Drei Briefe von Kornelius Goossen, F.B. und H. Funk aus Taschkent, Turkestan und ein Redaktionskommentar in "Mennonitische Rundschau" Nr. 22, 15 April 1881

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung „Mennonitische Rundschau“, Nr. 22, 15 April 1881, Seiten 1-3. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien. Taschkent, 1. Januar 1881.
Im Herrn geliebte Geschwister und Eltern! Wir glauben doch daß Ihr unsern zweiten Brief, den wir in Irgis auf die Post gegeben, werdet erhalten haben; hier folgt nun der dritte. Den 20sten Okt. sind wir auf Mittag in Gottes Namen von Irgis abgereist in die Wüste hinein, gleich schwerer Weg; am 21. der Weg leicht, sehr schönes Wetter; am 22. etwas mehr Sand, sehr heiß, 24 Werst gefahren; bis am 25. sehr schönes Wetter und guter Weg und 7 Werst Sand. Sonntag den 26. an einem Landsee Ruhetag gehalten, am 27. kalten Wind 3 Werst Sand; es geht uns sehr gut, Aue gesund (Alle? – E.K.); am 28. bis 8 und am 29. bis 10 Werst Sand, etwas kalt; am 30. sind wir durch Gottes Güte und Hilfe durch die Wüste hindurch und in die Stadt Kosalinski (Kasalinsk – E.K.) gekommen; von Irgis bis Kosalinski sind 20 Poststationen oder 360 Werst. Die Wüßte wurde uns in der alten Heimath so schwierig dargestellt daß es fast unmöglich wäre zu reisen, und uns selbst war die Sache recht bedenklich wegen dem Sand und nun wären wir es bald nicht innegeworden; wenn Ihr euch noch erinnert an Münsterberg und Tiegenhagen, da geht es zuweilen schlechter; haben auch (außer einem Tage) immer Wasser genug gehabt für die Pferde. Den 31. haben wir uns mit Futter und Nahrung versorgt; hier diesseit der Wüste ist nicht Hafer und Heu, sondern Gerste und Klee, für die Gerste zahlten wir 1 Rub. Per Pud und Klee 3 Kop. für eine Garbe. Am 1. November sind wir durch Gottes Gnade wieder abgefahren; sehr kalt, bis am 5. sehr gefroren, dann wieder warm daß die Kinder barfuß laufen; am 6. nach der Stadt Kamieschi gekommen, hier Futter und Nahrung besorgt und am 7. früh weiter gereist. Am 8. starker Ostwind. Sonntag am 9. ein heller Tag und in einem Stalle Gottesdienst gehalten, unser Sohn Peter krank geworden. Am 10. heiter und schön; am 11. in der Stadt Fortgeroffke (FortPerowsk, heute Kysylorda – E.K.) angekommen, 10 Grad kalt; der alte Wedel von Waldheim ist des Nachts verschwunden; er war  gegangen, seine Nothdurft zu verrichten und da wir an einem großen Fluße waren, so glaubten wir, ob er ist in den Fluß gerathen; haben es in der Stadt gemeldet am 12. da gelegen und gesucht, jedoch keine Spuren. Am 13. sind wir weiter gefahren; ziemlich kalt, ebenso auch am 14. Ihr lieben Geschwister werdet wohl sagen: Wie muß es euch doch aber schlecht gehen bei solcher Kälte. Darauf antworte ich: Unser Vater im Himmel sorgt für uns und wir sind unverzagt; Holz und Wald finden wir hier so viel es könnten noch tausend Familien hier reisen dann würde noch nicht zu sehen sein, daß es weniger würde; dann machen wir Kohlen von Holz und nehmen sie im Eimer in den Wagen und der Ofen ist fertig. Rindfleisch oder Schaffleisch kaufen wir hier zu 5 Kop., und Fische, solche welche bei Euch 30 Kop. kosten kaufen wir zu 10 Kop. Am 15. sind wir nach der Stadt Schulikk (??? – E.K.), es sind von Fortgerafki (FortPerowsk – E.K.) bis Schulikk 170 Werst. Sonntag am 16. schönes Wetter, am 17. wieder kalt, am 18. starker Nachtfrost, des Tages sehr schön. Unser Sohn Peter noch immer krank. Am 19. und 20. kalt, am 21. sehr geregnet, auf Mittag in der Stadt Turkestan angekommen, von Schulikk bis Turkestan sind 208 Werst. Heute ist Dietrich Wiensen ihr Sohn Dietrich gestorben, über 14 Tage krank gewesen; einen Sohn Namens Aaron haben Wiensen in der Wüste begraben. Johann Bärgens von Fischau ein kleiner Sohn geboren. Hier zahlen wir für die Gerste per Pud 86 Kop., Klee 2 ½ Kop. die Garbe, für Bulke (Weizenbrod) 5 Kop. per Pf. (Bulke heißt hier Kolatsch.) Rosinen 6 und Reis 3 Kop. per Pf.; Reis und Rosinen ist viel unsre Kost, Arbusen (Wassermelonen – E.K.) von der Größe eines großen Eimers 8-10 Kop. das Stück, Kartoffeln sind hier theuer 1.40 Kop. per Pud, Schafflesch kostet hier 3-4 Kop. das Pf.
