Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung



Gemeindebericht 1848, das Molotschnaer Mennonitengebiet

 

Gemeindebericht 1848, Mennonitenkolonien.

26. Grossweide

Diese Kolonie wurde im Jahre 1820 gegruendet. Im Maimonat liessen sich die Ansiedler auf dem von der Ortsbehoerde angewiesenen Plan nieder und bauten sich Bretterbuden. Bis zum Herbst wurden die Viehstaelle fertig, in denen sich die Familien ihre Wohnungen zum Winter einrichteten. Zweckmaessige Wohnungen und Scheunen wurden erst spaeter erbaut, und zwar in neuerer Zeit von gebrannten Ziegeln. Solcher Haeuser sind bereits 6 im Dorf vorhanden, wovon 4 mit hollaendischen Dachpfannen gedeckt sind. Besonders zeichnen sich die 64 Fuss lange und 35 Fuss breite Dorfschule und das 80 Fuss lange und 40 Fuss breite Wohnhaus des Kraemers Heinrich Janzen aus.
Das Dorf liegt am Steppenfluesschen Sassikulak in der Richtung von Ost nach West. 65 Werst von Berdjansk und 350 Werst von Simferopol entfernt. Die Grenzen sind: im Norden der von der Krim nach Bachmut fuehrende Tschumakenweg (Der Tschumakenweg, der anfaengt lieh durch die deutschen Kolinien fuehrte, wurde wohl um 1820 (?) verlegt, um das Einschleppen von Seuchen zu verhindern.), im Osten die Kolonie Franzfeld, im Sueden das Nogaierland des Dorfes Kahatsch (Michajlowka?), wo der Seitenfluss der Molotschna Juschanlee die Grenze bildet, und endlich im Westen die Kolonie Rudnerweide. Das Fluesschen Sassikulak entspringt in hiesiger Steppe und schlaengelt sich bis unterhalb der Kolonie Rudnerweide, wo es in den Juschanleefluss muendet. Es enthaelt viele Quellen und gibt gutes Trinkwasser, welches als Viehtraenke sehr zu statten kommt. Auch sind an demselben bereits 1645 Weidenbaeume angepflanzt. Weiter oben, wo die Quellen aufhoeren, sind kleine Heuwiesen, die jaehrlich einen guten Ertrag liefern.
Die Steppe ist ebenes Land mit kleinen Abdachungen. Die Oberschicht ist fruchtbare Schwarzerde, die Unterlage roter Ton. Die untere Steinlage kommt nur an aeusserst wenigen Orten zum Vorschein. Der Wasserstand ist 7 bis 10 1/2 Arschin tief und steht seit dem Erdbeben anno 1838 um 3 Arschin hoeher, als es vorher der Fall war, doch hat durch das Erdbeben die Beschaffenheit des Wassers gelitten; in mehreren Brunnen ist es sogar bitter geworden. Die starken Stuerme richten oft grossen Schaden auf dem Brachlande an, indem sie die leichte Ackerkrume wegfegen. Das Getreide gedeiht vorzueglich und gibt in guten Jahren 18 bis 20faeltige Frucht. An Heu kann auf jeden Wirt durchschnittlich 520 Pud jaehrlich gerechnet werden. In den Gaerten befinden sich 9395 Standbaeume im Wachstum, in der Gehoelzplantage 26,904, wovon der dritte Teil Maulbeerbaeume auf Standorten sind. (1855: 24 Wirtschaften, 29 Anwohnerfamilien; insgesamt 160 Maenner, 155 Frauen; 1857: 24 Wirtschaften, 133 Maenner auf 1560 Desj. und 8 landlose Familien, 49 Maenner.) Pflaumen und Aprikosen erfrieren bei anhaltend strenger Kaelte, was der unteren kaltgruendigen Steinlage zugeschrieben wird.
Den Namen des Dorfes haben die Ansiedler von einem Dorfe ihres gewesenen Vaterlandes hergeleitet. Er bedeutet "grosse Weide".
Die urspruenglich hier angesiedelten 22 Familien bestanden aus 28 maennlichen und 36 weiblichen arbeitsfaehigen Seelen; der jetzige Bestand ist in 53 Familien 72 maennliche und 67 weibliche arbeitsfaehige Seelen. (Die arbeitsfaehigen Maenner und Frauen im Alter von 16 (bzw. 14) bis 60 Jahren waren steuerpflichtig.) Sie stammen aus dem Marienwerder, zum geringen Teil auch aus dem Danziger Regierungsbezirk in Westpreussen. Ihr Anfuehrer bei der Einwanderung war der verstorbene Kirchenaelteste Franz Goerz, welcher damals mit seiner ganzen Kirchengemeinde aus Preussen auswanderte. Sie kamen 1818, zum groessten Teil aber 1819 in Russland an. Vor ihrer Ankunft hatte die Steppe Johann Kornies in Pacht, welcher sie den nomadisiernden Nogaiern als Weideland abgab. Schwer wurde es, den Nogaiern das Weiden auf dem Lande der 'Deutschen abzugewoehnen; es wurde etwas gemindert, als die Kolonie im Jahre 1835 laengs der Grenze am Juschanleefluss Pflugland anlegte, dennoch findet man ihr Vieh oft in den Getreidefeldern.
Kronsvorschuss erhielten 15 unbemittelte Familien, und im Ganzen 10,244 R. 60 k. Banko. Sieben Ansiedler waren so bemittelt, dass sie recht gute Haeuser aufbauen und das notwendige Vieh anschaffen konnten. Man schaetzt ihr hergebrachtes Vermoegen auf 25,000 R. Der weitere Verlauf der Geschichte dieser Kolonie weist keine von denjenigen der anderen Kolonien abweichenden Zuege auf.

Schulz Abraham Braun,
Beisitzer Wilhelm Ewert, Martin Block.
Schullehrer Peter Isaak.
Grosssweide, den 28. April 1848.


Quelle: Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 203




Zuletzt geaendert am 1 Mai 2008