Mennoniten in Jekaterinoslaw (Dnepropetrowsk)

 

 
 Jekaterinoslaw (später Dnepropetrowsk), in der Einwanderungszentralstelle (EWZ) 1943-45.
 Personen aus Dnepropetrowsk in den Akten der Einwanderungszentrale (EWZ) 1943-45. (von Elli Wise)
 Auszug aus der "Liste der Hausbesitzer in Jekaterinoslaw 1913 und 1915" (russisch).
  Альбом Дитрих Тиссен и семья. (russisch) von und auf der Webseite von Sergei Tissen.
  
 

Chortitza lag im Gebiet Jekaterinoslaw. Diese Stadt wurde 1776 gegründet und hiess bis 1802 Novorossijsk. Sie sollte laut dem Plan von Katharina II. die dritte Hauptstadt Russlands werden, deshalb auch der Name "Jekaterinoslaw". Seit 1917 heisst sie Dnjepropetrowsk.
Die ersten in Jekaterinoslaw ausgebildeten Mennoniten waren Heinrich Heese und Abraham Hamm, die 1820 ihre Schulbildung hier fortsetzten. Die erste Mühle wurde von Heinrich Thiessen 1805 gebaut, die acht Sack Mehl am Tag produzierte. Später produzierten die grösseren Mühlen 800-1000 Sack Mehl am Tag. Diese Mühlenindustrie brachte der Stadt einen frühen ökonomischen Aufschwung.
1851 wurde die erste Schule für Mennonitenkinder gebaut, die 1910 durch ein neues Gebäude ersetzt wurde. In der Schule fanden auch Gottesdienste statt. 1889 gab es in Jekaterinoslaw neun Mennonitenfamilien mit 50

Seelen. In diesem Jahr wurde hier der erste Prediger angestellt, der gleichzeitig auch Lehrer in der Schule war. 1899 zählte man schon 31 Familien mit 158 Seelen. Der rasche Aufschwung der Mühlenindustrie, mit der sich viele befassten, zog immer mehr Angestellte aus den Kolonien an. Zwischen 1895 und 1918 war Johann Esau einer von den hervorragendsten Vertretern der Mennoniten in der Stadtverwaltung in Jekaterinoslaw. Seine Tätigkeit ging über die Grenzen der Stadt hinaus. Er war auch sehr besorgt um den Stand seiner Kirche. Anfang des 20. Jahrhunderts dehnte sich die mennonitische Gesellschaft der Stadt aus. Es wurde eine Kirchenschule organisiert. Das Programm der Schule wurde erweitert, und drei Lehrer wurden eingesetzt. Durch den Krieg 1914 konnte eine Kirche nicht gebaut werden. 1918 wurde die Gemeinde durch die russische Anarchie vollständig zerstört. Viele Fabriken wurden von den Mennoniten gebaut, auch die Mühlen von Johann Thiessen, Gebrüder Peter und Heinrich Heese, Gebrüder Fast und Toews. Auch die Idee zur Einrichtung einer Nervenheilanstalt entstand in Jekaterinoslaw, die später in einer "Bethania" in der Chortitza Kolonie realisiert wurde. Eins von vielen Projekten: Bau einer Hydroelektrostation bei Einlage - das von Johann Esau mit seinem ukrainischen Freund Jurgewitsch vorgeschlagen und eifrig verfolgt wurde, ist nur ein Beispiel der ideenreichen mennonitischen Gesellschaft in Jekaterinoslaw. Um die Jahrhundertwende war nur ein Prozent der Mennoniten Russlands städtische Bürger.
   
