Brief von einem Rundschauleser, in der "Mennonitische Rundschau" vom 2. Januar 1901. Heinrichsfeld (später Alexandrowka) erloschen

 

Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau) (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 2. Januar 1901, Seite 5. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).

 

 

Heinrichsfeld bei Apuchtina in Südrußland wurde im Jahre 1861 gegründet. Selbiges Land kaufte man von dem verstorbenen Heinrich Janzen von Silberfeld. Von den eigentlichen Gründern (anfänglich nur acht Familien) jenes Dörfchens sind einige "den Weg alles Fleisches" gegangen, und die übrigen haben sich im Laufe der Zeit von in der Nähe des Uralgebirges bis jenseits des Atlantischen Ozeans zerstreut. Im Jahre 1894 wurde das Dorf im Auftrage der Landbehörde umgenannt und hieß nun statt Heinrichsfeld Russisch - Alexandrowka. Die ganze Dorfsgemeinde, im Besiße von 950 Deßjatinen Land, besaß in leßter Zeit 14 Eigentümer, die sich das Land je nach Vermögen geteilt hatten. Da nun verschiedene Ursachen mehrere der Einsassen zur Gründung eines andern Heims bewogen hatten, so wurde schließlich im verflossenen Sommer die ganze Dorfsgemeinde sich einig und verkaufte all ihr Land samt den darauf befindlichen Gebäuden zu 140 Rbl. per Deßjatine. - Am 21. September dieses Jahres nahmen bei 48 Seelen ihren Abschied von dem ehemaligen Heinrichsfeld, um sich in den Samarischen Kolonien zu zerstreuen, allwo sie je nach Flut oder Ebbe ihres Finanzbehälters Wirtschaften gekauft haben. Unter dem Dußend Elternpaare war wohl jede mögliche Verwandtschaft vertreten. Wirklich eine interessante Gruppe von Reisenden - Eltern und Großeltern, Kinder und Kindeskinder, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten, Vetter und Cousinen - alle begaben sich zur nächstliegenden Eisenbahnstation und zwar samt ihrem Haus- und Wirtschaftsgerät. Da waren greise Väter und Mütter, die von jener Steppe im Zeitraum von 30 Jahren und darüber so manchen Segen genossen.
Den meisten der jungeren Leute galt Heinrichsfeld zugleich als natürlicher Ursprung ihres verschiedenen Zeitalters. Sie hatten dort ihren Eltern Freude und Leid gebracht und waren nun durch Gottes Hilfe zu höhern Stufen hinaufgestiegen. - Was für heilige Gefühle bemächtigen sich doch der Seele beim leßten Ausgange aus seinem jahrelangen so lieben Obdache! Mir wallen da so bunte Bilder der Vergangenheit am Herzen vorüber! Da strömen Erinnerungen von allen Seiten herbei und bedrängen oder erfreuen das Herz, und es zieht uns so feierlich und warm der ewige Magnet! Wer könnte bei solcher Gelegenheit ungerührt bleiben? Wer würde nicht dem Herrn danken, daß er durch Licht und Dunkel bis hierher geholfen! - Nur einer der Nachbarn von "Heinrichsfeld" wendet sich der Mutterkolonie zu, und einzelne bleiben als Wächter nachsißen. Zwei Familien werden zum Frühjahr 1901 noch ins Ufimsche und eine ins Samarische Gouvernement übersiedeln.
Heinrichsfeld (Alexandrowka) ist in einer Zeitperiode von nahe an 40 Jahren gegründet und erloschen. . . . Nach einer Reihe von Jahren ist über der Geschichte
von Heinrichsfeld Gras gewachsen und man gedenkt ihrer wohl nicht mehr.
Ein Rundschauleser.

Bemerkungen von Lydia Friesen (geb. Esau):

Karte Ukraine. Kronberg, Schönbrunn + Silberfeld, Heinrichsfeld, Neuanlage, Apuchtin); ...

 

Unter den 12 Elternpaare, die nach Samara gezogen sind, war auch die Familie David und Katharine Goertzen dabei:

David Franz Goertzen       (20.12.1872 - 30.10.1954) (#239702), geb. in Gnadenheim, Molotschna, gest. in Virgil, Ontario,
Katharine Jacob Pankratz  (04.08.1869 - 30.03.1962) (#228514), geb. in Heinrichsfeld, Schoenfeld, gest. in Virgil, Ontario.

   
Zuletzt geändert am 18 Februar, 2017