Diese Kolonie wurde 1821 unter der Verwaltung des
Oberrichters im Kontor fuer auslaendische Ansiedler zu Jekaterinoslaw, Herrn Fadejew
und der Leitung des Gebietsvorstehers Gerhard Ens aus Altona gegruendet. Sie liegt
am linken Ufer des Flussbettes Behemtschekrak (Begim Tschokrak), 47 Werst von
Orechow und 90 Werst von Berdjansk entfernt. Der unebene Boden besteht in den
Niederungen aus schwarzer Dammerde und auf den Anhoehen aus mit Lehm vermischter
Schwarzerde, ist zum Ackerbau, zur Viehweide und Baumkultur ziemlich gut geeignet,
gibt aber nur wenig Heu.
Als die hiesige Gemeinde, welche schon ueber 200
Jahre in Preussen als Kirchgemeinde existiert hatte, unter der Leitung ihres Kirchenaeltesten
Peter Wedel in Russland einwanderte, und an der Suedseite der Stadt Warschau zu
einer zweitaegigen Rast Quartier aufgeschlagen hatte, fuhr der jetzt in Gott ruhende
Kaiser Alexander I. aus der Stadt, um auf dem Felde eine Abteilung Militaer manoevrieren
zu lassen. Wir aber, von einigen vorbeieilenden Generaelen aufmerksam gemacht,
standen in gespannter Erwartung, als der Kaiser bei uns vorbeikam, die Kutsche
halten liess und uns mit der rechten Hand winkte. Da liefen drei unserer Kirchenvorsteher
hinzu, welche befragt wurden, von wo wir kaemen und wohin wir wollten. Auf die
Antwort, dass wir an die Molotschna ins suedliche Russland wandern wollten, sprach
der Kaiser: "Ich wuensche euch Glueck zu eurer Reise, gruesset eure Brueder;
ich bin da gewesen." Das geschah am 14. September 1820.
An der Molotschna
angekommen, wurden diese Gruesse von unserem Kirchenaeltesten Peter Wedel in den
Bethaeusern vor den versammelten Gemeinden aufs puenktlichste ausgerichtet. Da
nun auch das Kontor zu Jekaterinoslaw von dieser denkwuerdigen Begebenheit in
Kenntnis gesetzt werden musste, so verewigte sie der Herr Oberrichter Fadejew
dadurch, dass er die Kolonie Alexanderwohl nannte, denn er sprach: "Der Kaiser
Alexander hat euch Wohl gewuenscht."
Im Jahre 1821 wurden hier 22 Familien,
1823 7 Familien und 1824 noch eine Familie aus dem Landratsamte Schwetz im preussischen
Regierungsbezirk Marienwerder angesiedelt. (1855: 30 Wirtschaften, 35 Anwohnerfamilien,
insgesamt 190 Maenner, 192 Frauen; 1857: 30 Wirtschaften, 159 Maenner auf 1950
Desj. und 7 landlose Familien, 26 Maenner). Die unbesiedelte Steppe wurde vor
der Ankunft der Deutschen von Johann Kornies in Pacht gehalten und von Nogaiern
zur Viehweide und von Russen teilweise zum Ackerbau benutzt.
Von den Eingewanderten
haben 20 Familien einen Kronsvorschuss von 4104 R. 28 4/7 K. Silber erhalten;
die eigenen mitgebrachten Mittel beliefen sich auf etwa 8570 R. Silber.
Das
Ansiedlungsjahr 1821 war unfruchtbar und lieferte nur die Aussaat. 1822 war fruchtbar,
aber es kamen die Heuschrecken und richteten 7 Jahre lang grossen Schaden an.
1823 und 1824 waren zudem Misswachsjahre. Der anhaltende Sturm in den ersten Monaten
des Jahres 1825 verursachte auch dieser Gemeinde grossen Verlust an Vieh, weil
kein Futter fuer dasselbe vorhanden war. Damals wurde auch hier das Stroh von
den Daechern gefuettert. 1828 herrschte eine verheerende Viehseuche. Das schwerste
Jahr jedoch war das Hungerjahr 1833. Die veredelte Vieh- und Schafzucht und die
Vierfelderwirtschaft beim Betrieb des Ackerbaues sind durch die Bemuehungen des
Wirklichen Staatsrats Kontenius und des unter der Leitung des unvergesslichen
Johann Kornies stehenden landwirtschaftlichen Vereins eingefuehrt worden und haben
die Gemeinde zum Wohlstand gebracht.
Schulz Heinrich Voth.
Beisitzer Heinrich
Goerz, Jakob Schmidt.
Schullehrer Heinrich Buller.
Quelle: Odessaer
Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 199