Nachrichten aus Buchara und ein Bericht von Jacob Töws über die Geschichte der Buchara – Auszugsgesellschaft in "Christlicher Bundesbote" vom

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

15 Februar 1882, Nr. 4, S. 4, 6 – 7;

1 März 1882, Nr. 5, S. 5 und 6;

15 März 1882, Nr. 6, S. 4, 4 – 6.


15 Februar 1882, Nr. 4, S. 4, 6 – 7;

Ein Wunsch der Brüder an der Wolga, Rußland.

Ein lieber Bruder aus Rußland schrieb uns zu Anfang dieses Jahres unter Anderm: „Es wäre den Brüdern an der Wolga, wie Prediger E... mir schreibt, sehr erwünscht, einmal im „Zur Heimath“ (jetzt Bundesbote) ein festes Zeugniß über die aufgestellte Lehre der Taschkenter Brüder: daß jegliche Berbindung der Gemeinde Gottes mit dem Weltstaate eine solche Verkündigung sei, daß man dadurch das Anrecht auf die erste Auferstehung verliere, zu lesen.

Ferner, ob die Gemeinde (Kirche) Gottes jemals also gestanden, und ob solche Stellung überhaupt nach Gottes Wort geboten oder die richtige ist. Jene Brüder stehen so mitten drin in der Bewegung, sind durch so viele Bande mit den Auszüglern verbunden, daß es ihnen nicht zu verdenken ist, wenn sie nach Stärkung von Außen her ausschauen. Vielleicht findet sich dort in Amerika Jemand bewogen, an der Hand der heiligen Schrift sich ausführlich darüber auszusprechen.“

Wir unterstützen den obigen Wunsch, resp. das ausgesprochene Gesuch und würden uns freuen, recht bald dieses wichtige Thema eingehend in den Spalten des „Bundesboten“ besprochen zu sehen. Wer macht den Anfang?

Asien.

Geschichte der Buchara – Auszugsgesellschaft.

Vieles hat schon das „Zur Heimath“ und auch die vorigen Nummern des „Bundesboten“ von der Taschkent – Auszugsgesellschaft gebracht, welche nicht zu verwechseln ist mit der Buchara – Gesellschaft, denn obwohl die ausziehende „Brautgemeinde“ in Asien „ein Herz und eine Seele“ zu bleiben gehofft und erwartet hatte, wurde sie doch bald durch Meinungsverschiedenheit in zwei Lager getheilt. Die aus Südrußland Ausgewanderten unter Führung des Aeltesten A. Peters blieben in Taschkent, die von der Wolgagegend Ausgewanderten, welche keine Aeltesten und von Menschen gewählten Prediger mehr anerkennen wollen, zogen weiter nach Buchara.

Ueber diese letztere, nämlich die Buchara – Auszugsgesellschaft gibt ein uns zur Verfügung gestellter Brief eine zusammenhängende, die ganze Bewegung umfassende Geschichte und lassen wir denselben daher mir wenigen Abkürzungen hier folgen; um die Bundesboten – Leser mit der ganzen Geschichte der Buchara – Auszugsgesellschaft von dem Anfang dieser Bewegung an bekannt zu machen.

Buchara, 4. September 1881.

Recht sehr lange, das kann ich mir denken, werden Sie nach einem Briefe ausgeschaut haben und auch unsererseits ist die Mahnung oft dagewesen an Sie zu schreiben. Ach, an Stoff fehlt es ja nicht, da wäre so Vieles zu berichten, so Vieles zu erzählen und das Schönste ist, daß Alles dazu ermuntert, den Namen des treuen barmherzigen Herrn zu preisen. Zwar dem Aeußern nach ist es durch manche Bedrängniß, durch manche Noth, durch manche Entbehrung gegangen, durch manche Stunde bangen Harrens und Fragens sind wir gekommen, aber dem Innern nach, da hat es nicht an reichen Segnungen gefehlt, die oft gerade da am nöthigsten waren, wo die äußeren Wege am dunkelsten waren. Nun, die Erfahrung werden ja auch Sie schon vielfach gemacht haben und so stehen wir nun doch so weit getrennt dem äußeren Wege nach, doch aber wohl, dem Herrn sei Dank, auf einem Grunde stehend, zu halten das Wort der Geduld, dem Wesen dieser Welt, allem Ruhm und Glanz gegenüber, es zu bewahren bis an den Tag des Herrn.

