Mitteilungen aus der Arbeit in Turkestan von Hermann Jantzen in „Offene Türen“ 1926, S. 9 - 14

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

Mitteilungen aus der Arbeit in Turkestan von Hermann Jantzen in „Offene Türen“ 1926, S. 9 - 14

Erinnerungen.

Als im April 1915 ganz Europa unter dem Druck des Weltkrieges lebte, konnte auch Asien nicht verschont bleiben. So kam es denn auch bei uns in Turkestan, Zentralasien, zu Unruhen und Aufständen. Im Chanat Chiwa lagen seit dem Frühjahr 1915 die Jamuden und Turkmenen mit den Usbeck – Wahleehten im Kriege. Das Chanat Chiwa liegt im Westen Turkestans am linken Ufer des breiten Amu – Darja Stromes. Lange zeit war es ein freies mohammedanisches Fürstentum gewesen, seit 1875 stand es unter russischem Protektorat. Seine Hauptstadt ist Chiwa und es ist eingeteilt in 27 größere oder kleinere Regierungskreise. Die Bewohner Chiwas zerfallen in zwei Teile; zwei Drittel der Bewohner bilden die ansässigen Usbeck – Wahleehten, aus denen auch die jeweiligen Fürsten stammen. Die Usbeck – Wahleehten sind friedliebende, arbeitsame Bürger, sie tragen die Waffen nur, um sich gegen die stets raublustigen Jamuden und Turkmenen zu wehren. Letztere beiden Stämme machen ein Drittel der Bevölkerung aus. Sie wohnen ganz im Westen des Chanats und sind nomadisierende Horden, die von Viehzucht und Raub leben. Sie sind den Tscherkessen des Kaukasus sehr ähnlich. Angst vor dem Tode kennt weder der Jamude noch der Turkmene. Von Jugend auf hat ihn der Mulla gelehrt: „Stirbst du durch den Dolch oder das Schwert deines Feindes, so wäscht dein eigenes Blut, das aus der Wunde läuft, dich rein von deinen Sünden und als Schehid (Heilig) gehst du in das ewige Behisch (Paradies) ein.“ Die Jamuden und Turkmenen hielten sich auch von jeher berufen zum Herrschen. Fast in jedem Herbst nach der Ernte wollten sie die Viehsteuer, die vom Chan erhoben wurde, verweigern. Oft kam es zu Aufständen, die aber vom Chan unterdrückt wurden, nicht selten mit Hilfe des russischen Militärs.

Im Frühjahr 1915 hielten die Jamuden und Turkmenen den Zeitpunkt für gekommen, die Herrschaft Chiwas an sich zu reißen, da sie meinten alle russischen Truppen seien nach den europäischen Fronten abkommandiert. Sie vereinigten sich und zogen auf Chiva los, um den herrschenden Ispendjar Chan zu stürzen. Nach kurzen, aber blutigen Kämpfen wurde Chiwa erobert und zu Tausenden zogen sie als Sieger in die Hauptstadt ein. Ispendjar Chan und viele seines Hofstaates wurden ermordet. Lange jedoch sollten sich die Turkmenen und Jamuden unter der Führung ihres neugewählten Chans Schame Kell der Herrschaft nicht freuen. Als man in Taschkent, der Hauptstadt Russisch – Turkestans von der Eroberung Chiwas hörte, rückte der Kriegsgouverneur General Galkin mit 17000 Mann russischen Militärs heran, um die russischen Interessen in Chiwa zu retten. Es befanden sich nämlich dort große russische Baumwollplantagen und Handelsgesellschaften. Solch einer Macht regulärer Truppen vermochten die Turkmenen nicht stand zu halten. Obwohl sie sich hinter der hohen Stadtmauer Chiwas verteidigten, wurden sie dennoch von den Russen herausgeworfen und nach einem zweimonatlichen Kampfe bei Hall vollständig besiegt. Der Bruder des ermordeten Chans aus den UsbeckWahleehtenn, Seit – Abdulla – Bagadur wurde zum Chan gewählt.

