Aus eigenem Antrieb entschlossen sich im Jahre 1818
wieder eine bedeutende Anzahl mennonitischer Familien, zu ihren Glaubensgenossen
nach Suedrussland auszuwandern, weil sie in Preussen keine Aussicht mehr hatten,
Land fuer ihre Nachkommen zu erhalten.
Die urspruenglichen Ansiedler dieser
Kolonie sind folgende 20 Wirte:
1) Aus dem Marienburgischen: Bernhard Friesen,
Jakob Klaassen, David Goertzen, Kornelius Wall.
2) Aus dem Elbingschen: Franz
Wiens, Dietrich Dick, Isaak Klaassen, Peter Rempel, Johann Hildebrand, Heinrich
Steingard, Heinrich Martens, Hermann Klaassen.
3) Aus dem Tiegenhofsehen: Kornelius
Janzen, Herman Fast.
4) Aus dem Stuhmschen: Abraham Goertzen, Abraham Riediger.
5)
Aus dem Moerischen: Franz Janzen.
6) Aus den aelteren Molotschnaer Kolonien:
Peter Goertzen, Jakob Wiebe und Heinrich Dick.
(1855: 20 Wirtschaften, 38 Anwohnerfamilien,
insgesamt 165 Maenner, 156 Frauen, Vergleiche: 1857: 20 Wirtschaften, 135 Maenner,
auf 1300 Desj., und 14 landlose Familien, 52 Maenner.)
Gluecklich an der Molotschna
angelangt und von den Verwandten und Bekannten in deren Wohnungen freundschaftliche
aufgenommen, wandten sich nun die auslaendischen Einwanderer an die hohe Krone
mit der Bitte um Land und um Geldvorschuesse zur Ansiedlung. Das Land wurde bewilligt,
die Vorschuesse aber nicht. Da sie aber arm waren und nur die Vermoegenden etwa
100 bis 200 Rbl. Silber an Geld und Sachen besitzen mochten, so wandten sie sich
um Fuersprache bei der hohen Krone an den wohlwollenden, den Kolonisten vorgesetzten
Wirklichen Staatsrat Kontenius, durch welchen sie dann auch 2829 R. 14 K. Silber
vorschussweise ohne Zinsen erhielten, welches Geld nach 10 Freijahren terminweise
zurueckzuzahlen war. Von diesem Vorschuss erhielten der Vermoegendste 98 Rbl.
28 Kop., der Unvermoegendste 188 R. 75 K. Die drei aus der Molotschna hinzugekommenen
Ansiedler erhielten keinen Vorschuss, weil sie keine Familien besassen, sondern
unverheiratet waren.
Im Fruehling 1819 begann die Ansiedlung. Da sich Ansiedler
zu 2 Kolonien gefunden hatten, so teilten sie sich in zwei Teile, wovon jeder
der erhaltenen Vorschrift zufolge sich einen Schulzen waehlte. Die oben genannten
Ansiedler waehlten Abraham Riediger. Nachdem der Oberrichter aus dem Jekaterinoslawschen
Kontor fuer auslaendische Ansiedler Fadejew, der 1819 viel in den Kolonien umherreiste,
um Ansiedlungsplaetze fuer Kolonisten, die jedoch in groesserer Zahl ausblieben,
zu besichtigen, behufs Anweisung des Landes hier angelangt war, wurde auch sogleich
in Gemeinschaft des damaligen Oberschulzen Peter Toews aus Ladekopp die zu besiedelnde
Kronssteppe besichtigt und dann 2 zehn Werst auseinanderliegende Landstriche zur
Ansiedlung ausersehen. Neun Werst von dem Vorwerk des Johann Kornies am Juschanlee
aufwaerts lag der eine Plan und 25 Werst von Ohrloff aufwaerts, an der linken
Seite des Kuruschan-Flusses, der andere. Den Ansiedlern beider Teile ward es ueberlassen,
unter sich auszumachen, wo ein jeder Teil ansiedeln solle. Das Los entschied,
dass die oben genannten Ansiedler den ersten Landstrich erhielten. Er ist 90 Werst
von Berdjansk und 65 Werst von Orechow entfernt. Im Jahre 1845 wurde Berdjansk
an der Stelle von Orechow Kreisstadt.
