Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 15. Januar 1913, Seite 15. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).
Mühle am Tock, Samara, den 2. Dezember 1912. Zuvor einen herzlichen Gruß an alle Leser. Weil sich wieder eine liebe
gemeldet Freundin hat, so wollte ich gleich alle Freunde und Bekannte aufsuchen.
Du schreibst, ich sollte dir berichten, wie es mir geht in irdischer Beziehung, aber ich habe an all dem nicht große
Freude. Es ist zu unruhig, denn es geht Tag und Nacht: der Absatz ist so groß, daß fast nicht so viel Mehl fertig zu bringen
ist als wir verkaufen können. Daß wir zwei große Mühlen haben, wirst du vielleicht schon gelesen haben, denn ich habe es
schon einmal geschrieben. Du schreibst, Susanna Voth solle auch schreiben; die hat nicht so viel um den Kopf als ich. Ihr
Alter sitzt bloß und flickt Schue, näht auch neue, und das ist seine ganze Arbeit das ganze Jahr hindurch, und sie hat fast
bis jetzt immer Wolle gesponnen, jetzt kann sie es ihrer Füße wegen aber nicht mehr. Uebrigens ist sie dick und fett, besser
gestellt als ich.
Sonntag, den 9. ist bei uns Hochzeit, nämlich Maria und Heinrich haben beide Hochzeit. Dann denke ich, wird Susanne Voth
auch herkommen, denn wir wohnen nicht weit auseinander; es läßt sich gut zufuß hergehen, aber es wird nicht. Nun komme
ich auch zu dir, Maria Friesen, auch ein Marienthaler. Schreibe einmal wieviel von deinen Geschwistern noch leben. Ich bin
neugierig, etwas von euch zu hören, und die Zeit ist kurz, die wir noch zu leben haben. Ich bin schon 62 Jahre alt und ihr
ebenfalls. Schwager Johann Boschmann, dein Brief kommt gar nicht!
Nun seid allesamt gegrüßt von eurer Mitpilgerin
Kath. Tessmann.
Brief von Katharina und Johann Teßmann aus Mühle am Tock, Samara in der "Mennonitische Rundschau" vom 16. April 1913.
Brief von Katharina und Johann Tessmann, Mühle am Tock, Samara. In der "Mennonitische Rundschau" vom 15. April 1914. |