Schon im Spätherbst 1914 war der Finanzminister des Ispendjar – Chans, Aschur – Macharam, genötigt gewesen, durch Mißverständnisse Chiwa einstweilen zu verlassen, da die Jamuden und Turkmenen auf ihn einen besonderen Haß hatten. Er zog sich zurück und siedelte in unsere 1800 Kilometer entfernt liegende Kreisstadt Aulie – Ata über. Er führte dort ein stilles, zurückgezogenes Leben. Bald hörte ich von ihm und da ich erfuhr, daß er früher Finanzminister die dem Muhamet – Rahim – Chan, dem Vater von Ispendiar und Seit – Abdulla – Bagadur Chan gewesen sei, besuchte ich ihn, da ich acht Jahre lang am Hofe des Muhammed – Rahim – Chan das Amt eines Dolmetschers bekleidet hatte. Jeder Besuch von mir war Aschur Macharam eine große Freude, und es kam zwischen uns zu einer besonderen Freundschaft. Sehr bald hatten wir schöne Bibelstunden zusammen, die sich manchmal bis zum Morgen ausdehnten. Trotzdem er ein strenger Islamite war, hatte er ein sehr gutes Verständnis für das Evangelium. Als ich ihn nun wieder einmal Anfang April 1915 besuchte, bat er mich, Briefe an seine Familie und an seine Hoheit Ispendjar Chan nach Chiwa zu bringen, da er glaubte, wegen der Besetzung Chiwas und durch die Unruhen würden seine Briefe durch die Post nicht ankommen. Gerade in diesen Tagen verbreitete sich die Nachricht, daß das von 40 deutschen Familien bewohnte Dorf, in dem ich früher wohnte, von den Jamuden überfallen sei und die Bewohner, meistens persönliche Verwandte von mir, ermordet seien. Dieses Dorf lag acht Kilometer von Chiwa entfernt. Diese Kunde und die Freude, auf dieser langen Reise am Evangelium arbeiten zu können, bestimmtem mich, die Reise sofort anzutreten. Auf einer 1800 Kilometer langen Reise durch Turkestan, wo man bald Hunderte Kilometer auf Wagen, ein Stück mit der Eisenbahn und 640 Kilometer mit dem Schiff fahren muß, hat man ununterbrochen die besten Gelegenheiten, mit Mohammedanern über ihr Seelenheil zu sprechen und ihnen Jesum, den Gekreuzigten, nahe zu bringen. So fuhr ich denn auf einem deutschen Fuhrwerk von zu Hause ab. Mein erstes Ziel war Taschkent, welches 400 Kilometer entfernt liegt. Auf allen Stationen und Karawansereien. Hatten wir die schönsten Gelegenheiten, das Evangelium zu verkünden. Der Mohammedaner hat immer Zeit, all das Hasten und Jagen der Europäer nach Reichtum kennt er nicht. Er weiß, das, was ihm von Allah beschieden ist, wird ihm auch ohne Rennen und Jagen zuteil. Hasten und Jagen tut nur der Gauurr – Ungläubige. Besonders gute Versammlungen hatten wir in Tulkibasch, einem Sartendorf und in Tschimkent, einer Kreisstadt 100 Kilometer von Taschkent entfernt. Tschimkent ist eine alte mohammedanische Handelsstadt. Da auch 10 Kilometer südöstlich von Tschimkent ein sehr berühmter mohammedanischer Wallfahrtsort liegt mit dem Grabe des heiligen Sairam – atta. So trifft man in den Karawansereien zahlreiche Pilger aus allen Provinzen Turkestans. Hier hatte ich Gelegenheit, besonders viele Schriften und Traktate zu verteilen. Wir fuhren weiter über Beklabeck, Kisilkija und Konstatinowka (ein deutsches Dorf) und gelangten nach Taschkent. Dort kehrte ich bei Geschwister Janzen, dem Verwalter des englischen Bibeldepots ein. Taschkent ist auch eine alte mohammedanische Handelsstadt mit mehreren hunderttausend Einwohnern im sartischen Taschkent. Er zerfällt nämlich in zwei Teile, sartisch und russisch Taschkent. Stundenlang kann man hier in den mit Matten überdeckten Straßen des Basars spazieren gehen und Traktate verteilen. Hier bietet. Jeder Handelsmann und Handwerker seine Waren auf offener Straße an. Die Straßen laufen kreuz und quer und sind ohne Benennung, daß man gut aufmerken muß, um sich nicht zu