Das Land dieser Kolonie, 1300 Dessj.
gross, 65 Dessj. auf den Wirt gerechnet, bildet fast ein Viereck und hat suedlich
den Juschanlee-Fluss zur Grenze, wo gegenueber auf der andern Seite des Flusses
noch zu besiedelnde Kronssteppe sich befindet; die anderen drei Seiten grenzen
an von Mennoniten besiedeltes Land.
Den Namen Lichtfeld haben die Ansiedler
von einem gleichnamigen Dorfe in ihrem alten Vaterlande hergeleitet.
Mit der
Gruendung machten 18 Familien im Maerz 1819 den Anfang; im naechsten Fruehling
kamen die zwei uebrigen hinzu.
Auf der zur Dorfanlage gewaehlten Stelle wurden
34 Dessj. zu Wirtschaften und Gartenplaetzen abgemessen, die Wohnplaetze durch
Pflugfurchen abgezeichnet und durch Los an die Ansiedler verteilt. Fuer die naechsten
Monate baute sich ein jeder eine Wohnung aus mit Brettern beschlagenen Sparren.
Die
Steppe hatte bisher Johann Kornies aus Ohrloff in Pacht gehalten und an Tataren
und andere Leute gegen monatliche Zahlung zur Viehweide weitergegeben. Da die
Tataren (Nogaier) in sogenannten Koschen wohnten, so fanden die Ansiedler
keine
Wohnungen vor.
Die wenigsten der Ansiedler waren imstande den verwurzelten
Urboden der Steppe allein zu pfluegen. Dazu waren 6 Pferde erforderlich, weshalb
immer 2 bis 3 Nachbarn zusammenspannen mussten.
Nach der Bestellung der geringen
Aussaat bauten sich 2 Ansiedler je ein Wohnhaus und einen Stall, die anderen nur
je ein Wohnhaus, manche auch nur je einen Stall. Erst im anderen Jahr wurden dann
die fehlenden Gebaeude dazugebaut.
Erst im Jahre 1824 erbaute die Gemeinde
ein Schulhaus; bis dahin war die Schule bei Wirten in Nebenstuben untergebracht.
Das Vorratsmagazin ist 1829 aufgefuehrt worden.
Das Ackerland, bestehend in
438 Dessj atinen, ist sehr ergiebig. Anfangs schien der Boden nur einen geringen
Ertrag liefern zu wollen, aber seit man infolge der guten Weizenpreise bei der
zweckmaessigen Bearbeitung keine Muehe mehr scheut, ist es anders geworden. Das
Ackerland ist in 4 Teile geteilt, wovon ein Teil schwarz gebracht wird und in
fruchtbaren Jahren loefaeltige Frucht liefert. Oft traten Oststuerme ein, denen
das Land durch seine Lage besonders ausgesetzt ist. In den Jahren 1835 und 1839
z.B. wurde manches Getreide gaenzlich ausgeweht und vieles sehr stark beschaedigt.
Den
Heuschlag bilden 94 am Juschanlee befindliche Dessjatinen mit einer drei Fuss
tiefen Schicht Dammerde. Durch den Fluss aufgeschuettete Daemme werden ueberschwemmungen
herbeigefuehrt, welche den Ertrag der Wiesen wesentlich erhoeht haben. In Jahren
von mittelmaessiger Fruchtbarkeit kann ein Wirt auf 600 Pud Heu rechnen.
Die
755 Dessj. grosse Weidesteppe erzeugt nur eine weitlaeufigen Graswuchs, auf welchem
270 Stueck Vieh nur notduerftig ernaehrt werden. Fuer die Schafe wird Kronsweideland
gepachtet.
Steinbrueche und Waldungen sind nicht vorhanden. Doch ist im Jahre
1834 eine 12 Dessj. grosse Waldanlage begonnen und 1847 vollendet worden.
Misswachs,
Heuschrecken, Viehseuchen, Sturmwinde und Schneetreiben sind die Haupthindernisse
beim Emporkommen der Kolonie gewesen. Die Beschreibung dieser Landplagen, sowie
all jener Umstaende, die den Wohlstand der Kolonie gefoerdert und begruendet haben,
unterscheidet sich nicht von derjenigen der anderen Kolonien.
Lichtfelde, den
28. April 1848.
Schulz David Goerzen
Beisitzer Johann Wall, Heinrich Dick
Schullehrer
Aron Penner
Quelle: Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 186