Briefe von Unbekannten aus Turkestan aus „Wächter“ und „Gemeindeblatt“; Personalnachrichten und eine Mitteilung über gesammeltes Geld für die Auswanderer in der "Mennonitische Rundschau" Nr. 19 vom 1. Oktober 1882

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 19 vom 1. Oktober 1882, Seiten 1-3. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien.
Es sind uns für diese Nummer direkt aus der dortigen mennonitischen Ansiedlung zwei Briefe zugegangen, die sehr deutlich darthun, wie die Mittel auf der langen und höchst beschwerlichen Reise vollständig ausgegangen sind. Trotz ernstlichem Nachsuchen bei der Regierung, in Privatbanken u.s.w. ist es ihnen bis jetzt nicht gelungen, außer den frühern 25 Rbl. auf die Familie mehr Vorschuß zu erlangen. Wer will da helfen?  Es freut uns, daß sich das Mitgefühl unter unsern Lesern bereits bemerkbar macht. Möchten die Gaben  reichlich einkommen, wir wollen darüber in der „Rundschau“ quittiren, und sie schnell und sicher durch H.E.Stieda  (“...die Geldsendungen sind  durch die Redaktion oder Herrn Steda sicher uns schnell zu bewerkstelligen“...  – entnommen aus der „Rundschau“ -  E.K.) den bedrängten Glaubensgenossen in Asien übermitteln.
Dem in Deutschland erscheinenden „Wächter“ wird aus Südrußland berichtet: „So weit die Nachrichten, welche Schreiber dieses über die mennonitische Auszugsgesellschaft in Turkestan zugekommen, reichen, hat sich dieselbe in drei Hauptparteien zertheilt. Der eine Theil hat auf die allgemeinen gesetzlichen Bedingungen für Uebersiedler nach Turkestan Land zur Besiedelung übernommen. Unter andern Erleichterungen haben solche auch 15 Jahre Freiheit vom Wehrdienst, außer den Jünglingen, welche jetzt schon 15 Jahre alt sind und nach ihren Heimathsrechten den Dienst ableisten müssen. Nach 15 Jahren aber unterliegen sie dort dem vollen Soldatendienst. Der Sonderdienst im Forstwesen  ist ihnen, gleich den künftig aus Amerika zurückwandernden Mennoniten, wie man im Ministerium erklärt hat, ein für allemal verschlossen. Ein andrer Theil jener Geselschaft lagert in Wagen und Schilfhütten schon über zwei Monate auf der Stelle in der Bucharei (Buchara? – E.K.), von welcher sie vertrieben worden. Doch werden sie dort scharf überwacht und hat man gedroht, sie bald wieder fortjagen zu wollen. Sogar will man den Verkehr mit andern Brüdern, welche aus Rußland etwa zum Besuch kommen, nicht zulassen. Klaas Epp mit einem Theil seiner Reisegesellschaft sind auch nach der Grenze abgezogen; Epp hat sowohl Afghanistan als auch einen Ort, etwa 150 Werst weiter in die Bucharei (Buchara – E.K.) hinein, für den rechten Ort der Bergung ausgegeben, welchen zuerst und welchen zuletzt, weiß Schreiber dieses nicht. Ein dritter Theil hat vorläufig seinen Sitz in Taschkent genommen, um abzuwarten.“
Dem „Gemeindeblatt“ entnehmen wir folgende
Correspondenz von der bucharischen Grenze.
Taschkent, den 21. Mai 1882. Lange sind wir „nach Taschkent gefahren,“  bis wir endlich am 11. d. Mts. (diesen Monats – E.K.) auch sagen dürften: „nun sind wir in Taschkent!“ Am 5. Mai brachen wir in Taschkent auf. Krankheit unter den Pferden verursachten langsames Vordringen. In Tschemkent kommt nämlich die große sibirische Poststraße und der von uns gefahrene, nähere Weg ließ uns nun seine Vortheile vor einem fast nur von Karawanen betretenen gut spüren. Außer vielen Troika`s (ein mit 3 Postpferden bespannter Wagen oder Kutsche) begegneten uns täglich sehr viele sartische Fuhrwerke (die mit einem Pferde bespannte Arba) mit Reisenden, meistens aber mit Fracht beladen. Das Reisen auf der Arba, welche für diesen Zweck mit einem Verdeck aus Rohrmatten zu bekommen ist, kommt billiger als per Post. Es geht da wohl nur schritt, doch legt man in einem Tage bis 60 Werst und darüber zurück, die Post dagegen fährt sehr schnell, weil sie aber von Reisenden so besetzt ist, wird ein Privatmann auf den Stationen oft lange aufgehalten. Ein Stationsvorsteher sagte mir, daß bei ihm 41 Pferde stünden; eine fast gleiche Anzahl wird sich demnach auf allen Stationen befinden. Wenn man dazu nimmt, daß die Strecke (112 Werst) von Tschemkent bis hier in 7 Stationen getheilt ist, kann man sich ein Bild von dem regen Verkehr machen. Die Ssarten benutzen die Post wenig; die Frauen müssen ja zu Hause bleiben, die Männer besorgen ihre Geschäfte reisend. Auf dieser Strecke trafen wir auch viel uns entgegenkommendes Militär: ein entlassenes Regiment Soldaten auf Kameelen und Arba`s, interessanter waren aber die Reitertrupps der Kosaken in voller Rüstung auf gutgehaltenen Pferden. Wir sahen nur 7 Abtheilungen (je etwas über 100 Mann, 5 Abth. ein Regiment); im ganzen sollen deren aber aus dem Turkestanischen Gebiet 2000 Mann nach Europa zurückbeordet sein. Ueber die Frage: wohin? wozu? wußten sie selbst keine Auskunft zu geben, doch meinten einige, es stände wohl ein Weltkrieg bevor. „Die Weissagung muß sich ja erfüllen,“ sagnte unter Anderm ein Kosak in ernster Stimmung zu mir, auf die Zustände im Westen hindeutend. Die Gegend durchaus sehr uneben: Thäler und Anhöhen, mit einem Wort Gebirgsland. Von Tschimkent an hatten  wir zur linken Seite des Weges in nicht allzugroßer Entfernung das Karatnugebirge (Karatnu, schwarzer Berg) (Karatau Gebrirge – E.K.) in Sicht, dessen höchster Rücken durchaus mit Schnee bedeckt ist. 