Am 22. haben wir bei sehr schönem Wetter unsere Reise durch Gottes Gnade wieder angetreten; Sonntag 23. bei einem hübschen Dorf Ruhetag gehalten, etwas kalt. Ich muß noch bemerken, daß wir uns recht des Brennholzes halber nach dem Walde sehnen, welchen wir nun hinter uns haben; doch hier auf der Steppe sind solche hohe „Strempel“ *) welche sehr brennen, die sammeln wir oder kaufen sie von den Kirgisen. Am 24. und 25. sehr glücklich gereist, sehr schön, die Sonne erwärmt uns. Am 26. des Abends  die Stadt Schemkent (Tschemkent – E.K.) erreicht; heute hatten wir schweren Weg, der Schnee welcher hier gelegen, war aufgethaut; von Turkestan bis Schemkent sind 150 Werst. Am 27. sehr geregnet, Ruhetag gehalten und Fischauer Bärgens ihren kleinen Sohn begraben; 6 Tage alt geworden. Am 28. sind wir wieder aufgebrochen, sehr warm; am 29. geregnet und wir hatten einen sehr großen 3 Werst hohen Berg zu übersteigen.; das schien uns fast unmöglich, machten gleich fertig zu 4 Pferden und kletterten bis Mittag alle hinauf; heute nur 8 Werst gefahren. Da sind uns 4 Wolgaer Brüder, welche vor uns gereist sind entgegengekommen und haben uns eine große Freude erzählt, daß unsere Wohnungen in Taschkent schon fertig wären. Sonntag den 30. schönes Wetter, Kor. Ekken, Friedensdorf, einen kleinen Sohn begraben. Am 1. Dez. sehr schön, die Kinder laufen barfuß. Dienstag den 2. Dez. sind wir durch Gottes gnädige Führung in der neuen Heimath in Taschkent eine Stunde vor Abend angekommen; jetzt sind wir da, wohin wir uns auf unsrer beschwerlichen Reise oft gewünscht haben, u. wie uns jetzt zu Muthe ist werdet Ihr lieben Geschwister wohl mitfühlen, und wir danken unserm Vater im Himmel durch Jesum Christum daß Er uns Alle Gesund unsere neue Heimath hat erreichen lassen. Am 3. geregnet; am 4. sind wir in unsere neue Wohnung eingezogen uns sitzen in der warmen Srube am Kamin und trinken an unserm Tische Thee.
Seht l. (liebe – E.K.) Geschwister, das hat der Herr unser Gott durch General  Kaufmann gethan, daß wir 56 Wohnungen haben fertig gefunden, und noch dazu ein großes haus zur Schule und wo wir Gottesdienst halten können; es wird schon Schule gehalten, unser Schwager Jakob Janzen ist Lehrer.
