Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung



Gemeindebericht 1848, das Molotschnaer Mennonitengebiet

 

Gemeindebericht 1848, Mennonitenkolonien.

11. Schoensee

Im Fruehling 1805 unter dem Oberschulzen Klaas Wiens gegruendet, wurde die Kolonie erst drei Monate spaeter nach der ersten Heuernte abgepfluegt und deren Wirtschaften durchs Los verteilt. Wegen der spaeten Ankunft wurde in diesem Jahr noch nicht ausgesaet. Die Wohnungen zum Winter wurden provisorisch teils in, teils ueber der Erde gemacht, zum regelmaessigen Haeuserbau fuer den kuenftigen Fruehling aber das von der hohen Krone verliehene Holz herbeigeschafft. Die Ansiedlung lag bis zum Jahre 1812 am linken Ufer des Flusses Tokmak zwischen den Kolonien Ladekopp und Petershagen; da aber der Dorfsplan weder abgemessen noch abgepfluegt worden war, kamen die drei Doerfer zu nahe aneinander, so dass es hernach fuer vorteilhafter eingesehen wurde, wenn Schoensee an einen gelegeneren Ort umgesiedelt wuerde. Dieser Ort liegt 10 Werst oberhalb des Kronsdorfes Tokmak am Flusse gleichen Namens. Der Plan dieser umgesiedelten Kolonie besteht aus einem laenglichen Viereck und grenzt auf zwei Seiten an die Laendereien, welche die hohe Krone dem Einsassen der Kolonie Halbstadt Johann Klassen zur Anlegung einer Tuchfabrik verliehen hat, im Norden an den Fluss Tokmak und im Osten an die Laendereien der Kolonie Liebenau.
Der Boden ist ziemlich milde, aber mit wenig schwarzer Erde bedeckt nur fuer den Graswuchs nicht sehr geeignet. Der Plan ist bequem fuer das Austreiben des Viehes eingerichtet, welches zur Traenke an den Fluss Tokmak gefuehrt wird. Die in der Naehe der Kolonie befindlichen Berge, welche als Viehweide benutzt werden, verursachen, dass das Ackerland etwas weit von der Kolonie entfernt ist. Das Land ist bei guter Vorbereitung sowohl fuer den Ackerbau als auch fuer Baumanlagen von mittelmaessiger Fruchtbarkeit.
Bei einer vom Gebietsamte veranstalteten Zusammenkunft der ersten Ansiedler in der Kolonie Altona behufs Beratung ueber die Einteilung und Benennung der Kolonien schlug Jakob Regier, eingedenk seines Geburtsortes Schoensee in Westpreussen vor, die Kolonie ebenso zu nennen, was allgemein befuerwortet wurde. Die ersten Ansiedler waren 19 Familien (1855: 20 Wirtschaften, 42 Anwohnerfamilien insgesamt 154 Maenner, 153 Frauen, vgl. 1857: 20 Wirtschaften 123 Maenner auf 1300 Desj. und 23 landlose Familien 85 Maenner aus dem Bezirk Marienburg. Das ihnen bestimmte Land wurde von den Bewohnern Tokmaks zur Viehweide und zu einem ganz geringen Teil zum Ackerbau benutzt. Die Niederung war mit schoenem Grase bewachsen, dessen ueppiger Blumenflor den neuen Ankoemmlingen die Verheissung eines guten Fortkommens war. Ihr ganzes Vermoegen bestand mit Einschluss aller mitgebrachten Gegenstaende in etwa 5000 R. Banko; dazu erhielten sie von der hohen Krone mit Inbegriff des Bauholzes und der Nahrungsgelder einen Vorschuss von 8534 Rub. Banko.
Zu der Wohlfeilheit aller Landesprodukte kamen in den ersten Jahren die haeufigen Faelle von Pferdediebstahl, wodurch der Aufschwung der Kolonie sehr gehemmt wurde. Die Butter galt 7 Kop. das Pfund; anno 1808 10 Kop., spaeter stieg der Preis bis 20 Ko. Banko. 1809 bracht die Viehseuche aus und raffte gleich in der ersten Woche 92 Stueck dahin. Am 19. Juni 1811 zwischen 12 und 1 Uhr vernichtete ein Hagelschlag die ganze Ernte; im Herbst des gleichen Jahres raffte eine Seuche fast das ganze Jungvieh hinweg.
Im Jahre 1812 wurde die Kolonie umgesiedelt, wobei ihr von den anderen Kolonien Hilfe geleistet wurde. Doch siedelten sich auf dem neuen Plan nur 10 der alten Wirte an; die uebrigen hatten die Hoffnung auf ein besseres Fortkommen aufgegeben und ihre Wirtschaften anderen Einwanderern abgegeben.
Am neuen Ansiedlungsorte war sie im wesentlichen den gleichen hindernden und foerdernden Einfluessen ausgesetzt, wie die uebrigen Kolonien.
Nach einer spaerlichen Ernte und anhaltend schoenem Wetter brach am 24. Dezember 1824 ein verheerendes Sturmwetter mit Schneegestoeber aus, welches bis zu Ende Maerz 1825 anhielt. Da zwang der Futtermangel, die Daecher abzudecken, und doch fiel manches Stueck Vieh infoiges des Hungers. Die abgedeckten Haeuser waren bis zum Herbst allen schaedlichen Einfluessen der Witterung ausgesetzt. Auch spaeter haben orkanartige Ostwinde das Getreide von den Brachfeldern weggerissen.

Schoensee, den 1. Mai 1848.
Schulz Johann Gogen.
Beisitzer Gerhard Enns, Jakob Doerksen.
Jakob Wurms, Schullehrer.


Quelle: Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 178




Zuletzt geaendert am 1 Mai 2008