Wenn wir nun auch in Bezug auf den Tag des Herrnselbst nicht gleicher Ansicht sind, so rufen wir doch wohl alle nicht nur, um dem Kampf der Gegenwart enthoben zu sein, sondern vor allem, um ihn den geliebten Herrn und Heiland selbst zu schauen: „Komm, ja komm, Herr Jesu, Amen.“ Nun denn, so wolle der treue Herr denn Gnade geben, daß auch dieses wenige dazu diene uns enger, vor allem mit dem Herrn selbst, so auch untereinander zu verbinden. Das Licht auf unserem Wege ist das, daß wir es freudig glauben können, daß der Tag des Herrn nicht ferne ist. Ohne dieses Licht, da würden wir verzagt fragen müssen, ob der Ausgang der Sache, an der wir stehen, auch ein richtiger sein würde. So aber können wir getrost sagen, der Herr hilft uns und gibt uns Freudigkeit, weiter zu hoffen und zu harren.

Wenn ich denn nun mit einem Berichte beginne, so muß ich freilich eine lange Zeit zurückgehen; über ein Jahr sind wir nun schon im vollen Sinne des Wortes Pilgrimme, denen es zwar nicht daran gefehlt hat, je eine Stätte zu finden, um auszuruhen, die aber doch schnell wieder aufbrechen mußten.

Am 13. August vorigen Jahres fuhren wir von Lisenderhof (Lysanderhöh? – E.K.) aus, unserer bisherigen Heimath, fort und fünfzehn Wochen waren wir auf dem Wege. Unser Weg ging durch Strecken, die bis vor Kurzem nur noch belebt waren von den umwohnenden Völkern und die darum von ihrem wilden Kriegesgeschrei wiederhallt hatten, jetzt erschallen dort unsere Lieder, und wenn es auch an manchem Schweren nicht fehlte, so hat es doch auch nicht an mancher Segensstunde gefehlt, wodurch der Herr seine Kinder zu stärken wußte. Besonders war es die lange Wüste, (die reicht von Orenburg bis Kasalinsk am Syr – Darja 720 Werst), die uns vorher manche Sorge machte. Als wir sie jedoch erreichten, da war es doch nicht so schlimm, wie wir fürchteten. Freilich mußten wir die Lebensmittel für uns und den Hafer für die Pferde mitnehmen, letzteren auf Kameelen, die mit uns gingen, aber Heu bekamen wir fast überall; nur drei Tage waren wir ohne Heu.

Der Weg war bis auf kurze Strecke sehr gut. Die wilden Völker, Kirgisen, behandelten uns sehr gut, daß wir auch nicht über eine Unbill (Kränkung, ungerechte Behandlung – E.K.) zu klagen haben. Der Herr, unser Gott, machte es so. In Kasalinsk hat die Wüste ein Ende. Es ist dieses die erste russisch asiatische Stadt ganz vorherrschend von Mohammedaner bewohnt. Es gab da denn doch manches Neue; es war aber eine ganz neue Welt, in die wir hier eintraten. Die muhamedanischen Städte sind nur von Lehm erbaut, so daß die Straßen nur von Lehmmauern begrenzt scheinen, doch ist alles sehr reinlich gehalten.

Von Kasalinsk ging unser Weg den Syr – Darja aufwärts. Obgleich hier die eigentliche Wüste ein Ende hat, so trägt die Gegend bis zur Stadt Turkestan noch immer einen ganz wüstenähnlichen Charakter. Doch konnten wir schon immer unsere Bedürfnisse befriedigen. Was uns von Kasalinsk schon oft recht schwer wurde, das war die mehr und mehr eintretende rauhe Jahreszeit. Wir hatten oft Schneegestöber und Frost; einmal bis 13 Grad; da gab`s für Frauen und Kinder und auch für die Alten schwere Tage. Aber der treue, barmherzige Herr gab, daß Alle gesund und wohl blieben. Er legt eine Last auf, aber er hilft auch tragen. Wenn`s auch manches Weh gab, beim Blick auf die frierenden Kinder, die dergleichen nicht gewohnt waren, so zogen wir doch getrost unsere Straße.

