Leninpoler Traditionen

 

Von Margarita Hamm (Email), alle ihre Berichte.

 

Übers Essen. Von Margarita Hamm.

 

Unter Tradition wird in der Regel die Überlieferung der Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten, sowie der Sitten und Gebräuche einer Kultur oder einer Gruppe von Menschen verstanden.  Das Wissen und handwerkliches Können, Rituale, moralische  und Speiseregeln  gehören ebenso dazu. Sinne von Brauchtum und kulturellem Erbe begegnen einem beispielsweise bei Hochzeiten, Beerdigungen und im Zusammenhang mit kirchlichen Feiertagen.
So etwas, das seit vielen Generationen überliefert wurde und als kultureller Wert galt, konnte man in unserem Dorf beobachten.

Unser Dorf wurde gegründet von deutschen Mennoniten in wildem Turkestan.
Im Jahr 1982 wurde das 100-Jährige Bestehen gefeiert. Es war ein Dorf mit Sitten, Kultur und Bräuchen.
Wenn man einen Blick über die gesamte Zeit der Existenz des Dorfes wirft, kann festgestellt werden, dass die Traditionen sehr gepflegt wurden. Aber nicht immer konnten die Gewohnheiten und Sitten voll ausgelebt werden. Die Zeit des Bestehens des Dorfes kann auf drei Perioden geteilt werden.
1. Zeit vor dem Krieg.
2. Kriegs- und Nachkriegs-Jahre.
3. Zeit bis zur Ausreise der Deutschen nach Deutschland (1990 Jahr).

An Leninpoler (Kirgisien) Traditionen erinnere ich mich und will das was ich aus Erzählungen meiner Oma weiß, Eltern und selber Erlebtes auf Papier festhalten.

 

Hochzeit

HOCHZEIT war und ist eine Zeremonie und Feier der Eheschließung. Das Wort „Hochzeit“  kommt von mittelhochdeutsch „hōch(ge)zīt“, althochdeutsch „diuhōhagezīt“ = „hohes Fest“, später „Hochzeitsfeier“. Das Wort ist mit der älteren Bedeutung seit dem 9. Jahrhundert mit der neuen Bedeutung seit dem 15. Jahrhundert belegt.
Wir Plattdeutsche nennen das Fest „Kjast“.
Zum Ursprung des Wortes:
Die Benennung ist heraus gesprungen aus dem Wort „Kost“ (Altnordisch Koost). Im Niederdeutschen steht „Kost“ für Essen, Schmaus.
So galt in niederdeutscher Sprache das „Köste“, als Hochzeitsschmaus, im wichtigsten Fest, das im Leben vorkommt. Später – die Hochzeit selbst.
In einer Beschreibung wie die “Köst“, Fest wo zwei „frien“ zugeht, aus dem 16 Jahrhundert, wird der“Köstedach (Hochzeitstag), die „Köstenlüe (Hochzeitsleute) und der Köstebreef (Hochzeitsgedicht)erwähnt.
http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GK11512#XGK11512
Zu unserer Zeit lernte man sich kennen, verbrachte gemeinsam viele schöne Stunden bis irgendwann der junge Mann seiner Freundin die Frage stellte, ob sie ihn heiraten möchte. Es gab auch, dass die eventuelle Braut auch „Nein“ sagte. Dann hieß es „Der Bräutigam hat einen Korb bekommen“. Bei „Ja“ wurde angefragt bei den Eltern des Mädchens wann er kommen darf, um die Hand Ihrer Tochter“ zu bitten.“.
So kann man sich vorstellen, unter welcher Spannung der junge Mann ins Elternhaus der zukünftigen Braut ging.
Wenn der Freier das Einverständnis bekommen hatte, trafen sich die Eltern von beiden Seiten um Bekanntschaft zu schließen. Da wurde das Datum der Verlobung festgelegt.
Das war eine Vorfeier auf welche die engste Verwandtschaft von beiden Seiten zusammen traf. Bei einem Festmahl wurde alles über die Hochzeitbesprochen. Nur das Datum, wann die Hochzeit stattfinden sollte, wurde mit der Kirche abgestimmt. Denn geheiratet wurde meistens im Frühling oder Sommer. Da im Dorf viele junge Paare heiraten wollten, wurde es der Reihe nach verteilt, um zu vermeiden, dass zwei Hochzeiten auf einen Tag fielen. Nach der Verlobung war das junge Paar offiziell ein Brautpaar und durfte von Verwandten und Bekannten zu so genannten „Braut Visite“ eingeladen werden.

