Unter Mitwirkung des Gebietsvorstehers Peter Toews und
des von den soeben eingewanderten Ansiedlern erwaehlten Dorfschulzen Jakob Giesbrecht
wurde im Fruehjahr 1820 die Dorfslage ausgesucht, die Wirtschaften abgefurcht
und die Baustellen verlost. Fuers erste machte man sich Erdhuetten oder Bretterbuden,
nach der Saatzeit aber trafen die meisten Anstalten zur Erbauung der wirtschaftlichen
Gebaeude. Die Kolonie liegt am Steppenflusse Tschaukrak, welcher 11/2 Werst aufwaerts
auf dem Nogaierlande seinen Anfang nimmt, und bei dem Vorwerk Steinbach (Klaas
Wiens hatte es vom Zaren fuer die Gruendung der ersten Waldplantage in diesen
Kolonien geschenkt erhalten), 9 Werst von hier, in den Juschanlee muendet. Der
Plan des Landes bildet ein laengliches Viereck und grenzt im Sueden und Osten
an die Laendereien der Tartaren, im Norden an den Juschanlee. Der ebene Boden
hat wenig schwarze Erde. Die Heuernten fallen gering aus. Das Getreide gedeiht
gut.
Bei einer vom Gebietsamte in der Kolonie Ohrloff veranstalteten Versammlung
der neuen Einwanderer, auf welcher die Kolonien eingeteilt, die Ansiedler gruppiert
und einigen Doerfern Namen gegeben werden sollten, wurde auch endlich die Frage
aufgeworfen, wie die hiesigen Ansiedler ihre Kolonie nennen wollten. Als sich
niemand zum Wort meldete, schlug der aelteste Franz Goerz, welcher auch ein Einwanderer
und in Rudnerweide angesiedelt war, vor, dieselbe nach Ihrer Majestaet der Kaiserin
Mutter Maria Mariental zu nennen. Dieser Vorschlag fand allgemein Beifall.
Im
Ansiedlungsjahr 1820 haben sich in dieser Kolonie 17 und im darauffolgenden Jahr
noch 4 Familien hier niedergelassen, wovon aber eine Familie sich als Freiwirt
ansaessig machte. (1855: 20 Wirtschaften, 56 Anwohnerfamilien, insgesamt 190 Maenner,
186 Frauen; 1857: 20 Wirtschaften, 124 Maenner, auf 1300 Desj. und 15 landlose
Familien, 67 Maenner.) Von diesen 21 Familien stammen 9 aus dem Marienwerder,
die anderen aus dem Elbinger und Marienburger Bezirk. Das gras- und blumenreiche
Land, welches ihnen zugeteilt wurde, hatte Johann Kornies aus Ohrloff in Pacht;
einige Tartaren, die sich auf dieser Steppe befanden, waren seine Unterpaechter.
Die meisten Ansiedler waren ohne Vermoegen und erhielten 11,210 Rubel Banko als
Vorschuss von der Krone. Das mitgebrachte Vermoegen hat sich auf etwa 8000 R.
Banko belaufen. Durch den haeufigen Pferdediebstahl in den ersten Jahren, wovon
nur etwa der fuenfte Teil der Ansiedler ganz verschont blieb, ist die Kolonie
sehr zu Schaden gekommen.
1823 zerstoerten die Heuschrecken eine aussichtsvolle
Ernte. Auf die schwache Ernte 1824 folgte der schreckliche Stuehmwinter, welchem
das meiste Vieh zum Opfer fiel. 1825 richtete ein Hagelwetter die Ernte zu Grunde.
Besonders schwer war das schreckliche Notjahr 1833. Viel Schaden hat je und je
der heftige Ostwind verursacht, welcher z. B. im Jahre 1842 bedeutende Strecken
des bestellten Getreides mitsamt der Ackerkrume wegstaeubte. Das Erdbeben vom
11. Januar 1838 hat zur Folge gehabt, dass mehrere der 35 bis 45 Fuss tiefen Brunnen
einstuerzten, doch koennen seither durch das Steigen des Wasserstandes die Brunnen
um 10 Fuss flacher gegraben werden. Durch das uebergeben der Wirtschaften seitens
schwacher, verschuldeter, teils auch traeger Wirte an junge, fleissige und bemittelte
Familien ist die Kolonie in ihrem Emporkommen wesentlich gefoerdert worden.
Mariental,
den 21. April 1848.
Peter Schroeder, Schulz.
Beisitzer: Kornelius Friesen,
Peter Wieb.
Peter Friesen, Schullehrer.
Quelle: Odessaer Zeitung.
42. Jahrgang, 1904, Nr. 204