Manchmal hat uns die Frage beschäftigt, wo wir doch wohl den Winter bleiben würden. Der treue Herr aber sorgte dafür, daß auch die Frage ihre Lösung fand. In der Stadt Turkestan erhielten wir Briefe von den vor uns gereisten Geschwistern, die uns meldeten, daß seitens der Regierung Wohnungen angewiesen waren, die zwar nur sehr einfach, aber doch genügend waren. Ueberhaupt schilderten sie das Entgegenkommen der Regierung als ein sehr freundliches. Das gab uns denn neuen Muth zur ferneren Reise und so kamen wir denn durch des Herrn Erbarmen am 26. November 1880 in Caplan Beck (Kaplanbeck – E.K.), 20 Werst vor der Stadt Taschkent, an. Wir fanden alles, wie uns gemeldet, und zwar das Zusammentreffen mit den lieben Geschwistern ein, nach so manchen Erlebnissen sehr freudiges. Auch mit der Behörde mit der nun bald Einleitungen über unsern fernern Verbleib getroffen wurden, war der Verkehr sehr freundlich. Besonders mit dem lieben Gen. – Gouverneur von Kaufmann, vor dem ich im Ganzen dreizehn Mal gewesen bin, war die Begegnung immer freundlich.

Auch in unserer Glaubenssache wurde uns die Zusagen, daß wir fünfzehn Freijahre haben würden, und daß wir nach dieser Zeit uns frei entscheiden könnten. Das genügte uns. Aber der treue Herr ging andere Wege, wie wir es erwartet. Als wir glaubten, der Kampf wäre beendigt, so ging er jetzt erst, da wir Jünglinge in den Losungsjahren bei uns hatten, recht an. Dazu diente besonders ein Ereigniß, das in den weitesten Kreisen die tiefste Erregung hervorrief, und das auch für unsern Gang von einschneidender Bedeutung war. Es war der so schreckliche Tod unsers Kaisers. Hätte Guv. Kaufmann mit demselben unsere Sache seiner Zeit besprochen, so stand er jetzt in derselben, durch das Gesetz gebunden und von unsern Gegnern auf das Gesetz gewiesen, rathlos da und für uns stand das Wort in seiner vollsten Bedeutung da: Verlasset Euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen und können nicht helfen. Dazu kam noch, daß Gouv. Kaufmann selbst an einem Schlaganfall plötzlich erkrankte.

So standen wir denn da, nur durch das Gesetz gefaßt, das unsre Jünglinge, für die mittlerweile in der alten Heimath gelost worden war, zum Dienst bestimmte. Das gab Zeiten des ernstesten Kampfes, wo uns nur der Blick auf die theure Verheißung unsers Gottes: „Ich habe vor Dir gegeben eine offene Thür“ getrost erhalten konnte.

Es ist in der Zeit viel für uns und von uns zum Herrn gerufen worden. Dazu kam, daß die letzte Auswanderungsfrist, der 4. Juli, herannahte, und daß nach dieser Zeit die Auswanderung viel schwieriger, ja, für die dienstpflichtigen jungen Leute fast eine Unmöglichkeit wurde, d.h. nach menschlichen Begriffen, doch gab der treue Herr uns Ruhe und Frieden, wir konnten durch Sein Erbarmen das Wort fest fassen: „Weiche nicht.“ Ob`s auch schwerer und schwerer wurde, ob zuletzt auch der Tag bestimmt wurde, an dem der eine unserer jungen Leute eintreten sollte, wir ließen uns auf nichts ein, und bekamen dann endlich die Weisung, daß wir gehen konnten, doch ohne den betreffenden Jüngling!

Mittlerweile hatten wir mit Erlaubniß der Regierung zwei Brüder nach Buchara gesandt, um uns dort eine Einwanderung zu erwirken. Sie kamen mit dem Bescheide zurück, daß Alles abgeschlagen sei. Nun standen wir da, von allen Seiten eingeschlossen. Nichts blieb uns als das Wort unserers Gottes. Nur dieser Anker hielt noch, und immer wieder hieß es: „Weiche nicht.“ Wir standen vor der einfachen Frage, ob den Beruf aufgeben, ob das Kleinod unsers Gottes fahren lassen, oder aber gleich dem Altvater Abraham zu gehen, ohne zu wissen wohin. Wir wählten das letztere, und zogen vor dem uns zuletzt bestimmten Termin, den 25. Juli, unter den Augen der Regierung und wahrscheinlich stark von ihr beobachtet, aus, den Weg nach Buchara einschlagend.