 

Das Hochzeitsfest.


Am Tag vor der Hochzeitbaute man das Zelt im Garten bei einem der Eltern von den Brautleuten auf.
Freunde, Bekannte und Nachbarn leisteten Hilfe.
Das Zelt wurde geschmückt mit Asparagus (Stubengrün). Oder  es wurde   in die Berge gefahren um  feines  Grüns zu holen.  Der Brauttisch, war mit Myrte geschmückt. In der Mitte stand ein Blumenstrauß.
 Alle Hochzeitsfeste fanden Sonntag statt und begangen um 14.00 Uhr. Die Gästedie von außerhalb des Dorfes kamen und schon früher da waren, bekamen vor dem Anfang der Hochzeit ein Mittagsessen im Hause von einem der Brautleuten.
Zu der Zeit als ich heiratete (1974 Jahr) verlief die  Feier zu Hause im Zelt.
Die Hochzeitspredigt,  die Trauhandlung und Gratulationen der Eltern dauerten bis 16.00 Uhr.
Danach gab es für alle Hochzeitsgäste Kaffee und Kuchen.
In Reihen gestellte Tische waren reichgedeckt und nahmen die Gäste lockend in Empfang.  Auf den Tischen waren für eine Hochzeit typische Kringel „Tweiback“, gefüllter Kuchen (Jefellda Kuck) und verschiedene Ruhrkuchen. In den 80 Jahren sogar Leninpoler Torte und Hefeschnecken (Pljuschki).
Wenn die Gastgeber wohlhabend waren, standen auf den Tischen gebratene Frikadellen (Klops) und Käse. Kaffee (Prips) oder Tee bekam man von den Bedienern, die mit einem Kessel in der Hand durch die Reihen gingen und jedem auf Wunsch das Getränk einschenkten. Aufgebrüht wurde nur schwarzer Tee. Milch und Zucker standen auch auf den Tischen.
Dabei muss erwähnt werden, dass es keine Tischdekoration gab.

Nach 1980 folgte eine Änderung.
Der Hochzeitgottesdienst und die Kirchliche Trauung wurden morgens mit aller Feierlichkeit in der Kirche durchgeführt. Zum Mittagsesen wurde extra eingeladen. Die zum Mittagsesseneingeladene Gäste trafen sich bei einem von den Eltern des Brautpaars. Dort wurde gegessen. Es gab ein warmes Gericht. Und zwar ließ sich jeder was einfallen und kochte was Leckeres. Man muss aber sagen, dass öfters wegen Zeitmangel eine Suppe gekocht wurde.  So zum Beispiel eine Kohlsuppe „Borsch“. Sie schmeckte gut und aufgewärmt noch besser, sagte man.
Das Nachmittagsprogrammfand zu Hause im Zelt statt. Die Kirchenjugendliche gaben sich sehr viel Mühe den Nahmittag mit Musik, Liedern, Sketschen und Gedichten zu verschönern.
Anschließend bekamen alle Gäste Kaffe und Kuchen.
Der dritte Teil der Hochzeitsfeier nannte sich „Polterabend“. Es wurden dem jungen Paar die Geschenke überreicht, die vom Brautpaar geöffnet und den Gästen gezeigt wurden.
In den Jahren vor der Ausreise der Deutschen nach Deutschland (1990 J.) wurden die Hochzeiten von Gemeindemitgliedern vollständig in der Kirche gefeiert.

Als Nachfeier (Nuukjast) nannte man das Mahl das am Montagabend gegeben wurde. In Regel übernahm das junge Ehepaardas bewirten der Gäste. Die Frau trug ein Kopftuch, was als Zeichen der Demut vor Gott galt und als Unterordnung des Willensihres Mannes.

