Brief von Johann und Helena Regehr aus Taschkent, Turkestan in der "Mennonitische Rundschau" Nr. 14 vom 15 Dezember 1881

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung „Mennonitische Rundschau“, Nr. 14 vom 15 Dezember 1881, Seiten 1-2. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Kopie eines Briefes aus Taschkent vom 16. September 1881.
Gelibte Geschwister!
Der Friede des Herrn sei mit Euch! Es ist 10 Uhr Abends und ich setze mich jetzt nieder, um an Euch einen Brief zu schreiben. Ich kann es nicht lassen, Euch über unsern jetzigen Zustand zu berichten. Der Herr führt wunderbar, aber doch endlich herrlich hinaus, das ist auch mein Glaube, darum bin ich getrost und danke Gott für seine Gnade, die wir noch immer haben erfahren dürfen. Wir sind noch, Gott sei Dank, sammt unsern Kindern so ziemlich gesund, jedoch hat Gott unsere Gesellschaft sehr mit Krankheit und Tod heimgesucht, gegenwärtig krank sind folgende: Abr.Peters, sein Schwager Abr.Koop und etliche Kinder. Durch den Tod in die Ewigkeit gegangen sind: Die Eheleute Korn.Wedel und deren Sohn Johann, welcher dem Vater eine Woche voran heim ging. Ihnen sind 6 arme Waisen nachgeblieben. Am vorigen Montag haben wir die Ehefr. Des Peter Wiebe, geb. Dück, begraben, Es sind hier im Ganzen schon 6 Frauen, mehrere Jünglinge und Kinder gestorben. Uns hat der Herr bis jetzt gnädiglich verschont, jedoch war auch meine liebe Ehefrau und unsere Tochter Kornelia schwer krank; ich und die andern Kindern waren auch ein wenig kränkelnd, sind dabei aber auf den Beinen geblieben. Wir haben jetzt wieder, wie vor einem Jahre, unsern Wagen verladen, um weiter zu reisen, und zwar soll es jetzt nach Buchara gehen. Mit uns gehen noch 9 Wagen dorthin und andere 9 Wagen sind uns schon voran, mit den Wolgaer-Brüdern, dorthin gegangen. Die übrigen noch zurück bleibenden Brüder werden wahrscheinlich hier verweilen bis zum künftigen Frühjahr oder bis die von Euch im vorigen Sommer abgereisten Brüder hier in Taschkent eingetroffen. Wir glauben, daß der Herr unsern Ort dort bereitet hat, auf wie lange Zeit, weiß nur Der, dem alle Dinge bekannt sind. Weil uns unsere Glaubensfreiheit hier nicht gewährt wird, müssen wir nach Buchara, welches Land gegenwärtig unter russischem Schutze, aber in gewisser Beziehung mehr für sich dasteht, wenn auch die Bewohner desselben an Rußland Tribut zahlen.
Wenn wir den Leuten hier sagen, daß wir in Beziehung des Militärs nichts thun können, sagt man uns: „Geht nach Buchara.“ Man läßt uns sammt unsern Kindern ungehindert gehen, jedoch bekommen Einige rothe Pässe. Ich halte dies für ein Wunder und eine besondere Führung Gottes. Da ist`s wieder, was Gott durch seinen Geist dem Johannes sagt, von der Gemeine (Gemeinde – EK) zu Philadelphia: „Ich habe vor dir gegeben eine offene Thür und Niemand wird sie zuschließen.“ Mir fällt es noch oft schwer aufs Herz, wenn ich daran denke, wie ich oft bei unserem Beisammensein mit Euch von der Uebernahme Eurer Dienstpflichten sprach; da war zwar Einer und der Andere, die da glaubten,  daß diese Uebernahme nicht recht sei, über man blieb an der Frage: Wohin? Dennoch aber sah man, wie es unter unserm Volke so finster geworden, daß man nicht mehr glauben konnte, daß der Herr keine Gemeine (Gemeinde – E.K.), die Er in viel Noth und Elend bisher erhalten, auch ferner erhalten, und ihr einen Ort auf Erden geben werde, wo sie nach ihrer Väter Weise leben könnte. Doch aber wird der Herr auch dort die Seinen erhalten, aber wer weiß, wie viele behalten bleiben, wenn die Vesuchung so groß wird, daß der Glaube nicht mehr der ist, der sich nur unter dem Gesetz der Freiheit bewegt, sondern unter dem Gesetze der Welt steht.
Wer kann zwei Herren dienen? Oder wer ist der, der dem Herrn Jehova angehört, und von seinem Geiste sich beleben läßt? Antw.: Ein Solcher, der bereit ist, wenn es darauf ankommt, Alles daran zu geben und wäre es auch das Leben. Zwar gibt es oft recht schwere Stunden für einen Christen und scheint es manchmal als hätte ihn Gott verlassen, so muß doch dem Gerechten immer wieder das Licht aufgehen, und Trost ins Herz hinein kommen, denn der Herr prüft die Herzen.
Liebe Brüder, schreibet mir doch, wie es Euch in Allem geht, wir wollen uns doch nicht vergessen, wenn wir auch jetzt nach Buchara gehen; gedenket doch unser in Eurem Gebet, denn es ist nöthig, da´wir uns einander aufmuntern, weil wir noch leben. Wenn wir auch weit von einander getrennt sind, die Briefe von Euch gelangen doch in Monatsfrist zu uns. Von hier bis Buchara haben wir noch 600 Werst, aber Eure Briefe werden uns auch dort finden, indem unsere hiesigen Brüder uns dieselben zustellen wollen. Wenn ihr schreibt, so versteht Eure Briefe mit der Adresse des Br. Abr.Peters, derselbe bleibt noch hier. Nun ich werde jetzt schließen, es ist bereits Mitternacht und ich will mich zur Ruhe begeben. Morgen will ich noch einen Karren (althochdeutsch Karra – E.K.) beladen. Weil ich nur einen Wagen habe, so habe ich noch einen Karren angenommen, welcher mit 32 Pud beladen wird und 20 Rubel kostet. Ich habe noch meine beiden Stutten und ein Fohlen, welches ich von Br. Dürksen gekauft habe, und konnte ich für diese drei Pferde 500 Rubel lösen, aber meine Frau sagte, ich sollte es nicht thun; diese Pferde haben uns so weit gebracht, und wenn sie leben bleiben, sollen sie uns auch noch weiter bringen. Nun, so seid Alle gegrüßet und grüßet auch die Brüder bei Blumenheim von Euren Geschwistern
Johann u. Helena Regehr,
früher in Hamberg.
(Kopiert von Joh.Töws.)

   
Zuletzt geändert am 17 Oktober, 2016