Nachrichten aus Turkestan in "Gemeindeblatt der Mennoniten" vom Mai 1881, Nr. 5, S. 37
mit freundlicher Genehmigung des Mennonite Library and Archives Bethel College.
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Taschkent, den 28. Oktober 1880-
Lieber Emil!
Des Herrn Gnade sei mir Dir! Ja, groß ist die Gnade des Herrn, mit welcher er uns bis dahin geleitet und uns so glücklich ans vorläufige Ziel unserer Reise gebracht hat. Ihm sei Lob und Preis und Dank dafür aus Herzensgrund gesagt. Ja, nur Lob und Dank kann es uns stimmen, wenn wir auf unsere Reise zurückblicken. Obgleich auch schwer die Hand des Herrn gelastet hat, indem uns unsere Kleinen (11 an der Zahl) durch den Tod entrissen wurden, und auch hin und wieder unter den Erwachsenen Krankheit war, so hat doch, im Ganzen genommen, die Reise recht gut gegangen. Keine Gefahr von Seiten der verschiedenen Völkerschaften hat uns gedroht, noch irgend welche Hindernisse, so wirklich erheblich sind, sind uns in den Weg getreten, auch haben wir nichts gefunden von der überaus groß gemachten Theuerung der Strecke von Orenburg nach Kasalinsk, und so kamen wir glücklich und wohlbehalten unter des Herrn Geleite Montag den 13. Oktober nach Tschimkend, der letzten Stadt vor Taschkent an.Hier wurden uns freundlich die Pässe abgefordert, um auf höheren Befehl von Taschkent eingetragen zu werden, und erfuhren von anderen amtlichen Personen, daß unsere Sache fertig wäre. So, voll neuer Hoffnungen fuhren wir Dienstag den 14. von Tschimkend aus, und siehe, vor der drittletzten Station hielt auf einmal unser Zug an (mein Wagen ziemlich am Ende des Zuges) da heißt`s – ein Herr! Und ich, meines Bischen Russischen wegen, werde nach vorne gerufen. Es war ein Offizier, (Hier folgt eine Bemerkung in russischer Sprache M.K.), welcher auf höheren Befehl uns entgegen geschickt war. Da konnten wir`s verstehen, weshalb uns in Tschimkend unsere Pässe abgenommen wurden. Sehr freundlich erkundigte sich der Offizier nach unserem Befinden, fragte, ob uns Klee oder Holz oder sonst etwas nöthig wäre und erklärte uns, daß er uns entgegen geschickt sei, uns unseren vorläufigen Aufenthaltsort in Koßlambek, welches 10 Werst (1 3/7 Meile M.K.) beiseits vom Postwege liegt, anzuweisen, weil wir nun aber noch 1 ½ Tage bis dahin brauchen, und er mehr Eile hatte, so fuhr ich mit ihm und übernachtete in Koßlambek, wo er mir alle dort befindlichen Räumlichkeiten zeigte. (1 Wohnhaus mit 5 Zimmern, 1 Küche, 1 Vorhaus, 1 Kröli (?? - E.K.) und viele Stallungen.) Von hier aus ritt ich in aller Frühe in Begleitung von 4 Kirgisen, darunter unser alter Tschembeck, an welchen wir uns mit Allem zu wenden haben, oder geradezu gesagt, welcher beauftragt ist, für uns zu sorgen, den Brüdern entgegen, um sie einen kürzeren Weg nach Koßlambek zu führen. Nicht wahr? Das hat der Herr gethan!! Hier suchen wir denn nun auch Unterkommen für uns und unsere kommenden Brüder herzustellen, indem wir die vielen Stallungen in Wohnungen zu verwandeln suchen. Viel Arbeit, Mühe und Geld kostet es natürlich, aber der so weit geholfen, wird auch ferner helfen, und er hilft. Wir haben, einen schönen Herbst, am Tage der Ankunft Regenwetter, sonst noch keins, dazu die Regierung freundlich, am meisten aber der Glaube an die Hülfe des Herrn, so sich an seine Verheißungen klammert, das alles macht uns Muth zum Weiterwirken. Ich habe nun auch viel zu thun, aber mit Herumtreiben. Mit Ausnahme der Sonntage bin ich erst zwei volle Tage zu Hause gewesen. Das ist mir ungewohnte Arbeit, mit meinem wenigen und schwachen Russischen vor die hohen Herren zu treten; aber der Herr hilft, er hilft auch meiner Schüchternheit. In der Stadt Taschkent ist ein recht sehr reges Leben, Fuhrwerke, die den Saratowern nichts nachstehen, auch ist es eine recht hübsche Stadt, oder besser gesagt, ein recht hübscher Wald, viele großartige Gebäude, große Magazinen mit denselben großen Schaufenstern wie bei Euch. Da möchte es sich wohl wohnen lassen, zumal, wenn einem so eine vortheilhafte Stelle als Schreiber zu 50 Rbl. Den Monat angeboten wird, wie es mir geschah; man wird Sie nicht nur mit Freuden sondern mit Begier aufnehmen. Jedoch bis jetzt ist meine Aufgabe unter den Brüdern, und Moses erwählte viel lieber mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, denn die zeitliche Ergötzung der Welt zu genießen. So nimm denn in Liebe an, was ich Dir in Eile geboten. Der Herr bringe uns bald Alle zusammen. Grüße die Deinen, so wie die Brüder und Verwandten, besonders Isaak, Franz und Hermann Epps.
Dein Wilhelm Penner.