Etwas über die Bekleidung

Die Braut hat meistens ein langes weißes Kleid, einen Schleier und einen Kranz aus Myrte getragen .Der Myrtenkranz war mit kleinen weißen Blümchen verziert. 
Alles hat so seine Bedeutung.
Das weiße Kleid und der Schleier symbolisierten die Reinheit und Jungfräulichkeit der Braut.
Der Schleier und der Kranz aus Myrte waren ein Symbol für Liebe und Jungfräulichkeit.
Wenn das Mädchen in diesem Sinne nicht rein war, durfte sie keinen Schleier und Kranz tragen.
Der Bräutigam trug einen Anzug und bekam als Schmuck einen kleinen Bruststrauß (Kritke) aus Myrte. Die Geschwister der Braut und Bräutigam trugen auch kleine Brustzeichen, als nächste Verwandte. Sollte der Bräutigam vorehelichen Geschlechtsverkehr gehabt haben, durfte auch er den Regeln nach, den Bruststrauß nichttragen.

Ein weiterer Brauch war auch, dass die Braut von Zuhause ausgestattet wurde. Bettwäsche, Koch-, Essgeschirr und anderes nötige für den Haushalt wurden Ihr mitgegeben.

Zu älteren Zeiten war es etwas anders. Zu Zeit meiner Oma (1920-30 Jahre) hatte die Endscheidung, wen die Tochter heiraten wird, oft der Vater getroffen. Die Familie von meiner Oma besaß eine große Wirtschaft. Um alles unter Kontrolle zu haben suchte mein Uropa einen Schwiegersohn, der ausgebildet war und diesen Posten übernehmen konnte.
Weil mein Opa rechnerische Kenntnisse hatte, durfte er meine Oma heiraten und in der Wirtschaft mitarbeiten. Es wurde eine Hochzeit gefeiert in achtungsvoller Demut gegenüber Gott und mit einem Mahl gedient.
Als Hochzeitskleid diente ihr Sonntagskleid, das heißt sie war in ihrem Besten Kleid, was sie besaß. Zu der Zeit heirateten viele Mädchen in „schwarz“, diese Farbeunterstrich die Frömmigkeit der Trägerin, war leicht zu säubern und konnte zu verschiedenen Anlässen getragen werden. Der weiße Schleier und der Myrtenkranz hatten die gleiche Bedeutung wie in der späteren Zeit.
Außergewöhnlich war, dass der Vater der Braut (mein Uropa) den Kirgisen, die in der Wirtschaft arbeiteten, zu Ehre der Hochzeit seiner Tochter, ein Kalb gab, für die Durchführung von dem nationalen Pferdespiel „Kok Bor“, das als Kampf um den Körper eines Tieres zwischen Reitern durchgeführt wurde.
Wer konnte sich zu der Zeit so etwas schon erlauben!
Meine Oma wurde auch ausgesteuert. Neben Kücheninventar und Kochgeschirr, kaufte Ihr Vater der neugegründeten Familie ein Haus.

Nach der Hochzeit trugen die Frauen als Kopfbedeckung Schleifen oder Hauben.
Scherzhaft sagte man „sie ist unter die Haube gekommen“, was bedeutete „sie hat geheiratet.“
Haube war ein Gegenstand aus feiner Spitze oder gefaltetem Stoff, den man auf dem Kopf befestigte. Schwarze Haube trug man zu Beerdigungen und weiße zu besonderen Anlässen.

Zu der Zeit meiner Mutter (Nachkriegszeit) stand die Sache mit der Heirat schlecht. Es gab keine Männer, die man heiraten konnte. So im Jahr1954. Mein Vater, der den Arbeitsdienst leistete, kam ins Heimatdorf zu Besuch und bat um die Hand meiner Mutter. Sie heirateten nach einer Woche Bekanntschaft.
Es wurde eine Hochzeit in armen Verhältnissen gefeiert. Anwesend waren die Mütter und Geschwister der Braut und des Bräutigams. Es kamen paar Jugendliche, die das Fest mit Gedichten verschönerten. Zusammen sang man Lieder. Keine Ansprache, keine Trauung. Es war verboten! Es gab ein warmes gemeinsames Essen. Der Reis, den man Zuhause hatte, wurde gekocht und verspeist.
Das Brautpaar trug die Kleidung die sie hatten.

 

Beerdigung

Zu allen Zeiten starben Menschen. 
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ steht in der Bibel. (Hebräer 13:14)

Das Sterben, der Tod ist das Ende des Lebens auf dieser Erde.

