Brief von Emil Riesen aus Ak-Metschet in der „Friedensstimme“, Nr. 12 vom 22 März 1908

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Ak – Metschet bei Chiwa 17 Febr.

Lieber Herr Braun!
Zu herzlichen Dank haben Sie mich durch die Zusendung des Büchleins über unsern Auszug*) verpflichtet. Vielen Dank sind wir auch allen schuldig, die ihre Mühe an das Zustandekommen desselben gewandt. Es ist dadurch ein vieljähriger Wunsch in mir in Erfüllung gegangen. Hat doch der Feind soviel getan, unsere Auszugssache stinkend, abschreckend zu machen, und hat dazu seinen Handlanger als sein außerwähltes Rüstzeug, die Feder, fleißig gebraucht, um ihm mit gutem Erfolg zu helfen (ob bewußt oder unbewußt, ändert an der Sache doch nichts), während man sich auf der andern Seite zu fürchten schien, auch etwas an die Oeffentlichkeit zu bringen. Als ich vor vier Jahren in einem kleinen Aufsatz an die „Mennonitische Rundschau“ etwas klares Wasser über unsere Sache einzuschenken mich mit allem Fleiß bemühte, hatte ich mir sehr liebe Brüder in Amerika, die bis zum Lausann in Chiwa mit uns gegangen, schmerzlich verletzt, womit hat mir niemand geschrieben. Ich war dadurch furchtsam geworden. Nun dürften aber auch noch andere ihre Erfahrungen zum Besten geben und werden ja jetzt auch kurze Abhandlungen verständlicher sein. Es unterliegt Zweifel, im Kampf mit den Abgrundsmächten dürfte auch in Zukunft unser kleines Vorspiel manchen Fingerzeig liefern. Cl.Epp ist mir heute kein pfychisches Rätsel mehr. Er war nicht von uns. Das habe ich auch in jenem erwähnten Aufsatz nachgewiesen. Das Häuflein, grötenteils gläubiger Seelen, das er in seine eiserne Umklammerungen nahm und immer mehr unter seine despotische Herrschaft brachte, ja immer unbegreiflicher hypnotisierte, wie auch das Gemeindlein des alten Ohm Peters ain der Molotschna, war durch andre Anregung auf nüchternerer Grundlage gesammelt. Die Zeit hat es bewiesen, daß dem Feinde daran lag, diesen Zug nicht nur in die Brüche zu führen, sondern auch ein Mittel daraus zu schmieden, um in etwaigen wiederkehrenden Fällen dahin neigende Seelen mit Furcht und Abscheu zu erfüllen. Cl.Epp hat von Hahnsau an an Christi Person herumgeschnitten. Die Verdächtigungen der ihn unliebsamen Brüder hat er grundsätzlich betrieben, Trennungen wurden von ihm bis auf den heutigen Tag genährt. Immer richtete sich sein Hauptkampf gegen den Heiland. So ist sein neuestes mir bekanntes Verführungskunststück das, er seine Treuen glauben gemacht, daß Chtistus uns erst dadurch ein mittleidiger Helfer geworden, daß er Mariens sündliches Fleisch und Blut an sich genommen und durch die Wiedergeburt uns vorangegangen. Wie es heute Menschen gibt, die durch übernatürliche Kraft einen andern dahin beeinflussen können, daß er wieder seinen eigenen Willen etwas ihm gar nicht Eigenes tun muß, als wäre alles ganz natürlich, so weiß Cl. Epp seine Treuen nach ihrer Empfänglichkeit oder Willenlosigkeit dahin zu bezaubern, daß sie für „Herzensüberzeugung“ ausgeben, was ihnen tatsächlich ganz fremd ist. Vielleicht sende ich Ihnen bald einen handgreislichen Beweis dafür. Daß es wohl solche Kräfte sein müssen, durch die in den Irrtum verführt werden sollen auch die Auserwählten, ist begreiflich. Wie traurig düften sich die Folgen erst gestalten, wenn  nun noch die dämonische Kraft des Wundertuns dazu kommt?
Emil Riesen

 

*) Unser Auszug nach Mittelasien. Von F.Bartsch. Verlag H.J. Braun, Halbstadt. Preis 60 Kop. mit Porto 73 Kop.

 

   
Zuletzt geändert am 29 Mai, 2016