zu verpachten, um so eine Moeglichkeit zu haben, von dessen Ertragen anderweitig fuer Arme Land zu kaufen. Ungeachtet des Protestes von solchen Landlosen, welche auch die letzten 11000 Dessaetinen verteilt haben wollten und hoeheren Orts darum einkamen, wurde an dieser segenbringenden Einrichtung von unserer weisen Obrigkeit nichts geaendert. Diese Quelle zur Ansammlung von Geld zu weiterem Landerwerb ist der sogenannte Pachtartikel, Was die Alte Kolonie betrifft, so ist sie im Besitze eines gemeinschaftlichen Kapitals, das sich aus den Einnahmen eines Schaefereilandes - 2295,5 Dess. - bildet und die Bestimmung hat, fuer die Armen eine Moeglichkeit zu schaffen, auf einen gruenen Zweig zu gelangen. So ist fuer die Arme" unter den Mennoniten und ueberhaupt fuer die Nachkommenschaft schoen vorgesorgt, und ein dauernd hilfloses Proletariat kann kaum entstehen, Wohl gibt es trotzdem unter den Landlosen Arme; aber sie sind's nur so lange, bis sie Gelegenheit haben, ans einem von der Mutterkolonie gekauften und durchs Los ihnen zugefallenen Landstuecke anzusiedeln (d. h. wenn sie nicht selbst an ihrer Armut schuld haben, weil sie faul und liederlich sind). Zwar haben sie

 

         
 
Seite 6
 

 

 


Zuletzt geaendert am 25 Mai 2008.