Rituale der Beerdigung

Sobald der Tod aufgetreten war, wurden Ihm die Augen und der Mund zugemacht, als Zeichen das der Verstorbener Friede und Ruhe gefunden hat.
Weil die Leiche im eigenen Hause aufgebahrt wurde, viel alles auf die nächsten Verwandte.
Der Heimgegangene wurde gewaschen, frisiert, Hände gefaltet, bekleidet und in die richtige Position im Sarg gebracht. Die Frauen hielten eine Blume in den gefalteten Händen.
Der schwarz gestrichene Holzsarg war von innen mit weißem Stoff ausgelegt. Über die  Sargkante hing eine aus dem gleichen Stoff gestanzte Spitze, die mit seltenen kleinen Myrten  Zweigen geschmückt war.
Von außen auf dem Sarg stand ein mit weißer Farbe geschriebener Spruch aus der Bibel oder auch einfach „Auf Wiedersehn“.
Der Verstorbene hat die Kleider, die Ihm angezogen wurden, meistens noch beim Leben sich selber vorbereitet.
Wenn Kinder oder Jungfrauen starben, wurden sie in weiß gekleidet, da weiß als Symbol der Reinheit galt. Verstorbene Männer und Frauen wurden in dunkle Sachen gekleidet. Frauen bekamen ein Kopftuch oder eine Schleife.

Aufs Bereitsein „ins Heilige Land zu steigen“, durften den Verstorbenen keine Schuhe angezogen werden. Der Tod wurde als ein Übergang von der Erde in das Heilige Land (in den Himmel) gesehen, wo die Begegnung mit Gott geschehen sollte. Aus diesem Grund wurden auch Männerauf Wunsch im weißen Anzug beerdigt. (selten).

Die Beerdigung fand am dritten Tag nach dem Tod statt. Die Trauerfeier, als der Glaube verboten war, fand Zuhause und später in der Kirche statt. Alles geschah bei offenem Sarg. Ab 13.00 Uhr wurde Abschied von dem Verstorbenen genommen. Um 14.00 Uhr begann der Trauergottesdienst. Zur Begleitung der Leiche zum Friedhof bildete sich ein Leichenzug, wo der Sarg von Männern, meistens Angehörigen und Freunden, mit den Füßen nach vorne getragen wurde. Danach folgten die direkte Verwandtschaft, Freunde und Bekannte.
Die Bekleidung der Trauergäste war schlichtdunkel.

Auf dem Friedhof gab es vor dem Beisetzen eine kurze Ansprache, wir Plattdeutschen nannten ihn immer noch „Kjockhof“, obwohl er nicht bei der Kirche lag. Es wurde ein Gebet gesprochen und Lieder gesungen.
Man schloss den Sarg und setzte ihn bei. Dabei wurde drauf geachtet, dass der Blick des Verstorbenen zum Sonnenaufgang gerichtet war.
Das Einscharren erfolgte von Hand. Während das geschah standen alle Trauergäste in Stille. Keiner verließ den Friedhof.
Das Denkmal stellte man auf das Kopfende des Hügels.

Nach der Beisetzung gab es ein gemeinsames Essen, das bei einem, der in der Nähe des Friedhofs lebte, ausgerichtet wurde.
Die Tische waren in Reihen gestellt, schlicht gedeckt und ohne Tischdekoration.
Traditionelles Beerdigungsgebäck:  Kringel, „Tweeback“, „Zockaploots“.
Bei Wohlhabenden gab es Käse und Wurst.
Das Gebäck war schärfer gebacken als zur Hochzeit. Das goldbraune frische Gebäck, mit leicht süßem Duft, gab Hoffnung, dass für die Hinterbliebenen das Leben weiter geht.
Zum Trinken wurde aufgebrühter Kaffee (Prips) und Tee angeboten. Dazu gab es auch Zucker und Milch. Auf so eine Art wurde das letzte Geleit an dem Verstorbenen getan.



Weihnachten

Weihnachten ist ein christlich geprägtes Fest.
Gott ist Mensch geworden, Christus ist geboren, wurde für unsere Sündengekreuzigt, ist am dritten Tag auferstanden und hat damit denen die an Ihn glauben die Tür ins schöne Paradies aufgeschlossen.
Es ist ein Fest der Liebe und des Lichtes. Ist bekannt als Familienfest mit üppigem Essen. Hier in Deutschland sind die Feiertage am 24 und 25 Dezember.