  
Jakob Fast aus Rosental zog 1844 nach Jekaterinoslaw und besass da eine Trettmühle. Auf dem Photo Gebrüder-Fast Mühle. Das 1895 erbaute siebenstöckige Gebäude wird auch heute noch als Mühle benutzt. Photo 1997
    
  Heinrich Heese (1846-1903 #197240) Mühle. Er war eines der ältesten Mitglieder der Duma, Mitglied im "utschetnyj Komitet" der Reichsbank, Bevollmächtigter der städtische" gegenseitigen Versicherungsgesellschaft8. Seine Mühle steht noch heute. Sein Vater Heinrich Heese (1828-83 #197239) war der Sohn vom Chortitzaer Zentralschullehrer Heinrich Heese (1787-1868 #199356) und hat in Jekaterinoslaw studiert. Später heiratete er die Tochter des Mühlenbesitzers Heinrich Thiessen und blieb in Jekaterinoslaw wohnen. In den 70er Jahren hatte er bei Nikopol 700 Desjatinen Land gekauft. Hier gründete er das Gut Alexejewka, das die russischen Nachbarn „Heeses Ökonomie" nannten. Der Schwiegersohn, David Sudermann (#199459), war erst Verwalter von Alexejewka, später hatte er dieses Gut in Pacht. Er baute seine eigene Ziegelei und Pfannenfabrik. Heinrich Heese kaufte dann noch 400 Desjatinen etwa 50 km nördlich von Alexejewka, aber dieses Land wurde verpachtet.
   
  
Die Johann Thiessens Mühle (heute Prospekt-Strasse) wurde 1894 erbaut. Er war Mitglied der Stadtsduma und Vorsitzer der Südrussischen Abteilung des Allrussischen Müllerverbandes.6 Für seine Dienste während des russisch-japanischen Krieges wurde ihm die Auszeichnung des Roten Kreuzes verliehen. In seiner Mühle arbeiteten 50 Angestellte. 1903 erhielt seine Mühle auf einer Ausstellung in Moldawien eine Goldmedaille.
  
1910 erhielt sie eine Silbermedaille der allrussischen Ausstellung, die fast gegenüber von seiner Mühle stattfand. Auf diesem Grundstück stand früher auch die Essigfabrik sie wurde 1805 von seinem Grossvater Heinrich Thiessen aus Chortiza gegründet, und gehörte später seinem Vater Heinrich Thiessen der 1852 2 Trettmühlen besass und 1861 die erste Dampfmühle baute. Thiessens Haus befand sich auch auf diesem Grundstück. Es wird gesagt, dass Johann Thiessen als erster in dieser Gegend ein Telefon hatte. Photos 2002
    
  
Prospekt in Jekaterinoslaw. Im Hintergrund J. Thiessens Mühle. Postkarte aus dem Jahre 1904
    
  
Johann Toews 1841-1915 (#351511), Mühlbesitzer, Stadtrat in Jekaterinoslaw.
    
  
Hermann Bergmann 1850-1919 (#311360) mit Frau Helena Heinrichs 1853-1927 (#311306), Ekaterinoslav. Hermann Bergmann war Gutbesitzer, von 1890 bis 1917 Mitglied des Bezirks- und Stadtsrates in Jekaterinoslaw, 1907 und 1912 in die Staatsduma gewählt, war im Aufsichtsrat der Zentralschule in Nikolaipol, Direktor des Waisenhauses in Ekaterinoslav, Direktor der Landwirtschaftlichen Kreditbank in Ekaterinoslav9. Helena Heinrichs war die Tochter des Gutbesitzers Julius Heinrichs 1833-1894 (#174949) aus Einlage.
    
  
Franz Peters 1843-1919 (#266891) Gutbesitzer in Petersdorf, ist in den 90-ger Jahren 6 Jahre Oberschulze in Yazykovo gewesen. Nach Isaak Dyck 6 Jahre President über mennonitische Forsteien, nach im kamm Jakob Sudermann von Apanlee ins Amt. Mehrere Jahre Mitglied im Landschaftsrat in Jekaterinoslaw.
    
  
Kinder von Heinrich Thiessen Mühlbesitzer aus Jekaterinoslaw. L-r: Johann Thiessen und Helena (Epp); Wilhelm Martens und Susanna (Thiessen); Johann Wiens und Margaretha (Thiessen); Heinrich Heese und Maria (Thiessen); Urgrossmutter Margaretha Thiessen geb. Siemens; Peter Thiessen und Helena (Kaetler); Jakob Thiessen und Katharina (Martens); Witwe Katharina Wiens (Thiessen). Ca. 1868
    
  
Frau Helena Thiessen geb. Epp (1836-1912). Jekaterinoslaw.
    
