Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 15. Mai 1907, Seite 7. (gotisch) von Elena Klassen.
Asien.
Aulieata, Turkestan, Central Asien, den 26 Februar 1907. Einige der Rundschauleser werden gerne etwas hören von unserer Ansiedlung hier, denn mancher hat ja unsere Ansiedlung verlassen und fristet sein Leben un Amerika oder Europa. Es werden im April dieses Jahres 25 Jahre, daß unsere Ansiedlung bei großer materieller Armut im Glauben an Gottes Führung und Hilfe gegründet wurde. Gern sehe ich, daß ein genauer Bericht über unserem Auszuge und Gründung sowie Fortbestand unsrerer Ansiedlung veröffentlicht würde, werde es aber so der Herr es zuläßt, einer gewanderten Feder überlassen. (Ist Dir eine bekannt? – Ed. (Editor – E.K.))
Ich beschränke mich mit meinen Berichten auf die letzte Zeit. Am 23. Februar fand das Leichengegängnis des alten Onkel Jakob Reimer, fr. Wernersdorf, Russland, statt. Er erreichte ein Alter von 84 Jahren, 3 Monaten und 14 Tagen, wurde Vater von 15 Kindern, von denen sieben leben (Sohn Aron starb im April v.J. (voriges Jahres – E.K.); Großvater von 79 Enkeln, von denen 49 leben; Urenkel sind im ganzen 32, wovon sechs gestorben sind. Seine Gattin starb im November 1905. Er war beinahe acht Jahre blind und in letzter Zeit schon ziemlich schwach an Geisteskräften, hinterläßt aber das Zeugnis eines ergebenen Kindes Gottes. Er wiederholte oft das Lied: „Jesus, Heiland meiner Seele“ u.s.w. Donnerstag, den 22 Februar, waren wir in Ohrloff bei Geschwister Abr. Dykken auf der Hochzeit. Tochter Sarah wurde mit Br. Joh.Buller, Nikolaipol, von Br. Jakob Mandtler, Sr. (Senior? – E.K.), Gnadenthal, in die Ehe eingesegnet. Nächsten Donnerstag , den 1 März, soll bei Geschwister P.Wallen, Sr. (Senior? – E.K.), Gnadenthal, Hochzeit gefeiert werden, und zwar tritt Tochter Maria mit Br. Peter Dyck, Nikolajpol, in die Ehe. Letzterer ist der zweite Sohn der Geschwister Ar. Dycken, deren Silberhochzeit gestern, den 25 Februar gefeiert wurde und zwar unter reger Teilnahme. Br. J.Janzen, der sie vor 25 Jahren in die Ehe einsegnete, hielt auch gestern wieder die Festrede.
Heinrich Janzen, Nikolaipol, wird mit Beginn der Ackerei seine fast neuenzehnjährige Laufbahn als Lehrer beendigen. Er ist von einer Krankheit vom September vorigen Jahres her wieder ziemlich hergestellt. Nachfolger in der Würde ist sein leiblicher Bruder Johannes, der im vorigen Sommer das Lehrerexamen bestand; verehelicht seit November v.J. (voriges Jahres – E.K.) mit Louise Wedel.
Endlich sind auch unsere Bemühungen, Land zur Ansiedlung zu erhalten, mit Erfolg gekrönt. Unsere Landbedürftigen haben einen Ansiedlungplan am unteren Tschu angewiesen erhalten. Die ersten Ansiedler fahren im März, andere im Mai, noch andere im Herbst ode noch später dorthin ab. Wirtschaftenpreis reicht nach 1600 Rubel und auch noch etwas höher. Jakob Reimer, Sohn des Jakob Reimer, ein Enkel des oben erwähnten Verstorbenen, wird in diesen Tagen aus dem Ohrenburgischen erwartet. Er holt sich dort eine Lebensgefährtin.
Von den revolutioneren Unruhen durften, so viel mir bekannt ist, in unserer Gegend noch niemand erheblich leiden. Turkestan stellte für die Reichsduma drei Abgeordnete: ein geborener Russe, Kalifkin; beherrscht vollständig die Sprache der Eingeborenen, arbeitet litterarisch in derselben, ist ein höherer Beamter gewesen, und zwei Sarden.
Wir hatten vor einer Woche vollständiges Frühlingswetter, denn der Schnee war weg und in Ohrloff begann man zu pflügen. Jetzt ist es wieder Winter, doch schon wieder gelinder. (? – E.K.)
Bruder Johann Klassen ist von seiner Missionsreise nach Südrußland noch nicht zurückgekehrt. Witwe R. Bartsch fuhr auf eine Besuchsreise zu ihren Geschwistern nach Südrußland, ist aber, den letzten Nachrichten nach, krank auf der Memriker Ansiedlumg.
Gruß an alle früheren Turkestaner, von
Ein alter Bekannter. |