Will etwas schildern, wie das Fest in unserer alten Heimat (Leninpol) in den 60 -90 Jahrendes 19 Jahrhunderts gefeiert wurde.
Die Adventzeit kannten wir nicht. Groß aber heimlich wurde der Heilige Abend gefeiert. „Weihnachtsabend“ nannten wir es.
Schon Anfang Dezember bildeten sich Gruppen von Eltern, die sich zusammentaten, und mit ihren Kindern ein großes Programm vorbereiteten.
Regelmäßig nach der Arbeit brachten die Eltern ihre Kinder zur Probestunde, wo Gedichte und Weihnachtslieder eingeübt wurden. Diese Zusammenkünfte machten den Kindern viel Spaß.

Zum Weihnachtsabend (Heiligen Abend) erschienen die Eltern mit Kindern pünktlich. Es war zwar sehr stressig, denn es war kein Feiertag. Man eilte von der Arbeitsstelle zurück, zog sich und die Kinder schön an und ging zu bestimmter Zeit zum Fest. Das Fest fing spät an, meistens zwischen 19.00 - 20.00 Uhr. Es kamen viele Leute zusammen, deshalb wurde im Voraus schon besprochen, dass man sich beim „Hingehen“ etwas verteilt, um nicht aufzufallen. Denn Weinachten feiern war verboten. Die Polizisten passten auf und wenn sie die Feier bemerkten, verhinderten sie die. Auf Schlitten oder zu Fuß, bei Frost, voller Freude und Erwartung war der Weg kurz. Der Raum, wo der Abend verlaufen sollte, war voller Bänke. In der Ecke stand ein geschmückter Weihnachtsbaum. Die Gardinen waren aus Sicherheitsgründen zugezogen. Die warme nach Tannen und Äpfel duftende Luft nahm die Gäste im Empfang.
Mit der Weihnachtsgeschichte wurde das Festeröffnet und mit den eingeübten Gedichten sowie Weihnachtsliedern fortgesetzt. Zum Schluss des Abends kam der Weihnachtsmann und verteilte den Kindern Tüten mit Walnüssen, Äpfeln und Süßigkeiten.
Voller Freude eilten alle nach Hause.
„Gleich ins Bett“ forderten die Eltern an die Kinder, denn vor Ihnen lag noch das „Weihnachtsbaum schmücken“.
Es war nicht selbstverständlich einen Weihnachtsbaum zu haben, denn die gab es nicht zu kaufen. Sie wuchsen nicht im Ort. Die, die weit in den Bergen wuchsen, durfte man nicht fällen, da die unter Schutz standen.
Da haben unsere Väter eine Lösung gefunden. Ein Stock mit eingebohrten Löchern rundum wurde mit Tannenzweigen vollgestopft und fertig war der Baum.
Wenn der Weihnachtsbaum geschmückt war, wurden die Geschenke unter den Baum gelegt und abgedeckt.

Und noch eine weitere Tradition. In der Nacht wurde man wach von einem lauten Singen. „Nun ist sie erschienen die Himmlische Sonne…“ klang es. Das Herz schlug und die Herrlichkeit erwärmte die Seele.
Gruppen aus jungen Dorfeinwohnern gingen von Haus zu Haus und übertrugen die frohe Kund von Jesus Geburt. Und weil die Tradition bekannt war, lies man die Außentür offen und deckte warmen Tee und dazu gehöriges auf, denn draußen war eine klirrende Kälte.

Am frühen Morgen waren die Kinder als erste wach. Sie bewunderten den Baum und hoben aus Neugier die Ecken des Tuches an, womit die Geschenke abgedeckt waren, um heraus zu finden was jeder kriegt. Erst wurde gefrühstückt, dann kam die Bescherung. Schnell reingeguckt und schon mussten die Kindern zur Schule, die Eltern zur Arbeit. Dabei bekamen die Kinder einen Denkzettel mit, um bei der Frage „wer denn Geschenke bekommen hat“, sich nicht zu melden. Es wurde auf verschiedene Arten versucht herauszufinden, wer Weinachten feiert. Dieses Fest sollte nicht gefeiert werden!
Die echte Freude wurde abends ausgelebt, wenn die Familie wieder zusammen war.
Am Sonntag kam die Verwandtschaft nochmal zusammen, wo mit Beten, Singen und Gedichten Gott gepreist wurde. Es gab ein gemeinsames Essen.
Zur späteren Zeit, wo die Frage „Glaube an Gott“ gelockert war, wurden abends zum heiligen Fest Gottesdienste durchgeführt.
Weinachten wurde immer gefeiert.
Zu Zeiten meiner Oma wurde das heilige Fest ganz offiziell gefeiert. Es wurde ein Weihnachtsbaum aufgestellt, der mit Süßigkeiten, Äpfel und Walnüssen geschmückt war.
Meistens waren es Tannen, die immer grün waren.  „Grün“ symbolisiert die Treue und Hoffnung auf Leben im dunklen Winter.
Im Januar kamen die Kinder und Enkel nochmal zusammen, um noch ein Freudenfest zu feiern. Das war ein Fest der „Plünderung des Weihnachtsbaums“. Sogar ich erinnere mich noch aus meiner Kindheit an dieses Fest. Die Süßigkeiten wurden den Kindern verteilt. Die Freude war groß!