Nun werdet Ihr auch neugierig sein zu wissen, was die Reise gekostet hat. Von Waldheim bis hier, 3900 Werst in 4 Monat gereist, hat 220 Rub. gekostet. Es ist auf der Reise so manches vorgefallen auch schwierige Stellen, und zurück möchten wir es nicht fahren, wir wünschen uns auch gar nicht zurück; jedoch wenn ich die ganze Sache so äußerlich betrachte, hat man doch keine Durchsicht wenn wir unser eigen Brod werden ernten oder essen können. Die Gerste kostet hier 65 Kop. das Pud, Klee 3 ½ die Garbe; im Ofen zum Heizen hatten wir im Anfang Holz; das war aber zu theuer, jetzt heizen wir mit Rohr (Schilf? – E.K.) das Bund zu 5-6-8 Kop.; das ist aber viel länger als wir aus der alten Heimat gewohnt sind. Hier ist auch schon etwas zu verdienen; Kiesel fahren für die Krone zur Chaussee (Chaussee - gut ausgebaute Landstraße – E.K.), ich habe 6 Fuhren beigeren (beigefahren? – E.K.); auch habe ich zu den Feiertagen 3 Paar Schuhe gemacht. Nun stehen wir vor den Feiertagen und es ist noch sehr gelindes Wetter, es hat noch nur eine Nacht an den untersten Fensterscheiben ein wenig gefroren. Am 20. Dez. ist unsere Tochter Anna krank geworden, es wird wohl das Fieber sein; heute Sonntag nach dem, letzten Freitag ist sie noch krank die mehrste Zeit im Bett. In der alten Heimath wurde uns das Volk was wir antreffen würden, als grausam geschildert; wir müßten uns mit Gewhren versehen u.s.w.; es hat sich aber ganz anders gestaltet; das Volk ist so freundlich gegen uns, nur schade daß wir nicht mit ihnen sprechen können; es ist uns auf dem Wege auch nie Furcht eingekommen vor schlechten Menschen.
Liebe Geschwister, wie steht es dort in der alten Heimath und wie geht es Euch Allen? Wir sind schon recht neugierig, Nachricht von Euch zu erhalten, müssen aber noch lange warten denn wir sind sehr weit von einander entfernt. Sollte es denn des Herrn Wille sein uns schon nicht wehr zu sehen in diesem Leben? Oder ist euch vielleicht unser Auszug auch schon etwas klar geworden, daß wir nahe an der Zukunft des Herrn sind? Prüft die gegenwärtige Zeit,...
Ein Mehreres wie es hier ist, und von Landannehmen, wie und wo, werde ich ein andermal berichten. Fünfzehn Jahre sind wir von Allem frei. Nun Euch dem Herrn anbefohlen bitte ich dieses Schreiben in Liebe anzunehmen mit innigst herzlichen Grüßen von uns gesendet. Grüßet doch alle Onkel, Tante, Nichten und Vetters. Ihr kennt sie ja Alle, denn an Alle zu schreiben erlaubt uns die Zeit nicht, doch unsere tägliche Bitte ist, daß der Herr uns Alle würdig und geschickt machen wolle vor Ihm zu stehen. Seid nochmals gegrüßet von Euren Geschwistern.
Kornelius Goossen.

*) Holzähnliche Stämme einiger hohen Steppenkräuter - Editor

 

Einer interessanten Correspondenz des „Zur Heimath“ entnehmen wir noch Folgendes:
„Von Taschkent sind wir 20 Werst ab und muß viel dorthin gefahren werden. Auch Taschkent kann und will ich diesmal beschreiben. Wir hatten Verschiedenes zu thun, unsre und der Andern Wohnungen einzurichten, Futter und Brennmaterial herbeizuschaffen. Nun sagten uns die hiesigen Leute, daß jetzt der Winter, hier Regen und Schnee, Frost und Wärme durcheinander, deren Resultat Schmutz sein muß, bald anfangen und unsre Arbeit hindern werde. Die andern Brüder von der Wolga waren aber noch sechs Wochen, die Molotschnaer neuen Wochen hinter uns zurück wie sollten die die denn herkommen? Und wie bangte uns für die Gesundheit der Nachkommenden! Wir hatten 11 Kindlein auf der Reise verloren, mit unsrer Kleinen 12, wie viele dachten wir, würden sie dann wol hergeben müssen? Nun, erhielten Nachricht von ihnen aus Karmaktchi, wo sie schon 10 Grad Frost zu leiden hatten, dann von Turkestan durch einen Juden (? – E.K.) Nun rechneten