verlaufen. Auch hier in Taschkent finden wir das bunteste Völkergemisch, die Sarten als die Haupteinwohner Taschkents, Kiptschacken, und Kongraten, Kuraminzen, Schwarz – Kirgisen, Kaisak – Kirgisen, Usbecken, Tadschiken, Teckinzen, Jamuden, Turkmenen, Karakal – Packen. Dieses und die Ureinwohner Turkestans, ferner findet man Tartaren, Chinesen, Dunganen, Perser, Inder, Tscherkessen, Armenier, Russen und Juden. An vielen Straßenecken ladet uns ein sauberes Tschaichana (Teehaus) zur Erholung ein. Freudig ließen wir uns mit unserem schweren Bücherkoffer nieder und labten uns an einer Kanne Tee (Tschaineck) die uns aus einer blitzblanken Messingteemaschine von zehn Eimer Inhalt gefüllt wurde. Wie erfrischend war der Tee, denn schon im April hat man bei wolkenlosen Himmel 35 – 40° R. Hitze im Schatten. Auch hier durfte ich viel Traktate verteilen in den Teehäusern, oft brauchen wir stundenlang mit den Sarten von Jesus, dem Gekreuzigten. Wir saßen dort im Teehaus mit untergeschlagenen Beinen, von vielen Sarten umringt, die andächtig zuhörten. Doch bald mußte ich weitereilen, denn ich sehnte mich danach zu erfahren, wie es meinen Verwandten in den Aufständen ergangen sei. Drei Tage arbeiteten wir auf diese Art in Taschkent, dann setzten wir unsere Reise über Dschisack, Samarkand und Buchara nach Tschardschui per Eisenbahn fort. Da die Mohammedaner nur vierter Klasse auf der Eisenbahn benutzen dürften, fuhren auch wir vierter Klasse, um dort unter den Mohammedanern Traktate verteilen und das Evangelium verkünden zu können. Deutsch zu sprechen war damals von den Russen verboten, auch wurden wir scharf von ihnen beobachtet, so sprachen wir nur Sartisch. Nach 30 stündiger Fahrt gelangten wir in Tschardschui. Es war abends zehn Uhr, als wir von der Behörde empfangen und festgesetzt wurden. Dann wurden wir untersucht. Als man sah, daß wir Deutsche waren, wurden wir in ein Extra – Verhör genommen. Es bedurfte unserer ganzen Redefertigkeit, um am andern Morgen frei zu kommen, denn die Russen vermuteten damals hinter jedem fremdklingenden Namen einen deutschen Spion. Meine beiden Briefe von Achur – Macharam nach Chiwa fand man nicht. Nach unserer Freilassung kehrten wir bei einem russischen Bruder ein und ruhten einen Tag aus. Da wir sehr verdächtigt wurden, konnten wir keine Schriften verbreiten. Tschardschui liegt im Bucharischen Gebiet. Es ist ein Handelszentralpunkt. Es kreuzen sich hier die Transkaspische Bahn von Osten nach Westen und der Amu – Darja, der vom Hindukusch – Gebirge kommend von Süden nach Norden den Handel begünstigt. So ist Tschardschui ein Knotenpunkt des Handels von Afghanistan nach Chiwa, vom Kaspis nach Taschkent. In Tschardschui verließ mich Bruder Abr. Janzen und kehrte nach Taschkent zurück. Ich nahm mir einen kleinen russischen Fischerkahn und setzte meine Reise in Begleitung eines Ural – Kosaken auf dem fünf Kilometer breiten Amu – Darja fort. Es war beheimatet in Petro – Alexandrowsk, das auf russischer Seite gegenüber Chiwa liegt. Herrlich war die sechs Tage dauernde Fahrt auf dem mächtigen Strom. Des Tages fuhren wir. Mein Kosak ruderte und ich saß am Steuer. Des Abends suchten wir uns eine passende Stelle am Ufer oder auf einer Insel zum Übernachten. Doch wählten wir nach Möglichkeit immer das rechte russische Ufer, da das linke Ufer durch die Aufstandswirren sehr unsicher war und wir Gefahr liefen, von den Turkemenen ermordet zu werden. So hatten wir bald im Urwald ein großes Feuer angezündet, dann holte ich Tee und Speisen hervor, um sie zuzubereiten, während mein Kosake mit seiner Flinte auf die Jagd ging. Bald kehrte er dann mit einem Fasan, einer Ente und Gans zurück. Das gab dann einen schönen Braten