Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung



Gemeindebericht 1848, das Bergtaler Mennonitengebiet

 

Gemeindebericht 1848, Mennonitenkolonien.

Bergtal

Auf Anordnung Sr. Exzelenz des Herrn Hauptkurators der Kolonisten Suedrusslands infolge Bittschrift der Chortitzer Mennonitenaeltesten wurde laut Allerhoechstem Ukase vom 30. Maerz 1833 zur Ansiedlung der sich mehrenden und an Landmangel leidenden Chortitzer Mennoniten das im Alexandrowschen Kreise des Jekaterinoslawschen Gouvernements gelegene 9540 Dessjatinen enthaltende und an das Mariupoler Kolonistengebiet angrenzende Grundstueck bestimmt, welches von dem zur Ansiedlung der Juden bestimmt gewesene Land uebrig geblieben war, worauf dann auch im Jahre 1936 zur Ansiedlung der Kolonie geschritten und im gleichen Jahr 29 Wohnhaeuser aufgebaut wurden, wozu aber noch 3 Wirte und einige Kleinhaeusler anbauten, so dass die Dorfschaft gegenwaertig aus 32 Landwirten und 14 Kleinhaeuslerfamilien besteht.
Die Benennung der Kolonie Bergtal wurde vom Chortitzer Oberschulzen Bartsch vorgeschlagen, von den Ansiedlern angenommen und von der hoeheren Behoerde bestaetigt. Sie sollte ihre oertliche Lage bezeichnen.
Die Kolonie liegt 180 Werst von der Kreisstadt Alexandrowsk und 23 Werst von Mariupol entfernt an einem kleinen Bache, welcher von den angrenzenden Russen und Griechen Badny genannt wird.
Der Erdboden ist muerbe und grandig und trocknet bei eintretender Hitze bald aus. Der bedeutendste Teil des Futtergrases auf der Wiesensteppe ist der gelbe oder Steinklee, welcher bei trockener Witterung klein bleibt und nicht blueht.
Um die Laendereien, Feuerstellen, Gaerten und Strassen zweckentsprechend und regelmaessig einzuteilen, wurden die drei hiesigen Wirte Wilhelm Rempel, Jakob Martens und Johann Wiebe als Deputierte gewaehlt, die so lange dieses Geschaeft verwalteten, bis nach geschehener Ansiedlung der uebrigen 3 Kolonien dieses Bezirks ein gemeinsames Gebietsamt bestaetigt wurde.
Ausser einem kleinen Chutor, den die Bauern des Grafen Tolstoi hier besassen, wurde auf dem ganzen Grundstueck keine Wohnung gefunden, und die Ansiedler waren genoetigt, sich so gleich nach ihrer Ankunft auf diesem Platze vorerst Buden, Zelte oder Erdhuetten zu errichten, um ihre besseren Effekten vor Naesse zu schaetzen, bis erst nach 2-3 Monaten die Wohnhaeuser fertig waren.
Da die meisten der Uebersiedler nur unbemittelte Familien waren, so wurden ihnen zur Ueberfuehrung ihrer Sachen und ihres Eigentums aus dem Chortitzer Bezirke fuer jede Familie 5 Fuhren auf Rechnung der Reihendienste abgelassen. Einige dieser Ansiedler gerieten beim Aufbau ihrer Haeuser und spaeter durch ein paar Missernten in tiefe Schulden, gegenwaertig aber haben sie solche, nachdem sie seit einigen Jahren fuer Getreide und andere Erzeugnisse eine gute Einnahme gehabt, wieder fast ganz getilgt, ausser 2 Wirten auch alle schon gute Staelle und Scheunen meistenteils aus eigenen Mitteln erbaut.
Die groesste Einnahme, welche die Landwirtschaft in dieser Gegend eingebracht, war die Weizen- und Leinsamenernte, da diese Getreidearten gut gedeihen und in der nicht weit von hier entfernten Hafenstadt Mariupol stets fuer sehr gute Preise abzusetzen waren. So tut es dem fleissigen Landmann nicht mehr leid, dass er die Beschwerde der Uebersiedlung sozusagen ohne Vermoegen gewagt hat.
Gebe der Herr und nur seinen Frieden und erhalte er uns unseren Allergnaedigsten Kaiser und die ueber uns zum Schutze bestehende Kolonial-Verwaltung, so lebt hier ein Voelkchen, das sich seines Daseins freut.

Dorfschulz: Penner
Beisitzer: Falk, Funk.
Schullehrer: Heinrich Wiens.
Bergtal, den 1. Mai 1848.


Quelle: "Unterhaltungsblatt fuer deutsche Ansiedler im suedlichen Russland." 1852 Nr. 9-11




Zuletzt geaendert am 1 Mai 2008