  
Margaretha Schroeder geb. Thiessen. Geboren 1856 in Jekaterinoslaw.
    
  
Schwestern Susanna Toews (#17552; später Dyck) und Katharina Toews (#463808; später Heese), Jekaterinoslaw 1896.
    
  
Johann Esau - Oberbürgermeister 1905-1909 und 1918 in Jekaterinoslaw. Foto 1908.
    
  
Fabrik Johann Jakob Esau (1859-1940) (#405443). 1896 verkauft an die Belgische AG, Esau blieb aber Leiter der Fabrik, bis wan unbekannt, aber 1905-1909 Bürgemeister in Jekaterinoslaw. 1915 an "Rudzkoj & Co." verkauft, seit 1921 (1928) „Presstroj", seit 1948 Mehdrescher-Fabrik. Foto 1903.
    
    
    
   Abram Hamm aus Einlage zog 1837 nach Jekaterinoslaw hatte da 1852 eine Trettmühle.
    
   Jakob Wilms (ca. 1821-) aus Einlage zog 1845 nach Jekaterinoslaw hatte da 1852 eine Trettmühle.
   Gerhard Wilms (ca. 1825-) aus Einlage zog 1852 nach Jekaterinoslaw und ist da als Mühler aufgelistet
   Franz Daniel Peters 1843-1919 (#266891) aus Petersdorf, Gutbesitzer. War mehrere Jahre im Landschaftsrat in Jekaterinoslaw.10 6 Jahre Oberschulze in Yazykovo, 6 Jahre President über die mennonitische Forsteien in Russland.
    
    
  