wir schon die Tage noch. Der Herr ließ wol regnen und schneien, aber auch wieder frieren und trocnen, und so kamen sie denn Montag den 24. November hier an. Ich war nicht zu Hause, sondern mit Fuhren nach Patzen (Lehmziegeln) gefahren und fand sie schon dort. Nein die Freude! Und keine Kranke unter ihnen, trotzdem sie 13 Grad Kälte bekamen, durch beinahe fußtiefen Schnee hatten schreiten müssen, von Regen durchnäßt und von Frost erstarrt waren. Begraben hatten sie unterwegs nur ein Zwillingspaar, an demselben Orte, wo es das Licht der Welt erblickte. Und nun erst die Molotschnaer Brüder! Montag den 2 Dezember rückten sie in Taschkent ein wo ihnen der General-Gouverneur hatte Wohnungen machen lassen. Denkt euch, sie, der größte Zug von 63 Wagen, hatten den Weg, zu dem wir 15 Wochen brauchten, in 13 Wochen zurückgelegt! Durch den tiefsten Sand hatte der Herr durch Regen und Frost den Weg so zubereitet, durchfahren konnten. Sie, sowie die zweite Partie waren über Orsk gefahren, wo sie zwar schweren Weg, aber besser Futter hatten. An den Brunnen der Wüste, wo unsre 43 Pferde kaum satt wurden, sind auch ihre 150 satt geworden! Das hat der Herr gethan und ist ein Wunder vor unsern Augen! Ja auf Adlerflügeln hat der Herr die Erstlinge seines Volkes 2600 und 3600 Werst (ca 1700 und 2400 engl. Meilen) geführt. Noch eins geliebte Freunde! Noch ist mir die Warnung: „Verlasset euch nicht auf Fürsten!“ wohl im Andenken. Nun so hbret (??? – E.K.) was hier der Generalgouverneur Kauffmann unsern Deputierten sagte, als sie ihm für das Engegenkommen dankten: „Gott wird Ihnen weiter helfen!“ war der Schluß der Unterhaltung von seiner Seite. So ist die Obrigkeit Gottes Dienerinuns zu gut! Mehr erwarten wir von ihr nicht. Das walte (wollte? – E.K.) Gott.
Morgen, so Gott will, fahren wir nach Taschkent, um Sonntag im Verein mit den Molotschnaer Brüdern, deren Aeltesten Abraham Peters auch wir als unsern Aeltesten anerkannt haben, das Mahl des Herrn und das Fußwaschen zu begehen und uns darnach im Liebesmahle mit ihnen zu vereinigen.“    (F.B.)

 

Taschkent, 22 Dezember 1880. Gott zum Gruß aus der Ferne! Vielgeliebter Schwager! Indem wir nach einer 18 wöchentlichen Reise hier in Taschkent angelangt sind, so will ich Euch denn auch ein wenig von unserer Reise mittbeteilen.......
So will ich denn gleich von Orenburg bis zur Sandwüste gehen, welches Euch wohl das schwierigste vorkommt, und uns erst auch, jetzt aber nicht. Bei Irgis fängt sich die Wüste an und bis Koslinski (Kasalinsk – E.K.) sind ungefähr 300 Werst. Ich kaufte mir noch ein Pferd, einen alten Fuchs für 25 Rubl., und den Hafer luden wir auf Kameele, welche wir immer bei uns hatten, denn Futter ist keins zu haben in der Wüste, da sind Stationen, aber die verkaufen kein Futter. Heu nahmen wir mit so viel wir konnten, das kauften wir zu 10 Kop. das Pud. Das Wasser ist auf Stellen 2 bis 3 Werst von der Station ab, oftmals waren die Brunnen auch leer, wenn wir hinkamen denn da gehen viele Karawanen mit Kameelen; doch das Wasser kommt schnell zu, und ist auch ziemlich gutes Wasser. Nur einen Tag hatten wir nicht aufgepaßt und waren einen Brunnen vorbei gefahren; da mußten wir den Tag über ohne Wasser fahren. Ueberhaupt hat das Fahren sehr gut gegangen, denn da sind nur kurze Strecken sand, die längsten sind 7 Werst, dann 1 ½ , 3-4 sonst guter Weg, ja lange Strecken besser wie außer der Wüste. Die Witterung war uns aber auch günstig, es war still und hatte kürzlich geregnet. Als wir mitten in der 7 Werst  langen Sandfläche waren, kamen wir an eine Ecke des Kaspischen Meeres; dort tränkten wir unsere Pferde, weil das Wasser aber schlecht war, so fiel mir mein bester Wallach (ein männliches, kastriertes