Merkwürdig ist und war das Benehmen der Regierung. Obgleich wir doch in keinem Stücke ihr zu Willen seien konnten, und der Nachfolger des Herrn v.K. (von Kaufmann? – E.K.) ein strenger Mann war, der nicht leicht von seinem Willen abstand, so ist uns doch, seitens der Regierung, viel Nachsicht bewiesen worden, ja in manchen Fällen sind uns die höchsten Beamten theilnehmend entgegen gekommen, so daß wir der gefürchteten und übelberüchtigten Regierung von Rußland, die jetzt ja nicht mehr unsere Regierung ist, das beste Zeugniß geben müssen. Der Herr lohne es ihr. Doch ich will nicht vorgreifen.

Da uns verschiedene Hindernisse in den Weg traten, so konnten wir erst am 28. Juli von der Stadt Taschkent abreisen. Die Hitze war recht groß, 30 Grad, und der Weg sehr staubig, so daß die Reise recht beschwerlich war, besonders für die Kranken, deren wir mehrere hatten. Doch ging es ja mit des Herrn Hülfe. Der ganze Zug bestand aus 48 Wagen mit 81 Pferden und 153 Seelen. Der treue Herr gab für jeden Tag die nöthige Kraft.

(Fortsetzung folgt.)

1 März 1882, Nr. 5, S. 5 und 6;

Asien.

Geschichte der Buchara – Auszugsgesellschaft.

Als wir in die Nähe der Stadt Samarkand kamen, wo wir einen zwar nicht sehr tiefen, aber reißenden Strom zu durchfahren hatten, wurde uns ein Beamter entgegengeschickt, der die Durchfahrt zu beobachten hatte. Schließlich war er unser Führer in die Stadt, wo ein Quartier für uns zum Ausruhen bereit stand, und wir konnten dort 14 Tage ausruhen, da inzwischen einer unserern Kranken so schwach geworden war, daß an ein Weiterreisen nicht gedacht werden konnte. Er entschlief dann auch im Herrn.

Hier in Samarkand mußten wir denn auch darauf Unterschrift geben, daß uns bekannt gemacht sei, daß wir im Falle wir über die Grenze gingen und zurückkehren, der vollen Wehrpflicht unterlägen. Der betreffende Beamte machte uns noch sehr warm darauf aufmerksam, daß uns nur zwei Wege bevorständen. Entweder Rückkehr oder Untergang. Doch wir durften nicht zagen. Uebrigens hatten wir hier von den Beamten viel Freundlichkeit zu erfahren. Bei unserm Gottesdienst hatten wir immer Besuch von hochgestellten Personen; selbst der Gouverneur, dem wir vor unserer Abreise noch unsern Dank abstatteten für die freundliche Behandlung, und der uns fragte: was wir wohl machen würden, wenn Buchara und nicht aufnähme, wünschte uns, nachdem wir geantwortet, daß Gott der Herr uns würde einen Platz finden lassen, wo wir unsers Glaubens würden leben können, den Segen Gottes, daß wir bald einen Platz finden möchten.

So reisten wir denn, nachdem wir den entschlafenen Bruder zu Grabe geleitet, mit des Herrn Hülfe der letzten russischen Station zu, um von da aus in das uns von allen Seiten so schlimm geschilderte Buchara in des Herrn Namen und im Blick auf seine Verheißung hinein zu gehen. Viel wurde an dem Morgen, als wir vor der Grenze standen, um Hülfe und Gnade gefleht, es war uns allen doch etwas Eigenes, nun in ein Land hineinzugehen, dessen Regierung und Bevölkerung uns ihren Grundsätzen nach feindlich gesinnt seien mußten.

So zogen wir denn in des Herrn Namen aus, und des Abends kamen wir in das erste Buchari`sche Dorf, wo wir denn auch sogleich unser Nachtquartier nahmen. Die Bevölkerung kam uns, wie wir es auch in Rußland gewohnt waren, freundlich entgegen, natürlich mit großer Neugierde. Des Morgens kamen sogleich Beamte, die sich nach unserm Anliegen erkundigten, und da, nachdem sie dieses erfahren, schrieben sie alles genau auf, wie viele Seelen da waren, wie viel Pferde, Wagen u.s.w. und wurde dies alles einem höhern Beamten eingereicht, der es an den Emir einzureichen hatte. Die Brüder, welche da mitreisen mußten, wurden von den Beamten freundlich aufgenommen und beschenkt. So stehen wir denn nun da, des Bescheids wartend. Wie der Herr uns weiter führen wird, daß ist ja noch nicht zu sagen.

