Briefe von W. B. und Cornelius Dück; Auskunft aus Asien in der "Mennonitische Rundschau" Nr. 47 vom 21. November 1883

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 47 vom 21. November 1883, Seiten 1 und unbekannt. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien.
Gnadenthal, den  11 Sept. Da ich bereits aus der „Rundschau“ erfahren, daß wohl mancher unserer Ansiedlung mehr hören möchte, so kam mir der Gedanke, den lieben Lesern etwas aus unseren Bergen mitzutheilen. Unsere ganze Kolonie (welche aus vier Dörfern besteht), hatte sich geeinigt, den Weg, der nach dem Walde führt, auszubessern, und so machten wir uns den 6 September auf den Weg. Es war ein kühler Morgen (Tag), daß ich dachte, wenn wenn wir jetzt sollten in Wasser arbeiten, das würde doch zu kalt sein, als wir aber den Armural (Urmaral – E.K.) erreichten, fanden wir ihn nicht tief und ging auch gut durchzufahren. Dann führt der Weg eine Strecke längs den Armural, bis wir links in eine Schlucht Namens Kapschahai biegen, die von beiden Seiten mit hohen Felswänden umgeben ist. Da sind manche Wunder der Natur zu sehen und die Aussicht ist sehr schön. Unten schlängelt sich ein Fluß hin, der auf vielen Stellen mit Pappeln, Berberos (Berberitze auch Sauerdorn – E.K.), auch Ahorn und wilden Rosen bewachsen ist. Wir müssen diesen Fluß vielmal durchfahren und stellenweise brechen wir uns den Weg durch Gestrüpp und Hügel.Mit vieler Mühe gelang es uns, den Weg durch diese Wildniß ein wenig zu bahnen. Weiter geht es sodann in ein Thal, wo der Weg ziemlich gut ist, eine Strecke von 4 bis 5 Werst, bis wir wieder in eine Schlucht fahren, die Karakajun heißt. Mit dieser ist es gerade das Gegentheil von der vorigen. In der ersten sieht man nur Steine und Gesträuch, während diese sehr fruchtbar zu sein scheint, denn es befinden sich viele Quellen darin, auch haben die Kirgisen da noch ziemlich viel Ackerland, weiter hinauf aber wird das Land nur zum Viehweiden benutzt. Der Boden ist stellenweise sehr weich und sumpfig, daß wir mehrere Strauchbrücken machen müßten. Den 7. ungefähr auf Mittag gelangten wir in den Wald. Zuerst wurde der Wachholderwald in Angriff genommen, der sich bis hoch auf die Berge erstreckt, alsdann fangen auch Tannen an. Wir gingen nun emsig an die Arbeit und mancher baum wurde gefällt. Der Berg ist ganz mit Schnee bedeckt, daß man bis am Knie im Schnee waten muß, wer dann nicht gutes Fußzeug hat, zieht sich leicht Erkältungen zu. Ein Jeder bemühte sich, sein Holz noch am selbigen Tage den Berg hinabzubringen. Nach beendigter Arbeit machten wir Feuer und kochten zu Abend und hielten ein gemeinsames Mal, wobei wir uns erfreuten, daß uns der Herr bis dahin erhalten hatte. Nach beendigter Mahlzeit sangen wir noch das schöne Lied: „Ists auch eine Freude“ u.s.w. Dann hielt B. Joh. Wiebe das Schlußgebet, und wir begaben uns zur Ruhe mit dem Bewußtsein, daß des Herrn Auge auch in dieser tiefen Schlucht über uns offen sein werde, wo wir mit hohen Schneebergen und manchen wilden Thieren umgeben waren. Morgens früh wurde wieder Frühstück gekocht und als wir uns vereinigt hatten, wurde der Liedervers gesungen: „Führe mich o Herr und leite“ u.s.w. und wir konnten dem Herrn froh danken für die Bewahrung in der Nacht. Wir begaben uns nun auf den Heimweg und gelangten den 8. wohlbehalten bei den l. (lieben – E.K.) Unsrigen an. Wenn man so mit einer Fuhre Holz nach Hause kommt, dann giebt es alle Hände voll zu thun. Es werden jetzt Dreschklötze angefertigt, denn die Steine sind nicht so rasch bearbeitet und das Ausreiten geht uns gar zu langsam. Der Getreideertrag ist nicht sehr groß, es gibt ungefähr 20 Pud von der Dessjatine. Der Hafer ist sehr ergiebig, Gerste ganz wenig, Kartoffeln auf gedüngtem Boden sehr gut; weiße Bohnen hats auch schön gegeben. Nun noch einen herzlichen Gruß an alle lieben Freunde, die sich so theilnehmend unser angenommen haben; der Herr wird es euch vielfach vergelten, denn er hat gesagt: „Was ihr meinen geringsten Brüdern gethan habt, das habt iht mir gethan.“ Der Gesundheitszustand ist befriedigend, denn auf unserm Gnadenthaler Friedhofe ist erst die eine Schwester Reimersche begraben. Der Herr wolle uns auch so recht gesund an der Stelle machen. Nun noch ein herzliches Lebewohl allen Freunden und Bekannten hüben und drüben.
W.B.

