Die Grenzen dieser Kolonie sind: im Osten das Kronsdorf
Gross-Tokmak, im Sueden die Kolonie Halbstadt, im Westen die Kolonie Petershagen
und im Norden der Fluss Tokmak. Sie ist 100 Werst von Berdjansk entfernt. Die
Landflaeche besteht aus Steppe und Niederung. Erstere ist wenig erhoeht; von ein
paar Steppenfluesschen durchschnitten, erhaelt sie eine wellenfoermige Gestalt.
Ihre Oberflaeche ist fruchtbare schwarze, mit Ton vermischte, auf einer Unterlage
von gelbem Ton ruhende Erde, welche zum Ackerbau gut geeignet, als Heuschlag aber
nur in besonders fruchtbaren Jahren zu benutzen ist. Deshalb wird auch der Ackerbau
immer mehr erweitert. Die am Tokmakfluss gelegene Niederung umfasst 120 Dessjatinen.
Sie ist mit einer tiefen Schicht fruchtbarer Dammerde bedeckt, welche nach der
jaehrlich im Fruehling stattfindenden ueberschwemmung einen ueppigen Graswuchs
treibt und zum groessten Teil als Heuschlag benutz wird.
Die Kolonie wurde
von 16 Familien (1855: 20 Wirtschaften, 34 Anwohnerfamilien, insgesamt 135 Maenner,
150 Frauen. 1857: 20 Wirtschaften (125 Maenner) auf 1300 Desj. und 15 landlose
Familien (50 Maenner), im Jahre 1805 gegruendet und nach einem in Preussen befindlichen
Dorf Ladekopp genannt. Die Ansiedler waren in verschiedenen Partien nach einem
Winteraufenthalt in Chortitza hier angelangt. Ihr Land war unbebaut und fand sich
in Nutzniessung bei den Bewohnern Tokmaks. Die ersten Wohnungen waren Bretterbuden,
wozu sie sich das Holz aus der Stadt Alexandrowsk geholt hatten. Die meisten Ansiedler
waren unbemittelt, und nur 6 Familien konnten sich ihre Haeuser aus eigenen Mitteln
erbauen. Die uebrigen erhielten 4975 Rub. 50 K. Banko teils an barem Geld, teils
an Holz auf 10 Jahre von der hohen Krone vorgeschossen. Doch hatten nur die 6
ersteren das Erbauen der Wohnhaeuser vor dem Eintritt des Winters vollenden koennen,
die anderen bauten sich Erdhuetten zu Winterwohnungen. Vier der wohlhabendsten
Familienvaeter nahmen zwei Feuerstellen fuer sich und ihre Kinder an. Das hergebrachte
Vermoegen der Ansiedler mag ungefaehr 11.000 R. Banko betragen haben. Die vom
Kronsgeld erbauten Haeuser konnte nur klein und einfach eingerichtet werden, weil
noch mancher Rubel zu anderen Unentbehrlichkeiten verwendet werden musste. Das
Bestellen der Feldfruechte ging anfaenglich sehr muehsam von statten, weil jeder
Wirt nur 2 bis 3 Pferde besass (sechs Pferde jedoch zum Pfluegen erforderlich
waren). Als der Landbau in groesserem Massstabe betrieben werden konnte, fehlte
es an Absatz, weshalb man mit dem ueberfluss die hergebrachten deutschen Rinder
fuetterte, um dann aus Butter und Kaese einen Erloes zu erzielen. Doch wurde das
Pfund Butter auch nur mit 10, 12 bis 15 Kop. Banko bezahlt. Auch wurden Pferde
zum Verkauf fett gefuettert: Ein gutes Pferd kostete aber auch nur 100 Rub. Banko.
Da traten Ereignisse ein, welche das Emporbluehen der Kolonie hemmten. Im
August 1809 fielen innerhalb 4 Wochen 200 Stueck meist deutschen Rindvieh an einer
Seuche. Da diese Seuche aber nur einige Kolonien betroffen hatte, so konnte man
das Vieh zu billigen Preisen wieder ankaufen, wozu auch einige Wohltaeter den
Armen auf 1 bis 2 Jahre das Geld vorstreckten. Die im Dezember 1812 abermals ausgebrochene
Viehseuche, welche nur 70 Opfer verlangte, konnte wohl wegen der strengen Kaelte
nicht stark um sich greifen. In den Jahren 1816 und 1817 begann der Handel mit
Arnaut weizen (Sommerweizen mit grossem, hellgelbem etwas durchsichtigem Korn,
der bereits Anfang des 19. Jh. aus Russland in die Tuerkei und nach Italien ausgefuehrt
wurde) in der Krim und in Odessa, was zur Folge hatte, dass dem Ackerbau durch
Duengen und Brachen eine groessere Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Obwohl die
teure Fracht die niedrigen Preise noch mehr herabsetzte, so war doch die erhoehte
Einnahme der Ansiedler deutlich an der Verbesserung der Ackergeraete zu merken.