Johann Esau - Oberbürgermeister in Jekaterinoslaw
    
  Der Dorfschulze aus Halbstadt Jakob Esau schickte seine zwei Söhne Jakob Esau und Johann Esau nach Jekaterinoslaw. Diese zwei jungen Männer besuchten zuerst das Gymnasium in Jekaterinoslaw, dann setzten sie mit einem Studium an der Universität in Riga und Kiew ihre Bildung fort. Johann Esau kehrte aus Riga mit einem Ingenieurabschluss zurück, Jakob beendete die medizinische Schule in Kiew. 1884 bekam Jakob die Stelle eines Arztes in Chortitza, und Johann wurde als Ingenieur in der Fabrik Lepp & Wallmann eingestellt.
  Später gründete Johann eine kleine Fabrik in der Vorstadt Jekaterinoslaws. 1895 verkaufte er seine Fabrik an eine belgische Gesellschaft und wurde Direktor eines grösseren Unternehmens. 1902 wurde er für einen Stadtposten (Tschlen Uprawy) gewählt. Ihm wurde die technische Abteilung, zu der die Strassenbahn, Wasserversorgung und andere Einrichtungen gehörten, übertragen. 1904 wurde er zum Bürgermeister ernannt. Bei den nächsten Wahlen 1905 wurde er für vier Jahre zu Oberbürgermeister gewählt. Während seiner Bürgermeisterzeit entstanden ein neues Wasserwerk, eine neue Strassenbahn, Kanalisation, zusätzliche Mittelschulen, eine Realschule, ein Gymnasium für Knaben und zwei Mädchengymnasien sowie neue Markthallen. Jm Jahre 1906 erhielt Esau den Orden des Heiligen Stanislaw dritten Grades.
  1909 wurde Esau nicht mehr zum Bürgermeister gewählt. Der politische Wind bekam eine andere Richtung, eine Folge der entstandenen Deutschen-Hetze. Er ging nach Baku, um dort ein neues Wasserwerk zu bauen. Aber die dort gegenwärtigen drei Parteigruppen (die überwiegende armenische und die schwächere russische) waren keine gute Voraussetzung für ein gesundes Arbeitsklima. Er lehnte auch dieses Angebot ab und kehrte wieder zurück, Esau übernahm die Leitung und den Aufbau der allrussischen Ausstellung 1910 in Jekaterinoslaw. 1911 erhielt er den Orden der Heiligen Anna dritten Grades.
  Im Sommer 1914 war Esau in Jalta mit dem Bau einer neuen Eisenbahn beschäftigt. Doch die Nachricht über den Beginn des I. Weltkrieges trieb ihn wieder nach Hause, und er übernahm die Leitung und Verwaltung der Abteilung des Roten Kreuzes für die südliche Armee: im Schwarzmeergebiet, Ukraine, Kaukasus und Rumänien. Schon bald waren zwei voll ausgestattete Schiffe des Roten Kreuzes unterwegs. Auf die Wirkung Esaus erlaubte der Fürst Urussow, dass 2000 Mennoniten unter der Verwaltung Esaus dienen durften. 1914 erhielt Esau den Orden zum Andenken an das 50jährige Jubiläum der Einführung der "Gubernskoje und Ujesdnoje Semskoje Utschreschdenije" (Gouvernements und Distrikt Ländliche Einrichtung) 1864. 1915 erhielt er den letzten Orden, den des Heiligen Wladimir des dritten Grades.
  Nach der politischen Umwälzung 1918 wurde Esau gebeten, den Bürgermeisterposten nochmals zu übernehmen, denn die Stadtwirtschaft war ausser Rand und Band geraten. Nach dem Waffenstillstand verschlechterte sich die Lage merklich, als die demoralisierte Armee die Front verliess und die Arbeiter- und Soldatenarmee die Ueberhand bekamen. Unter diesen Umständen konnte sich Esau nicht länger über Wasser halten. Eines Tages kam eine bewaffnete Bande zu ihm ins Büro und forderte die Uebergabe der Stadtkasse. Das Ende war nicht dramatisch. Esau legte den Banditen ein Dokument zur Unterschrift vor, in dem der Tatbestand festgelegt wurde. Er setzte seinen Hut auf und ging nach Hause. Bald darauf verliessen sie Russland und zogen nach Kalifornien.
    
    
  
Quellen:
1. Diese Steine, die Russlandmennoniten. Adina Reger, Delbert Plett. 2001. Manitoba
   2. Mennonites in Russia. John Friesen, Ed., 1989. Winnipeg
   3. The Old Colony (Chortitza) of Russia. Henry Schapansky. 2001
   4. Register of persons living outside the Chortitza Colony in 1852. Richard D. Thiessen. 2002
   5. Geschichte der Mennoniten in Russland. Epp George, Detmold. 1997
   6. Alt-Evangelische Mennonitische Bruderschaft in Russland. P. M. Friesen. 1911. Halbstadt. S. 693
   7. Als ihre Zeit erfüllt war. Walter Quiring, Helen Bartel, 1963. Canada
   8. Mennonitisches Jahrbuch 1903. Heinrich Dirks. Seite 28
   9. Mennonitische Märtyrer. A. A. Toews. Winnipeg. 1949 S. 384
   10. Mennonitische Märtyrer. Band 2. A. A. Toews. Winnipeg. 1954 S. 231
   11. "Eine Exkursion in den mennonitischen Jekaterinoslaw-Dnepropetrowsk". A. I. Besnosow; O. W. Besnosowa. Dnepropetrowsk in "Die Russlanddeutschen" 3(55) 2008 S. 8 (russisch)
   12. A tak li eto bylo. G. I. Guljajew; W. I. Boljschakow; W. S. Moros. Dnepropetrowsk. 2004 (russisch)
   13. Liste der mennonitischen Industrie- und Handelsunternehmen in Russland.
      14. Особняк семьи Эзау, ул. Комсомольская, 66 в г. Днепропетровск. Stadt Jekaterinoslaw. (russisch)
       
       
Zuletzt geändert
   
am 24 April, 2016