Ueber`s Ganze müssen wir nach dieser Seite hin wohl sagen: Der Herr hat Großes an uns gethan. Gesetze, die so eisern sind, die russischen Kriegsgesetze, sie durften uns wohl nicht halten, kein Unfall durfte uns haben, kein Feind uns schrecken. Vor manche Erfahrung der göttlichen Hülfe sind wir gestellt worden. Dieses Alles ermuntert uns zum Preise des Herrn. Freilich hat es ja auch nicht an manchem ernsten Kampfe, an manchem schweren Wege, an mancher dunklen Stunde gefehlt. Doch die Hand Gottes war über uns zum Schutze. Auch wenn auf einer Wegstrecke von 3000 Werst nichts besonders vorfällt, so darf man wohl von Gnade sagen. Aber freilich beschwerlicher ist eine Reise, wie wir sie gemacht haben, als eine Reise nach Amerika, trotz der vielleicht doch weitern Entfernung.

Wenn wir nach der Seite hin, unsern Glaubensgang betreffend, durch die verschiedensten Erfahrungen gegangen sind, leichte und ernste, so sind wir auch nach den andern Seite hin, was nämlich unsern Gesundheits – Zustand betrifft, vom Herrn recht ernstlich angefaßt worden. Besonders die Zeit unsers Weilens in Kaplanbek ist uns eine ernste Schule geworden. Zwölfmal sind wir dort zum Friedhofe hinaufgegangen. Schmerzliche Verluste haben die einzelnen Familien erlitten. Das hat manchen Seufzer gegeben. Doch auch mancher Dank ist zum himmlischen Vater emporgestiegen, der selbst in den schwersten Stunden den köstlichsten Balsam bereit hatte. Wir haben durch das Erbarmen des Herrn an allen Sterbebetten mit der lebendigen Hoffnung des ewigen Lebens stehen dürfen, und das war kein falscher Trost, den wir uns nur so vorredeten. Es war so, daß man fast die Familien beneidete, die der Herr so ernst anfaßte, und manches Heimweh ist durch die Seele gegangen. Meine Familie ist bis jetzt noch vollzählig da. Zwar hat es nicht an Krankheit gefehlt und fehlt auch jetzt nicht an leichtern Leiden, doch bis jetzt ist nach des Herrn Wille immer mehr leicht vorübergegangen.

Soll ich nun noch von Land und Leute berichten, so gibt es da wohl recht viel zu berichten. Das Land, so weit es bewässert werden kann, ist sehr ertragsfähig, es gibt jährlich zwei Ernten. Die Bewässerung verstehen die Bewohner aus dem Grunde, so daß es mitunter fast scheint, als wenn das Wasser gegen den Berg rennt. Das Land ist in kleine Stücke eingestellt, damit es mehr eben zu machen ist; dann ist es mit kleinen Kanälen durchzogen, die das Wasser aus den nahen Flüssen, die meistens einen sehr starken Fall haben, herbeiführen. Der Baumwuchs ist prächtig und wird auch sehr viel gepflanzt, so daß die bewohnten Ländereien waldähnlich aussehen. Selbst auch in den neuen Städten, die hier alle nach der neuesten Art angelegt werden, wird viel gepflanzt. Besonders prächtig ist die Umgegend von Samarkand, ein wahres Eden. Wir können und dieses alles ansehen, in gewissem Sinne genießen, aber immer nur als Pilgrime, die keine bleibende Stätte haben. Gottlob, das ewige Erbe werden wir einst mitbesitzen dürfen, wenn wir den Kampf des Glaubens bis an`s Ende kämpfen. Die Desjatine Land wird hier mit 1000 Rubel bezahlt, die Bewohner des Landes sind durchweg Mohamedaner, doch ist ihre Irr – Religion sehr im Sinken. Davon zeugen die einst so großartig angelegten und verzierten, nun aber sehr verfallenen Moscheen. Das ganze Volk geht sehr im Stumpfsinne dahin. Uns sind die durchweg freundlich gesinnt, sonst aber wenig zugänglich.

