Diese Kolonie wurde im Jahre 1805 von bereits im Jahr
1804 eingewanderten Ansiedlern gegruendet. Den Winter hatten sie in den Chortitzer
Kolonien zugebracht, wo die Bemittelten einige Unbemittelten bei sich aufgenommen
hatten, wofuer diese jenen beim Haeuserbau halfen und wiederum hierin bei ihnen
Unterstuetzung fanden. So konnte im Fruehling 1805 mit Erfolg zur Anlegung der
Kolonie und zur Niederlassung geschritten werden.
Die Lage des Landes und das
Bestreben der Kolonisten, in der Naehe eines Gewaessers anzusiedeln, brachten
es mit sich, dass man die Kolonie am Auslaufe eines kleinen Steppenflusses in
den Tokmakfluss, 5 Werst vom Dorfe Tokmak entfernt, verlegte, wo sie an der einen
Seite eine kleine Niederung und an der andern Seite auf einer Unterlage von rotem
Ton ein fruchtbares, aus Schwarzerde bestehendes Steppenland besitzt. Die Steppe
eignet sich vorzueglich zum Getreidebau, waehrend die den wohltaetigen ueberschwemmungen
des schmelzenden Schnees ausgesetzte Niederung mit ihrer bedeutenden Schicht von
Dammerde dem Graswuchs sehr guenstig ist.
Auf den Wunsch des hiesigen Ansiedlers
Abraham Janzen, dem alle anderen beipflichteten, wurde der Kolonie zum Andenken
an einen Ort im frueheren Vaterlande, wo manche Ansiedler gewohnt hatte, der Name
Petershagen gegeben.
Die hiesigen Ansiedler waren groesstenteils junge Familien,
von welchen 12 bemittelt und 8 unbemittelt waren (1855: 20 Wirtschaften, 44 Anwohnerfamilien
- insgesamt 143 Maenner, 143 Frauen.) Sie waren bei Grodno im Jahr 1804 aus den
Bezirken Danzig, Elbing und Marienburg durch russisch Polen ueber die Grenze gekommen
und zur ueberwinterung in die Chortitzer Kolonien gewiesen worden. In moeglichst
kleinen Partien hatten die Einwanderer nach vorhergegangener Beratung die einsichtsvollsten
Maenner zu Fuehrern bestimmt. Unter den hiesigen Ansiedlern befand sich ein Mann
namens Johann Janzen, Bruder des erwaehnten Abraham Janzen, der als Fuehrer einer
Partie mit bedeutendem Vermoegen und einer zahlreichen Familie auch im Jahr 1804
eingewandert war. An ihn hatten sich ausser seinen drei verheirateten Soehnen
waehrend des in Chortitza zugebrachten Winters noch 16 Familien aus verschiedenen
Partien angeschlossen. Eine weise Massregel der russischen Regierung bei der Einwanderung
der Ansiedler hatte darin bestanden, dass jeder Partie nach ueberschreitung der
Grenze den des Landes und der Sprache unkundigen Leuten von Station zu Station
ein des Weges kundiger Soldat beigegeben wurde, welcher fuer Schutz und Sicherheit
und fuer moeglichst schnelle und billige Herbeischaffung der noetigen Lebensmittel
Sorge zu tragen hatte.
Der Anblick des von den Bewohnern des Kronsdorfes Tokmak
zur Viehweide benutzten, nur mit einigen duerren Graesern bedeckten Landes, wo
weder Haus, noch Baum, noch Strauch zu sehen war, mag auf die Ansiedler beim ersten
Betreten desselben im Fruehling 1805 einen traurigen Eindruck gemacht haben. Doch
man hatte keine Zeit, sich wehemuetigen Rueckerinnerungen an das soeben verlassene
Vaterland hinzugeben: die erste Ernte musste bestellt und das unentbehrliche Obdach
musste gebaut werden. Die acht unbemittelten Familien bekamen ausser den taeglichen
Zehrungsgeldern vom Betreten der Grenze bis zur ersten Ernte einen Kronvorschuss
von 4541 R. Banko, alle ohne Unterschied jedoch ein ansehnliches Geschenk beim
uebertritt ins Russische Reich von der Behoerde ausgezahlt. Die zwoelf bemittelten
besassen im ganzen ein Vermoegen von etwa 15.500 R. Banko.