 

Personal-Nachrichten.
Asien – Jakob Reimer, jr., leidet an der Schwindsucht und dem Anscheine nach der Auflösung nahe.
K.D.
D. Braun, fr. Blumenort, ist nicht gesund und fühlt die Beschwerden dieses Pilgerlebens empfindlich.
J.J.

Verehelicht.
Asien.
Wiebe – Peters.
Wwr. Peter W. mit der Wwe. Abr. P (Witwer Peter Wiebe mit Witwe Abraham Peters – E.K.).

Gestorben.
Asien. Die Ehefrau des David Reimer, eine geb. Friesen, an der sog. Klimakrankheit.

Für die mennonitische Gemeinde unter Aeltester Jakob Janzen in Central-Asien sind uns folgende Gaben zugegangen:
Von ** aus dem Staate N.Y. 5 Doll. Von einem Hausvater und den Seinigen in Beatrice, Nebr. 20 Doll. Durch...von der Bruderthaler Gemeinde, Hillsboro, Kans. 71 Dol.
Total: 96 Doll.

Verschiedenes.
Die Kirgisen in der Nähe unserer Glaubensgenossen in Asien schlachteten das Vieh der Deutschen, welches an der Pest dem Tode nahe war, und aßen das gekochte Fleisch mit Apetit; sogar Aas wurde von diesen Kindern des Wildniß verspeißt.

   
Zuletzt geändert am 15 Dezember, 2016