Die ganze Familie ging Weinachten zur Kirche. Danach folgte das traditionelle Mittagsessen (Milchreis mit Zimt und Butter, Obstsuppe aus getrocknetem Obst „Uftmoos“).In den besten Jahren gab es geräucherte, in dünn geschnittene Scheibchen (Schweineunterkieferbacke = „Heuspaten“), so genannt, wegen dem Knochen, der mit seiner Form einem Spaten ähnelt. Auch dieses Gericht schmeckte sehr gut.
Die in großen Mengen gebackene und in Körbe verpackte Plätzchen, wurden auch im Januar noch gegessen.

Meine Mutter hat noch ein Weihnachtsfest in Erinnerung, welches in Zeiten der Not und bei vollem Verbot des Glaubens war.
Es wurde ein Kirschbäumchen reingeholt, ein kleines Licht angezündet und nach Möglichkeit Geschenke verteilt. Das kleine hornige Püppchen aus der Kindheit ist tief ins Gedächtnis meiner Mutter gedrungen. 
Geschenke geben war eine reine Geste der Überbringung von Liebe und Zuneigung, denn Geschenke bringen Freude. Bei den Weihnachtsgeschenken ist das Besondere, dass es sich um eine Nachahmung der Gaben für das Jesuskind zur Geburt handelt. Dabei geht es gleichermaßen um die einfachen Gaben der Hirten wie um die kostbaren Gaben der Weisen und Könige.



Ostern

An Ostern feiern die Christen Jesus Auferstehung von den Toten.
Die älteste Bezeichnung für Ostern "Eostro" geht auf das 8. Jahrhundert zurück und lässt sich mit "Morgenröte" übersetzen. Eostro leitet sich vom indogermanischen Wortstamm "ausos" ab, dass im Griechischen zu "eos" - Sonne - und im Lateinischen zu "aurora" - Morgenröte - wurde.
Das Datum für das Osterfest richtet sich nach dem ersten Frühjahrsvollmond, so wie auch das jüdische „Pessach“-Fest. Pascha bedeutet Hebräisch „vorübergehen“   und erinnert uns an den Auszug aus Ägypten der Israeliten aus der Sklaverei. Die Christen wählten für ihr Fest den Sonntag nach dem ersten Vollmond. Ostern fällt damit jedes Jahr auf ein anderes Datum, frühestens der 22. März und spätestens der 25. April.

Am Donnerstag vor Ostern (Gründonnerstag) nahm Jesus das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern. Das „grün“ beschreibt in diesem Wort nicht die Farbe, sonder „gronan“, was
in Mittelhochdeutsch „weinen“ bedeutet, weil Jesus verhaftet wurde.
Karfreitag oder auch Stiller Freitag genannt, ist der Tag der Kreuzigung Jesus.
Karsamstag ist ein Trauertag.
Morgens am Ostersonntag entdeckten die Frauen das leere Grab. Es ist der Tag der Auferstehung von Jesus.
Am Ostermontag begann das Leben neu.

Osterrituale

Den Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag verbrachte man in Stille. Zurder Zeit wo die Kirche tätig war, wurde mit Gottesdiensten gedient. In der Nacht von Samstag auf Ostersonntag gingen   Gruppen von jungen und älteren Leuten und sangen Osterlieder in jedem Haus, wo die Tür offen war.
-„Er lebt, er lebt,  sieht nur sein Grab ist leer!
Er lebt, er lebt, erstanden ist der Herr!“- Diese frohe Kunde schalte überall im Dorf, hier und dort!
Morgens und abends fanden Gottesdienste statt.
Am Tage suchten die Kinder bunte Ostereier. Das Hühnerei galt als Sinnbild für die Fruchtbarkeit, weil es neues Leben birgt und erzeugt. Die Eier wurden am Tag vorher gekocht und gefärbt.
Die Kinder suchten Eier, die der Osterhase (wurde so gesagt) versteckt hat. Bei gutem Wetter waren die Ostereier im Garten zu suchen, bei Regen und Schnee im Hause.

