Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 20. Januar 1881, Seite 2. (gotisch) von Elena Klassen.
Notizen,
geschrieben auf der Reise nach Turkestan:
Geliebte Geschwister!
Indem uns der Geist schon oft gemahnt hat, daß wir schreiben sollten, und auch Gelegenheit gewesen wäre, den Brief auf die Post zu geben, kann ich mich jetzt nicht länger entschuldigen, daß keine Zeit ist zum Schreiben. So ergreife ich denn die Feder und will, so viel als der Herr mir Gnade gibt, von unserer Reise die Hauptstücke bemerken. Unsere Reise ganz und ausführlich zu beschreiben würde zu viel Zeit und Papier erfordern. Also von Waldheim am 31. Juli abgefahren, sind wir durch Gottes Gnade Sonnabend den 2. August bis Mariupol gekommen; Sonntag, Montag und Dienstag am Fluß Kalmus gelegen; diese drei Tage sehr geregnet. Mittwoch sind wir auf dem Prahm (ein Schiffstyp – E.K.) über den Kalmus gefahren und auf dem Berge über Nacht geblieben. Donnerstag den 8ten unsere Reise gesund und froh weiter fortgesetzt. Auch diese Woche wieder viel Regen bekommen. Sonntag den 11. August sehr geregnet. Den 13. August bei Rostow angekommen. Eine Tagreise vor Rostow schon guter trockener Weg, aber ungeheure Gründe. Donnerstag den 14ten bei Novo-Tscherkask angekommen. Von dieser Stadt könnte viel erzählt werden von dem, was das Auge Prachvolles darin sehen kann; sie ist so prächtig und groß. Freitag den 15ten geregnet. Sonnabend den 16ten sind wir an den Fluß Donetz gekommen und am Montag auf dem Prahm übergesetzt. Dienstag geregnet. Diese Woche haben wir sehr viel sandigen Weg gehabt; sehr schwer zu fahren. Sonnabend den 23. August über den Don gefahren. Ich muß bemerken, daß der Herr uns immer sehr glücklich übergeführt. Sonntag ausgeruht. Montag den 24ten 60 Werst gefahren. Dienstag den 25ten an die Stadt Zarizin gekommen, welche an der Wolga liegt. Mittwoch Mittags weiter gefahren. Donnerstag den 27ten, als wir eben im Nachtquartier waren, hat der Herr zu uns geredet durch Donner und Blitz und großen Regen. Freitag den 28ten an die Wolga gekommen; haben zwei Tage gebraucht, bis wir Alle hinüber waren, d.h. mittelst eines Prahms, der von einem Dampfschiff ins Tau genommen wurde. Es kostete 60 Kopeken für den Wagen. Sonntag den 30ten haben wir das heilige Abendmahl unterhalten und folgende Personen in unsere Gemeinde aufgenommen: Schmidten von Waldheim, Ekken von Friedensdorf und Johann Martens von Wernersdorf. Montag, Dienstag und Mittwoch gefahren. Donnerstag den 3. Sept. Ruhetag. Blumenort Joh.Klassens ist eine Tochter geboren; Alles schön gesund. Freitag den 4ten wieder gereist. Sonnabend den 15ten ist Kornelius Unruhs, Gnadenheim, eine Tochter geboren. Sonntag den 7ten Ruhetag. Montag gefahren und die Stadt Nowesen erreicht, wo die Wolgaer Brüder schon drei Tage auf uns gewartet. Diese Stadt ist 120 Werst von ihrer Kolonie entfernt. Diese Geschwister, die noch zurückgeblieben, nahmen hier Abschied von uns. Dienstag und Mittwoch bis Mittag gelegen. Bis Sonntag jeden Tag 60 Werst und darüber gefahren. Montag gefahren und Dienstag den 16ten in der Stadt Uralsk angekommen. Freitag den 19ten Klaßens, Blumenort, ihre kleine Tochter begraben; einige Tage krank gewesen. Sonntag den 21ten Funken ihre kleine Tochter von über 1 Jahr zur Grabesruhe gebracht. Schon seit einigen Tagen hört man hin und wieder von Durchfall und Unwohlsein, welches beides auch bei uns gewesen ist, doch sind wir durch Gottes Gnade jetzt wieder gesund. Auch schlimmen Augen herrschen sehr in unserm Zug. Die letzten drei Tage sind wir längs dem Uralflusse gefahren; viel Wald. Einen halben Tag sind wir im Gebüsch und Wald gefahren. Dieser Fluß ist die Grenze zwischen Europa und Asien. Montag den 23ten sind wir über den Fluß gefahren; sind nun also in Asien. Nun haben wir den Fluß an der linken Seite. Bis Orenburg sind es noch 120 Werst. Dienstag den 23ten haben wir Regen mit sehr starkem Wind. Bis jetzt hatten wir sehr schönes Wetter.Mittwoch den 24ten sehr kalter Wind, doch hatten wir denselben im Rücken. Donnerstag Vormittags haben wir die große Stadt Orenburg durch Gottes gnädige Führung erreicht. Es ist etwas kälter als gestern. Nun wollen wir uns mit Proviant für 8 Tage versehen und gedenken morgen wieder weiter zu reisen......
Kornelius Gooßen.
Nachricht.
Ein Freund aus Russland schreibt uns unterm 15. Dez. (alt. St.) 1880: „Von den Turkestanreisenden sind nachrichten eingetroffen, daß sie jetzt in einem Walde lagern, ungefähr 200 Werst von ihrem Ansiedlungsplatz. Sie schreiben, daß sie der wilden Horden wegen noch nicht weiter können. Der Herr wolle ihr Schutz sein.“ Die Red. |