Kopie der Zeitung "Mennonitischer Rundschau" vom 4. April 1900, Seiten 2 und 5. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).
Samara, Kaltan, den 21. Feb. (4. März) 1900. Werte "Rundschau"! Ich bin gerade kein Rundschauleser,
bekomme aber hin und wieder eine Nummer zu lesen und habe oft nachgesucht, ob von meinem Bruder
Abraham Koop irgend eine Nachricht darin stehen würde, - aber nichts von ihm. Vor über drei Jahren schrieb
er uns einmal, daß er von Texas wegziehen wolle, und dann werde er uns seine Adresse schicken, aber leider haben wir bis jeßt noch keinen Brief, auch keine Adresse, sogar keine Nachricht von ihm, ob er noch in Texas oder ob er überhaupt noch am Leben ist. Sollte er (Koop) die "Rundschau" selbst nicht lesen, so sind die Leser höflichst gebeten, ihm doch diese Nachricht mitzuteilen, und daß er gebeten sei, uns wieder ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.
Teile erstens als Nachricht mit, daß unsere Schwester Pauls mir berichtet hat, daß unsere Mutter in Marienthal
krank liegt und schon geschwollene Beine hat; und daß sie somehr im Bette zubringen muß. Sie war schon damals
sehr schwach, als ich von der Molotschnaer Kolonie wegzog hierher nach Samara; aber sie war noch so, daß sie
allerwärts hingehen konnte, obzwar sie manchmal auf ebener Erde hinfiel. Sie ist schon 75 Jahre alt. Wenn es von
hier nicht so weit ab wäre, so wäre ich schon hingefahren. Jeßt aber kostet es ziemlich Geld, denn es sind so an 2000 Werst und müssen 4 bis 5 Tage auf der Eisenbahn fahren, bis wir dort sind. Die Eisenbahn geht jeßt schon bei Franzthal vorbei nach Berdjansk und dürfen nicht weit per Achse fahren.
Auch von den andern Schwägern (Reimers) läßt keiner ein Lebenszeichen von sich sehen. Peter Reimer hat einmal geschrieben, und wir haben seinen Brief auch beantwortet, aber ob er ihn bekommen hat, wissen wir nicht.
Sollte er den Brief bekommen und wir darin Fehler gemacht haben, so bitte ich um Entschuldigung und um einen
baldigen Brief. Von Abraham und Johann Reimer wissen wir gar nichts. Möchten bald von einem jeden Nachricht
haben.
Muß noch berichten, daß wir voriges Jahr eine gesegnete Ernte gehabt haben und es jeßt schon auf dieser
Ansiedlung ein wenig aber, wohl zu sagen, viel besser geht, als es bisher gegangen ist, und ein jeder schaut schon
wieder sehnsuchtsvoll den Zukunft entgegen, indem die Saatzeit immer näher rückt, wo der Landmann seine Saat
wieder auf Hoffnung ausstreuen wird und, wenn Gott Segen und Leben schenkt, in der Ernte was einernten kann.
Die Witterung ist diesen Winter nicht so stürmisch gewesen wie im vorigen, und Schnee haben wir auch nicht
so viel gehabt, aber gefroren hat es eine lange Zeit ziemlich stark. Es sind etlichen Leuten die Hände und Füße
erfroren. Meinem alten Schwager Peter Neufeld sind die Finger angefroren, als er von hier nach der orenburgischen
Ansiedlung zog. Jakob Klassens, von Bogomasow, waren im Schneesturm verirrt und ihm (Klassen) sind Hände und
Füße angefroren; aber sie heilen schon wieder. Gegenwärtig haben wir keine große Kälte; es fällt aber Schnee. Es
ziehen auch viele Leute wieder weiter nach Norden, nämlich nach Ufa und Omsk. Omsk soll noch 2000 Werst weiter
im Nordosten sein, also ungefähr 4000 Werst von der Molotschnaer Kolonie.
Noch einen herzlichen Gruß von uns an alle Freunde, Schwäger, Vettern, Nichten, Onkel, Tanten und Brüder in
der Ferne und Nähe. Eure euch liebenden Freunde und Geschwister.
Thomas und Helena Koop.
Unsere Adresse ist: Gouv. Samara, St. Sorotschinskaja, B. Voth, zur Übergabe an Thomas Koop.
Brief von Thomas und Helena Koop, Kaltan, Neu Samara in der "Mennonitische Rundschau" vom 13. April 1898. |