Pferd – E.K.), also hatte ich nur wieder zwei, die Stute und den alten magern Fuchs, bin aber immer  weggefahren ohne vorgelegt. Da könnt ihr schon wissen, daß die Wüste nicht aufs schwierigste ist; ich habe es mir immer viel schwieriger vorgestellt. Deswegen laßt euch nur nicht abschrecken, wer da Lust zum Herkommen hat, aber zu frühe will ich euch nicht rathen, daß ihr in der großen Hitze in die Wüste kommt, dann würde es doch mehr darauf ankommen, aber auch nicht zu spät, damit ihr nicht solche Kälte durchmachenmüßt, wie wir haben. Zum Glück fuhren wir in der größten Kälte in lauter Gestrauch und Waldungen, da haben wir so manches Stück Holz verbrannt. Da ist eine Sorte Holz die sehr hart ist, und sehr heizt, damit werden auch auf Schiffen des Südaria (Syrdarja – E.K.) Flusses die Dampfkessel geheizt. Gefüttert und genächtet haben wir mehrentheils an Flüssen und fast immer gutes Wasser gehabt. Längst dem Uralflusse sind wir auch eine lange Strecke gefahren, auch über das Uralgebirg, welches mir sehr merkwürdig war. Es war sehr hoch, und doch sind wir da wenig von inne geworden, es ging immer so den Schluchten nach, und an den Seiten waren große Steinklippen, inzwischen auch noch schöne Thäler und Wasserquellen, wo wir manchesmal gefüttert und genächtet haben. Ja auf solchem Wege muß man die Allmacht Gottes doch so recht bewundern, und wenn ich Alles sollte beschreiben, was wir angetroffen haben, dann würde ich viel Papier brauchen, aber da werden viele Briefe kommen, sucht Euch nur auf, was Einer nicht schreibt, wird vielleicht der Andere, und dann macht Euch nur mit Gottes Hilfe auf die Reise. Er hat uns geholfen und wird auch Euch helfen, wenn Ihr euch nur auf Ihn verlaßt. Fahrt bis zur Wolga zu Wasser, Unterwagen nehmt mit, und dort macht ihr euch einen Wagenkasten, Holz ist dort sehr billig und Pferde auch, denn dort ist der Weg gerade am schlechtesten. Futter und Nahrung ist überall zu bekommen, aber stellweise theuer. Die Reise hat uns 250 Rubl. Gekostet, wir haben uns aber auch mehrere Kleidungsstücke gekauft. Ich muß sagen daß ich mir die Reise viel theurer und schwieriger vorgestellt. Ferner wird dort von den rohen Menschen viel gesprochen und ist doch gar nichts zu befürchten; hier sind Kirgisen auch Tataren, sind indessen wenig zu unterscheiden. Sprache wol ziemlich gleich, nur schade, man kann so wenig mit ihnen sprechen; russisch können sie nicht, wenn man zu ihnen spricht dann sagen sie: „Belmes,“ das ist so viel als ich verstehe nicht, und dann geht er weiter; doch habe ich schon viel von ihnen gekauft, Futter und Brennung, das bringen sie alles auf Kameleen in die Stadt; wenn ihr das solltet sehen, ihr würdet euch doch verwundern. Auch wird dort von wilden Thieren gesprochen, und ich habe noch kein wildes Thier gesehen. Due recht zahmen sind hier sehr häufif nämlich die Esel, es thut mir immer leid wenn ich einen so großen Kerl auf dem kleinen Thier reiten sehe. Schafe sind hier nicht andere als dcickschwänzige, sind sehr groß und fett, das Fleisch und der Talg schmecken sehr gut.... Nun muß ich ein wenig zurückgehen. Beinahe 2000 Werst sind wir gefahren, wo meiner Meinung nach sehr schlechtes Land war, mir sah es wenigstens so, aber kam man in die Stadt, da war Alles zu haben, so grobes Getreide, daß ich in der alten Heimath nicht solches gesehen habe. Ohngefähr (ungefähr – E.K.) 150 Werst vor Taschkent hat es mir erst angefangen zu gefallen........Gestohlen ist meines Wissens nichts geworden in unserer ganzen Reisegesellschaft obschon wir verschiedene Völker angetroffen. Also den 2. Dezember hier in Taschkent angekommen und sind 18 Wochen auf der Reise gewesen; hier konnten wir abladen und hatten eine Stube mit