oder eine Suppe; alles mundete uns vortrefflich. Danach legten wir uns, abwechselnd das Feuer bedienend, in dem Kahn zur Ruhe nieder. Wir hatten gerade Vollmond, die Nächte waren sehr hell. So lagen wir denn und schliefen unter dem schauerlichen Geheul der wilden Tiere ein. Wir hörten das kreischende Geheul der Schakale, das häßliche Bellen der Hyäne, das kurze, abgerissene Bellen des Fuchses und das schauerliche Geheul des Wolfes aus der Nacht des tropischen Urwaldes herüberdringen. In all diesem Geheul ließ sich die Nachtigall nicht stören und sang unbekümmert die ganze Nacht hindurch. Sobald der Morgen graute, stimmten alle Vögel mit ein in den lieblichen Gesang. Nach kräftigem Frühstück nahmen wir dann unsere Plätze ein und fuhren weiter. Bemerkt sei hier noch, daß in den Wäldern und Wüsten dieser Gegend die Raubtiere für den Menschen ungefährlich sind, da hin und her das Vieh der Turkmenen weidet und sie hiervon sich sättigen. Mein Kosak schlief stets mit geladenem Gewehr im Arm, er sagte, daß die Hyänen so frech seien, die Lebensmittel vom Kahn zu stehlen und daß man auch nie sicher vor den in der Nähe wohnenden Turkmenen sei, die schon oft einsame Schiffer überfallen und niedergemetzelt hätten. Mein Kosak kannte die Gegend und die Verhältnisse genau. Wir blieben jedoch durch die Gnade des Herrn von einem Überfall verschont. Ich befahl mich der Obhut des Vaters und schlief abends ruhig ein. Wurde ich dann wegen meines leisen Schlafes durch das Raubtiergeheul geweckt, so lag ich mit offenen Augen da und bewunderte die Allmacht Gottes am herrlichen Himmel des Orients. Wie ich mich erinnere, war es am vierten Tage unserer Reise, als ein plötzlicher Wirbelsturm mit Hagel und Regen losbrach. Wir befanden uns gerade in der Mitte des Stromes. Unser Kahn wurde von den Wellen wie ein Spielball hin und her geworfen. Da nahm aber mein Kosak das Steuer aus meiner unkundigen Hand, ich mußte Wasser schöpfen, und so ließ er uns auf eine Sandbank treiben, wo wir warteten, bis der Sturm sich gelegt hatte. Am sechsten Tage abends langten wir wohlbehalten in Hanka, einer Hafen – und Handelsstadt Chiwas an. Hier trennte ich mich von meinem lieben Kosaken und mußte nun zusehen, wie ich unbemerkt, in unser deutsches Dörflein Ak – Metschet, das 400 Kilometer entfernt lag, gelangen konnte. Hanka, das vier Kilometer vom Hafen abliegt, war unter Belagerungszustand der Russen. Ohne direkte Einreiseerlaubnis durfte niemand hinein, aber auch hier half der Herr wunderbar. Als Zentralasiate führte ich auf einer solch großen Reise dementsprechendes Gepäck mit. Ich mietete mir daher von einem Wahleehten einen Esel, legte mein Gepäck darauf und setzte mich selbst oben darauf. So ritt ich unauffällig in Hanka ein. Als ich jedoch auf den Hof des mir von früher bekannten Bürgermeisters ritt, traf ich unerwartet mit einer Abteilung kommunistischer Soldaten zusammen, die die Aufgabe hatten, jeden Fremden zu untersuchen. Jedoch mein alter Freund, der Beeg (Bürgermeister) gab mich als ein Bürger Akmetschets an. Als ich den Offizieren auf ihre Frage alle Bürger Akmetschets bei Namen nennen konnte, ließen sie mich passieren. Bei meinem Freund, dem Beeg, blieb ich zu Nacht und ritt des anderen Morgens hoch zu Roß, von einem Reitknecht meines Wirtes begleitet, nach Akmetschet. Groß war das Staunen und die Verwunderung aller lieben Freunde und Geschwister daselbst über mein Erscheinen. Niemand hatte geglaubt, daß jemand von außen durch soviel Sperren zu ihnen gelangen könnte. Als ich ihnen nun erzählte, daß zu uns die Kunde gekommen sei, daß sie umgebracht seien durch die Turkmenen und Jamuden, erzählten sie mir ihre wunderbare Bewahrung durch die Gnade unseres