Die hiesigen Einwanderer
hatten eine ansehnliche Zahl deutscher Kuehe und Stiere aus Preussen mitgebracht,
welche gleich im ersten Jahr an der ausgebrochenen Viehseuche bis auf 3 Stueck
eingingen. Der Verlust war hart, jedoch da nur diese eine Ansiedlung von der Krankheit
betroffen wurde, so konntt man das Vieh durch Ankauf aus den anderen Kolonien
nach Moeglichkeit ersetzen. Haerter war der Verlust im Jahre 1809, wo ueber die
Haelfte des Rindviehs an der Seuche verloren ging. Da von der Seuche dieses Jahres
viele Kolonien mit betroffen wurden, so war dann das deutsche Rindvieh teuer und
trotz der guten Ernten auf dem jungfraeulichen Boden wurde der Geldmangel bei
der Billigkeit aller laendlichen Produkte sehr fuehlbar. 1823 zerstoerte die kleine,
1827 die groessere Gattung von Heuschrecken die Ernte. 1828 fielen wiederum 145
bis 150 Rinder an der Viehseuche. Schwerer jedoch als alles andere waren die Jahre
1833 bis 1834, wo man infolge des Misswachses das Getreide 300 bis 500 Werst herholen
musste und das Tschetwert Roggen hier am Orte 40, das Tschetwert Weizen 50 Rbl.
Banko zu stehen kam.
Trotzdem bei den hiesigen Einwanderern die Schafzucht
im Auslande nur einen aeusserst unbedeutenden Wirtschaftszweig gebildet hatte,
so waren es doch 20 und einige Stueck Schafe, welche sie aus Preussen mitgenommen
hatten und womit sie die hiesige Schafzucht begruenden wollten. Ungeachtet der
edlen und gemeinnuetzigen, auf Vermehrung und Veredlung der Schafe gerichteten
Absichten des Wirkl. Staatsrats Kontenius gedieh die Schafzucht nur langsam, und
erst in den 20er Jahren fing bei den Ansiedlern der Wunsch an rege zu werden,
sich mit der Veredlung der Schafe mehr zu befassen. Es wurden zu diesem Behufe
aus der emeindeschaeferei (Es war die Aufgabe der Gemeindeschaefereien, die Ansiedler
mit Boecken zu versehen. Zum 1. Nov. wurde jaehrlich je ein Bock auf 25 Schafe
verteilt. Nach der Bespringungszeit wurden sie genauestens untersucht, um kranke
Tiere rechtzeitig ausscheiden zu koennen.) fuer welche 1807 Merinos angekauft
und spaeter von der hohen Krone Zuchtboecke geschenkweise bewilligt wurden, uns
lehnsweise Merinos-Sprungboecke abgelassen. Seitdem hat uns die Schafzucht bedeutende
Einnahmen verschafft.
Aber nicht allein diesen, sondern allen Zweigen der Landwirtschaft
seine Aufmerksamkeit schenkend, war der selige Herr Kontenius noch besonders fuer
Baumanpflanzungen gestimmt. Durch Loben der Fleissigen und Ermahnen der weniger
Taetigen wurde danach gestrebt, die Kolonie mit Obstgaerten nicht bloss zu verschoenern,
sondern auch in ihren Einnahmen zu bereichern. Doch noch wichtiger ist in dieser
Hinsicht die Folge des Allerhoechst ausgesprochenen Wunsches Sr. Majestaet des
hochseligen Kaisers Alexander I. bei dessen Durchreise durch die hiesigen Kolonien
im Jahre 1825, dass jeder Wirt 1/2 Dessjatine mit Waldbaeumen bepflanze. Zufolge
dieses Allerhoechsten Wunsches wurde vom Fuersorgekomitee, dessen damaliger Vorsitzender
General der Infanterie Insow war, im Jahre 1832 ein landwirtschaftlicher Verein
im Molotschnaer Mennonitenbezirk gebildet und bestaetigt. Durch Einsicht suchte
der Verein die Waldanpflanzung moeglichst rasch zu foerdern. Die Anpflanzung konnte
zum dritten Teil aus Maulbeerbaeumen bestehen, welche den Ansiedlern durch Einfuehrung
der Seidenraupenzucht bereits bedeutende Einnahmen verschaffte. Es waren aber
auch die Absichten des Vereins, mit Unterstuetzung der Kolonialbehoerde die Vierfelderwirtschaft
regelmaessig einzufuehren, zu welchem Behuf in dieser Kolonie die frueher sehr
unzweckmaessig angelegten Feldstuecke in groessere, die Bearbeitung vereinfachende
zusammengezogen wurden.
Schulz Martens.
Beisitzer: Martens, Fast.
Schullehrer
Peter Neufeld.
Quelle: Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr.
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