Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 22. März 1933, Seite 3. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).
Ein Todesurteil
Am 6. März erhielt ich ein Zeitungsblatt aus der Molotschnagegend, welches sich "Deutscher Kollektivist" nennt und so viel mir bekannt ist in Halbstadt, Süd-Rußland gedruckt wird. Daselbst heißt es unter anderem wie folgt:
Am 10. Januar 1933 wurde von der Ausfahrsektion des Dnepropetrowsker Gebietsgerichts das verbrecherische Treiben der Kulaken im Orloffer Kollektiw verhandelt. Auf der Anklagebank saßen: J. H. Warkentin, Wirtschaftsleiter des Kollektiws; A. A. Riediger, Feldbauleiter, J. A. Enns, Buchhalter, der die Buchhaltung so führte, daß sie nur der
Zerseßung und Sprengung des Kollektiws diente. - Ueber diese drei Kulakenschädlinge wurde folgendes Urteil gefällt: J. H. Warkentin und A. A. Riediger zum Höchstausmaß des sozialen Schußes - Tod durch erschißen und Konfiskation des gesamten Vermögens. J. A. Enns zu 10 Jahren Freiheitsentziehung mit Konfiskation des Gesamten Vermögens und nachfolgender Aussiedlung aus der Ukraina auf 5 Jahre.
Will noch etliche kurze Auszüge aus dem Briefe unserer lieben Schwägerin, der Frau des oben erwähnten A. A. Riediger, meines lieben Bruders, mitteilen.
Sie schreibt vom 8. Februar 1933 unter anderem: " Unsere Wirtschaft haben wir räumen müssen. Wohnen jeßt bei Joh. Enns in einem Zimmer. Hier im Hause wohnen vier Familien. Frau Joh. Enns mit 8 Kindern; Frau Jak. Warkentin mit 6 Kindern; Diet. Regehrs mit 3 Kindern und ich mit 5 Kindern. Vorher haben sie uns ganz ausgeraubt und dann
ausgesiedelt. Wie lange wir es noch fortmachen werden, wissen wir nicht. Wenn unser Rat zu Ende sein wird, dann wird Gottes Rat anfangen. Mann erzählt eben im Nebenzimmer, daß schon ein Schalon von Heidelberg abgeschickt ist nach Mittelasien. Ob das auch unser Weg sein wird? Von Abram, meinen l. Mann bisher weiter keine Nachricht erhalten. Der Kopf will manchmal auseinander gehen."
Auch dieses obenerwähnte Zeitungsblatt zeigt uns, wie auch alle Briefe aus Rußland, daß das Elend unter der schrecklichen, kommunistischen Regierung immer größer wird. Und oft fragt man sich dann: "Herr! warum so, und wie lange noch willst du zusehen?" -
Mein lieber Bruder A. A. Riediger hat, so viel ich weiß, nie eine Vollwirtschaft gehabt, sondern war ein bescheidener Kleinwirt und arbeitsam. Seine Briefe, besonders die leßten, zeigten stets von Gottvertrauen und stiller Ergebung. Er war jeßt 56 Jahre alt. Seine Frau ist sehr leidend an den Augen und jeßt in sehr traurigen Verhältnissen. Sollte jemand die Aufgabe vom Herrn haben, dieser Familie eine kleine Unterstüßung zu senden, so ist dieses die Adresse dazu: Frau Margareta Riediger, Kol. Orloff, Post Orloff, Molotsch. Rayona, Melitop. Okruga, Ukraina.
Grüßend
Peter Riediger
Bemerkungen von Lydia Friesen (Esau):
Peter Abram Riediger (17.05.1872, Rosenort, Molotschna, South Russia - 12.12.1969, Coaldale, Alberta) (#215876)
Brief von Unbekannten aus Klinok, Neu-Samara, eingesendet von Peter Riediger.
Abraham Abraham Riediger (12.05.1876, Rosenort, Molotschna, South Russia - 23.12.1937, Russia) (#352864)
Margaretha Jacob Toews (23.06.1885, Ohrloff, Molotschna, South Russia - 5.03.1969, Boehrigen, Sachsen, Germany) (#468337)
Fotos wurden eingesendet von Hilda Dueck (geb. Riediger), Canada: |