Nicolaipol, 16. Sept. 1883.
Zum Gruß al alle Leser, Psalm 100.
Da die „Rundschau“ so Manches mittheilt, so wolle man mir zu gut halten, daß auch ich Einiges erzähle, was Einem und dem Anderen zur Belehrung dienen könnte. Der Bericht von Joh.Harms, in No. 16 der „Rundschau“ über die Blöd- und Irrsinnigen im Kansasser Irrenhause gab mir besonders Anlaß, an die Feder zu gehen, da ich, der ich auch an allen Gliedern gelähmt, zu aller Arbeit unfähig, und seit 1879 auch des Gehens unfähig geworden, glaube, wehr Mitgefühl zu haben mit solchen Gefangenen, als mancher Andere. Mit Thränen in den Augen und Seufzer zum himmlischen Vater „Er möchte die Gefangenen alle erlösen“, las ich den Aufsatz, und dankte Gott unserm Heiland für die Gnade, daß ich, obzwar an allen sterblichen Gliedern gefesselt, aber alle, von Gott erhaltenen fünf Sinne und zudem das theure unverdiente Gnadengeschenk (Vergebung meiner Sünde im Blute Jesu gefunden) besitzen darf. So kann ich denn in den oben angeführten Psalm einstimmen. So will ich denn auch etwas umständlich, wenn es nicht zu viel für die „Rundschau“ ist, anführen, seit welcher Zeit ich an meinen Gliedern gelähmt worden: Es war im Jahre 1856 (in meinem dreizehnten Lebensjahr) als ich sechs Wochen krank lag; und nachdem ich anfing zu genesen, spürte ich, daß aus dem rechten Arm die Kräfte werschwinden waren. Da es die Eltern innewurden, was vorging, suchten sie ärtztliche Hilfe, da dieselben aber nichts helfen konnten, auch keine Hoffnung zusprachen, so bliebs dabei, und mit jedem jahr verschwanden die Kräfte immer mehr und das Uebel verbreitete sich immer weiter, bis es endlich den ganzen Körper erfaßte. Und der ich in meinem leichtsinnigen Weilandswandel wenig daran dachte, daß das Uebel größer werde, ging so weit, zumal ich keine Schmerzen hatte, auch noch jetzt nicht habe, arbeitete auch noch bis im 23. Lebensjahre Feldarbeit, und so wurden durch gottlose Wege und Arbeit meine Kräfte zu früh erschöpft. Doch „Gottes Wege sind nicht unsere Wege“ und so gings auch mit mir: Der Herr gab nicht nach, bis er mich endlich überwand. So habe ich den schließlich nut mit Mühe gehen können, bis ich im Jahre 1879, den 4. April, auf ebenem Boden niederfiel und das Bein brach. Seit der Zeit habe ich müssen getragen werden, und muß mein Leben, ist`s des herrn Wille, mit Sitzen zubringen; bin sonst aber dem Leine nach, Dank dem Herrn, schön gesund. Die Hände kann ich auch nicht bis zum Munde empor heben; muß mir dieselben am Tisch stützenbeim Essen, damit ich die Speise zum Mund führen kann. Es sind Viele in Amerika, die mich gekannt haben, und möchte bitten: Daß doch Niemand so leichtsinnig dahin gehen möchte, besonders die Jugend, damit nicht Jemanden auch so etwas widerfahren möchte. So bin ich denn mit zwei Geschwistern, nämlich Anna, Frau des Joh. Martens, und Justina hier, und die Eltern und noch vier Geschwister sind zurückgeblieben. Noch etwas aus Welt und Zeit. Die Ernte ist hier wieder nicht sehr ausgefallen. Es wird nicht ein Jeder auf ein Jahr Auskommen haben. Es ist da in Unkenntniß noch Manches verkehrt gemacht, so wie auch das Unterpflügen des Getreides, welches hier durchaus nicht vortheilhaft ist, einem Manchen die Rechnung verschoben, und manches Herz schaut in die Zukunft von Kummer bedrückt. Kartoffeln, Bohnen, so wie auch einiges andere Gartengemüse, wird, glaube ich, durchgängig hinreichend sein. Das Dreschen ist wohl bis zur Hälfte beendigt; die Witterung ist sehr passend dazu. Es ist noch immer schönes Wetter gewesen, auch noch, ohne einige kleine Nachtfröste, die Anfangs dieses Monats stattfanden. Der Getreidepreis ist jetzt: Weizen @ Batmen (12 Pud) 4 Rbl., Gerste und Hafer etwa 2 bis 2 Rbl. 50 Kop. und Roggen auch so. Kartoffeln von 30 bis 60 Kop. @ Pud. Die Weizen 30 und eine Art Braune, werden ziemlich groß, 60 Kop...... Indem ich alle l. (lieben – E.K.) bekannten herzlich grüße, bitte ich noch, meiner nach Lein und Seele vor Gott zu gedenken.
Cornelius Dück,
fr. Wernersdorf, Rßl.
N.B. (Notebene so wie P.S. – E.K.)Bringe auch noch meinerseits den herzlichen dank für die Liebesgaben, die wir von den amerikanischen Mitbrüdern empfangen. Der Herr wolle es nach seiner Verheißung den l. (lieben – E.K.) Gebern vergelten.
K.D. (wahrscheinlich C.D. Cornelius Dück - E.K.)

Erkundigung – Auskunft
Kornelius Dück, fr. Wernersdorf, Rßl., bittet um die Adressen der Folgenden: Peter Wolf, fr. Wernersdorf, Rßl.; David Schapansky, fr.Schönwiese, Rßl.
Johann Martens, Asien, hätte gern die Adresse seines Onkels Absalon Martens, jetzt in Nebraska, Amerika.
Jakob Stoble, Asien, wünscht die Adresse seines Onkels Heinrich Stoble, fr. Sparrau, und von Jakob Klassen, ebenfalls fr. Sparrau, Rßl.
(Die Briefe an den Letzteren sende man nach Leslie, Reno Co., Kansas – Edr.(Editor – E.K.))
Cornelius Reimer, Asien, hätte gerne die Adresse des Gerh. Fast, früher Gnadenheim, Rßl.

   
Zuletzt geändert am 11 Dezember, 2016