Doch es trat wieder eine Unterbrechung ein im Wachstum des Wohlstandes. Die Heuschrekkenverheerungen
der Jahre 1822, 1823 und 1824 hatten besonders Futtermangel zur Folge, welcher
im Jahre 1824 noch durch den furchtbaren anhaltenden Schneesturm erhoeht wurde.
Die gute Ernte im Jahr 1825 heilte manche geschlagene Wunde. Der Seuche im Jahre
1827 erlagen 180 Stueck Vieh. Da kam das furchtbare Hunger jaehr 1833, und auch
1834 brachte wieder eine Missernte. Nur dem schrecklichen Futtermangel wurde durch
den infolge vieler Regenguesse im Spaetsommer gewachsenen sog. Kurrai abgeholfen.
Dieses
Unglueck hatte man jedoch bald verschmerzt, denn es folgten von jetzt an fruchtbare
Zeiten. Der Weizenhandel in Berdjansk hatte begonnen, und es wurde nicht bloss
Arnaut, sondern auch Ghirkaweizen ("Triticum vulgaere' mit kleinem roetlichem
Korn) verlangt. Dieser oder der rote Weizen ist besonders im Brachlande weit ergiebiger
und laesst sich leichter dreschen. Das Stroh steht zwar als Futter dem des Arnautweizens
bedeutend nach, jedoch gibt er viel Spreu, welche ein sehr nahrhaftes Futter ist
und vom Vieh gern gefressen wird. Die Fracht nach Berdjansk war nun bedeutend
billiger. Mit den jaehrlich steigenden Weizenpreisen stieg auch der Wohlstand
der Bewohner. Im Jahre 1839 fielen 240 Stueck Vieh an der Seuche. Doch die Leute
konnten bald wieder zu Vieh kommen, weil die Seuche nicht in allen Doerfern gewuetet
hatte. Die Kolonie hat zwei Feuersbruenste seit ihrer Gruendung erlitten: 1817
brannten durch Achtlosigkeit eines Dienstboten 2 Haeuser ab und am 1. August 1842
zuendete der Blitz ein Haus an und toetete zugleich die Hausfrau; des furchtbaren
Regens wegen konnte das Feuer nicht weiter um sich greifen. Der furchtbare, mehrere
Wochen lang anhaltende Orkan von 1847 auf 1848 hat mehrere Haeuser fast mit Schnee
zugedeckt.
Die Einfuehrung der spanischen Schafe durch den Wirklichen Staatsrat
von Kontenius hat der Kolonie grossen Nutzen gebracht. Durch eintretende Krankheit
der Schafe sind einigemal bedeutende Verluste gewesen. Die Hohen und Allerhoechsten
Besuche in den Mennonitenkolonien sind auch nicht ohne Eindruck geblieben. Es
wurde zur Anpflanzung der Waldanlagen geschritten. Zuerst wurde das Land mit einem
Tiefpfluge rigolt und nach und nach 2/3 Wald und 1/3 mit Maulbeerbaeumen, im Ganzen
1/2 Dessjatine auf den Wirt, bepflanzt. Die Aussengrenze des ganzen Waldes wurde
mit einer Hecke von oelstrauch und der Anteil eines jeden Wirtes mit einer Maulbeerhecke
umgeben. Dieses Waeldchen erfreut nicht nur durch seine Schoenheit, sondern bringt
auch schon durch die Seidenzucht bedeutende, sich jaehrlich mehrernde Einnahmen.
Nebst dem Walde musste jeder Wirt einen Obstgarten von einer Dessj. anlegen. Durch
die Wirksamkeit des landwirtschaftlichen Vereins wurde der Wohlstand und damit
zugleich das Bauwesen, das Handwerk und Gewerbe bedeutend gehoben.
Auch ist
ein geraeumiges Schulhaus von den Wirten erbaut worden. An dem groessten Steppenfluss,
ungefaehr 2 Werst vom Dorfe entfernt, ist ein Brunnen zum Traenken des Viehes
angelegt. ueberzeugt von dem Nutzen des Seidenbaus haben die Wirte noch einen
Maulbeergarten, je eine halbe Dessjatine gross, angelegt und mit dem Bepflanzen
derselben den Anfang gemacht.
Am 30. April 1848.
Schulz Heinrich Kroeker.
Beisitzer:
Christian Schmidt, Jakob Bangmann.
Schullehrer David Klaassen.
Quelle:
Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 179