Vielleicht, weil Ostern mit „Neuen Leben“ zu tun hat und immer im Frühling gefeiert wird, wo auch in der Natur neues Leben beginnt und der Hase als erster Frühlingsbote gilt, ist er auch als Zeichen zum Osterfest geworden. Die Fruchtbarkeit des Hasen ist auch in Acht zu nehmen!

Es gab auch Süßigkeiten und kleine Geschenke.
Die Kinder hatten auch Spaß beim Ostereierkampf. Zwei Eier wurden mit den Spitzen aneinandergeschlagen und der Gewinner war der, dessen Eierspitze nicht zerbrach.
Zu Ostern kamen und kommen auch jetzt üppige und leckere Speisen auf den Tisch. Vor allem das Osterbrot. Das Osterbrot gehört zum Brauch des Fastenbrechens und ist ein süßes Hefegebäck in runder oder ovaler Form, oben mit buntem Zucker oder Eizuckerschaum verziert.



Pfingsten

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes und kommt 50 Tage nach Ostern.
Das Pfingstfest wird auch als „Geburtstag der Kirche“ gezählt.
Über der Bedeutung des Festes war bekannt.
Pfingsten wurde bis 1990 Jahr in Leninpol (Kirgisien) nicht gefeiert, weil es kein Feiertag war. In der Zeit wo es erlaubt war öffentlich an Gott zu glauben, gab es abends Gottesdienste.

 

Erntedankfest

Das Erntedankfest wurde und wird Ende September oder Anfang Oktober gefeiert. Man dankt mit dieser Feier Gott am Ende der Erntezeit dafür, dass er die Früchte, das Gemüse,
das Getreide und anderes hat gedeihen lassen. Das Fest lässt uns auch daran erinnern, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir Essen im Überfluss haben.
Um das Dankfest zu feiern wurde das Gotteshaus mit zusammen gebrachten Gabengeschmückt. In den Jahren vor1990 begann der Gottesdienst um 10.00 morgens, in dem Gott für die guten Gaben geehrt wurde. In der Mittagszeit wurde ein Festmahl serviert.

Mittagessen

Kaltes, gares Rindfleisch mit Senf. Anstatt Brot standen auf den Tischen Brötchen (Tweeback) und Kringel. Es gab auch Tee und anderes Gebäck dazu.
Nach der Mittagspause ging es weiter mit einem großen musikalischen Programm von der Jugend.
Ansprache, Lobpreislieder und Gedichte verschönerten den Nachmittag.
Es gab zu richtiger Zeit Kaffee und Kuchen.

Zum Kaffee und Tee

Viele Sorten von Süßgebäck (Blechkuchen) standen auf den Tischen. Beliebt war auch Obst, besonders Weintrauben.
Das Gebäck wurde von Frauen gebacken, die auch für andere Anlässe backten. Die zugeteilte Menge von Kuchen wurde Zuhause gebacken und Sonntagmorgen zur Kirche gebracht. Die Tischdeckung und Betreuung von Gästen erfolgte durch die Jugendlichen.
Finanziert wurde das Fest aus Spendengeldern.

Erntedankfeste wurden auch in Schulen gefeiert. Die Schüler brachten von zuhause Obst und andere Speisen mit. Alles Zusammengebrachte kam auf den Tisch und wurde gemeinsam verspeist.
Auch in Landwirtschaften wurde gefeiert. So ein Erntedankfest im Jahre 1935 hat meine Mutter (als Kind) besucht. Auch damals wurde ein Mahlgegeben. Für alle Gäste wurde eine Suppe gekocht.

Ja, Tradition war mehr als nur ein Wort. Traditionen waren gewordene Selbstverständlichkeiten, die zu unserem Leben gehörten. Sie wurden gepflegt und weitergegeben.
Leider hat die Übersiedlung nach Deutschland vieles geändert.

Margarethe Hamm               10 Februar 2018.

   
Zuletzt geändert am 16 Mai, 2018