Ofen darin, auch einen Stall dabei. Ja liebe Geschwister, ihr werdet wohl denken, 18 Wochen das ist doch sehr lange, und ist es um Theil auch, aber wenn man erst auf der Reise ist, dann hat man es immer ..rock (unleserlich – E.K.), ist auch immer Neues zu sehen, dann vergeht die Zeit schnell. Wir haben auch wol neinahe 4000 Werst zurückgelegt, haben aber auch viel Aufenthalt gehabt, wegen Entbindungen und Sterbefällen; wäre die Geselschaft nicht so groß gewesen hätte es weniger Aufenthalt gegeben und wäre die Reise glaube ich auch ...illiger (unleserlich – E.K.) gekommen; denn wenn irgendwo ein Vorfall wurde; dann mußten gleich .... (unleserlich – E.K.)Wagen still liegen und das kommt theuer. Nun wie ich schon erwähnte wir wohnen in der Stadt und das kommt auch theurer, die Nachkommenden denke ich werden schon billiger kommen, denn wir denken doch noch zum Frühjahr aufs Land zu ziehen und was einzuackern. Die Regierung gibt sich schon recht viel Mühe mit uns, sie wollen uns gern nahe bei der Stadt halten, aber hier nicht alles geeignet zum Bewässern, nur ein Wasserstrom, worin viele Fische sind, aber es wird der Behörde wol nicht zureichen. Sie fragen sehr, wie viel Familien noch kommen werden. Sie wollen für die auch gleich sorgen, daß wir Alle  zusammen können sein. Es kann sein, es geht noch 100 oder 200 Werst seitwärts, dort soll sehr schönes Land sein, und zur Viehzucht noch besser als hier; wir werden bald Nachricht erhalten. Man wird uns mehrere Landstücke zeigen wo wir uns dann aussuchen können........ Zu leben wird hier sein, so viel sehe ich schon, denn wenn ich die Ackerei der hiesigen Bewohner betrachte und dabei sehe, was sie für Getreide in die Stadt bringen, dann werden wir schon unser Brod haben, wenn auch auf einer andern Manir als wir gewöhnt sind; ich bin in der festen Hoffnung, der Herr hat soweit geholfen, und Er wird auch fernerhin helfen........Will Euch noch ein wenig von der Witterung berichten; es ist heute der 6. Januar und ist sehr schön und warm; überhaupt ist der Winter hier nicht streng, wenn es nicht noch anders kommt, dann ist der Unterschied doch sehr groß gegen dort; jetzt ist ein Sommertag, und wenn wir unser Land nur erst hätten, dann könnten wir schon sehr schaffen. Mit unserm Einschreiben wird auch schon geschafft, die Pässe haben wir abgegeben und ein Familienverzeichniseingereicht. Von Freiheit wissen wir noch nicht mehr als wir dort wußten und haben auch noch nicht nach mehr gefragt; so lange als Turkestan frei ist, sind wirs auch, und H.E. Kaufmann hatte damals gesagt, es würde sich belohnen, und wir sehen es denn auch, daß man uns nicht abgeneigt ist......Es heißt aus Preußen kommen aufs Frühjahr auch viele her.
H.Funk

(Von der Redaktion – E.K.) -
Soeben noch zur rechter Zeit erhielten wir von einem Freunde aus Rßl. (Rußland – E.K.) den Reisebericht den Reisebericht des H.Funk aus Asien. Somit hätten wir denn zwei Correspondenzen von dort, und das ist gut, denn was in der einen nicht gesagt ist, findet man in der andern.
Der Reisebericht des K.Gooßen wurde uns von einem Leser aus Rßl. (Rußland – E.K.) mit folgenden Begleitworten übersandt: „In der letzten Nummer (Nr. 16) der „Rundschau“ lese ich einen Bericht von der Reise nach Turkestan, und da unsere l. (liebe – E.K.) Freunde in Amerika immer neugierig sind, Nachrichten aus der alten Heimath zu vernehmen und besonders von den Turkestanreisenden, so übersende ich der Redaktion einen Auszug aus einem Briefe von K. Gooßen, der hier neulich für einen Bruder P.G. angekommen ist.“ – So ist es richtig, lieber Freund; du hast uns durch die Zusendung dieses Reiseberichts einen wesentlichen Dienst erwiesen.

   
Zuletzt geändert am 8 Oktober, 2016