Herrn wie folgt: An dem Tage der Eroberung Chiwas durch die Turkmenen und Jamuden, brachte ein uns befreundeter Turkmene uns die heimliche Warnung, daß nun auch die Lieblinge des Wahleehten – Chans, wie man die Deutschen nannte, besucht werden sollten. Man wollte mit ihnen verfahren wie mit allen Freunden des von ihnen ermordeten Ispendjar Chans. Diese Nachricht wurde uns eines Sonntags Morgens überbracht. Wem nur die Roheit und Blutgier dieser Stämme ein wenig bekannt ist, dem mußte solch eine Warnung das Blut in den Adern erstarren machen. So ging es auch uns. Dann aber kam die ganze Gemeinde mit ihrem alten lieben Lehrer und Prediger Penner zusammen, und mit Beten und Fasten warteten wir der Dinge, die da kommen sollten. Montag Abend hörten wir dann von der Stadt Chiwa her einen fürchterlichen Kanonendonner, begleitet von verschiedenartigen, schrecklichen Geräuschen. Niemand konnte sich dieses erklären, bis dann spät abends der oben erwähnte Turkmene die freudige Nachricht brachte: „Der Kriegsgouverneur Galkin hat nach mehrstündigem Kampf Chiwa erobert, die Jamuden und Turkmenen fliehen in aufgelösten Haufen nach Norden und werden von ihm verfolgt.“ Akmetschet liegt acht Kilometer südlich von Chiwa. Wir waren gerettet. Als unsere Lieben mir dies erzählt hatten, dankten wir noch einmal gemeinsam für die Bewahrung unseres geliebten Herrn, der auch mich gesund in ihre Mitte geführt hatte. Am nächsten Tage brachte ich die Briefe meines geliebten Freundes Aschur – Macharam nach Möglichkeit an ihre Adresse, und da in zwei Tagen ein Dampfer nach Tschardschui abfahren sollte, entschloß ich mich, diesen zu benutzen. So fuhr ich nach zwei Tagen ab. Der Kapitän des Dampfers war ein Deutscher und so durfte ich auf dem Schiffe Schriften verteilen und mit den Leuten über ihren Seelenheil sprechen. Nun Deutsch durfte nicht gesprochen werden. Elf Tage dauerte die Reise, da es ja gegen den Strom ging und wir einigmal auf eine Sandbank fuhren. Von Tschardschui gings dann per Bahn nach Taschkent, wo ich mit dem lieben Bruder Abraham Janzen noch einige Tage im sartischen Taschkent unter den Mohammedanern arbeitete. Mit Dank erfülltem Herzen kehrte ich nach Hause zurück. Auf dem Hin- und Rückwege durfte ich mit Schrift und Wort den lieben Mohammedanern das Heil in Christo nahebringen.

Turkestan ist groß, es hat ungefähr 13 Millionen mohammedanische Einwohner. Lieber westeuropäischer Bruder, wohl fast in alle heidnischen Länder sind Missionare ausgesandt, an deren Arbeit auch du gern Anteil nimmst. Ich möchte dich fragen, ist es wohl des Herrn Wille, daß den Mohammedanern Turkestans das Evangelium gebracht werde? Wenn ja, dann ist es deine heiligste Pflicht, für dieses mohammedanische Feld einzutreten. Das Feld ist reif, ich durfte in zehnjähriger Arbeit vier Mohammedaner zu Christo führen. Einer ist droben beim Herrn, einer soll von den Bolschewiken erschossen sein, zwei stehen in dem Weinberg des Herrn und zeugen von der Gnade Jesu Christi. Was hast du bis heute für diese bisher so vergessene Masse von 13 Millionen getan? Auch etliche von unseren deutschen Brüdern stehen dort und bemühen sich unter den Mohammedanern zu arbeiten, aber nur im Kreise Aulie – Ata. Was wird aus den anderen Kreisen? Wie gerne möchten die Geschwister frei arbeiten, doch durch die überaus traurigen Verhältnisse sind sie gezwungen, selbst für ihre leibliche Existenz zu ringen. Gebe der Herr, daß die bisher vernachlässigste Missionsarbeit unter den 13 Millionen Mohammedanern mit ihrem ganzen Gewicht dir aufs Herz falle, dann würde es dort bald anders aussehen, denn Einigkeit macht stark. Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist!

Hermann Jantzen.