Bis hierher hatte ich geschrieben, als in Folge eines unerwartet eingetretenen Ereignisses eine Pause von acht Tagen eintrat. Ich bemerkte, daß bei unserer Ankunft in Buchara die Beamten sogleich genaue Notizüber uns nahmen, und solches einem höhern Beamten zum weitern Beförderung an den Emir von Buchara einreichten. Unsere Brüder mußten außer dem ersten Mal noch einmal zu jenem Beamten; wo der Empfang ebenfalls freundlich war, und so erwarteten wir denn baldigen Bescheid, der kam auch schnell, aber anders, als wir erwartet hatten. Vorigen Mittwoch erschienen 6 oder 7 Beamte und theilten uns mit, daß Buchara kein Land für uns habe, und daß es uns auch keinen freien Durchzug gestatte, sondern die Forderung an uns stelle, sofort nach Rußland zurückzukehren. Da wir verschiedene Reparaturen an den Wagen vorgenommen hatten und die deßwegen auseinandergenommen waren, außerdem noch ein Kind gestorben war, welches den Tag noch beerdigt werden sollte, so baten wir die Herren noch um einen Tag Aufschub. Doch kamen wir mit solcher Bitte schlecht an. Hatte man uns vorhin zwei Stunden zur Abfahrt bewilligt, so hieß es jetzt sogleich anpacken. Und obgleich es Mittagszeit und das Essen fertig war, so durfte es doch nur mit der größten Eile, wobei Mancher leer ausging, genossen werden. So kam es denn, daß zum Backen zubereiteter Teig aufgepackt werden mußte, die Wagen aufgeschleift, und das todte Kind rasch in den Sarg gelegt werden, und so alles mitgenommen werden mußte, und fort ging es, der kaum überschrittenen russischen Grenze zu. Unterwegs brach noch ein Wagen, doch war an ein Aufhalten nicht zu denken, er mußte auf einen andern Wagen aufgepackt werden. Daß uns auf diesem Zuge nicht besonders freudig zu Muthe war, ist selbstverständlich.

Wir hatten uns jetzt schon das Ziel so nahe gedacht, einmal wieder, wenn auch nur auf kurze Zeit ein eigenes Heim gründen zu können und nun kam es so. Der treue barmherzige Herr gab es aber, daß wir getrost sein konnten! Wie oft, so machten wir auch hier die Erfahrung, daß uns in den dunkelsten Stunden die Verheißung am krasten leuchtete. Wie der Herr Seine Sache durchführen werde, das wußten wir freilich nicht, daß er es aber thun würde, das stand uns im Glauben fest. Selten mag aber wohl um einer Sache willen ernster von Vielen gefleht worden sein als an dem Abende, der diesem Tage folgte.

Wir waren wieder in Rußland, in dem Lande, das hinter uns die Thüre so fest zugeschlossen hatte, dessen Gesetzen wir uns früher nicht fügen konnten und jetzt noch um so weniger. Was nun machen, oder wo nun hin, das war der erste Fragepunkt, aber der Herr ließ uns nicht zu lange auf Fingerzeige warten und einer unserer Brüder ritt den folgenden Tag nach der nächst gelegenen russischen Stadt und kam da mit einigen höheren Beamten zusammen, die ihn fragten, ob wir uns nun den Gesetzen fügen würden. Auf seine verneinende Antwort, daß wir dieses um keinen Preis thun könnten, auch da nicht, wenn es in den Tod gehe, wurde ihm wahrscheinlich im höheren Auftrage die Mittheilung, daß auf der Grenze zwischen Rußland und Buchara, mehr aber in letzterem Lande, ein Stück Land liege, 16 Werst lang und breit, wo wir als auf neutralem Boden ruhig leben könnten. Buchara würde die Weisung bekommen uns in Ruhe zu lassen. Wir möchten uns das Land, das uns ein Beamter zeigen würde, ansehen und dann unsern Entschluß, ob wir es annehmen oder nicht, dem betreffenden Beamten mittheilen.

Das war mehr wie wir für den Augenblick erwarteten; wir haben eine Stellung in Aussicht, wie wir sie uns nur wünschen können, frei von jeder Beschränkung durch Gesetze, so daß die Gemeinde sich frei bewegen kann. Freilich auf der anderen Seite bleibt uns zu glauben übrig. Während in unserer Nähe nur Land ist, das durch Bewässerung ertragsfähig gemacht wird, ist das angebotene Land hohe Steppe, die bei der hier den Sommer über währenden Dürre sehr kahl wird, und werden darum unsere Ernteberichte nicht so glänzend klingen, wie man natürlicherweise wohl wünschen möchte, doch bleibt uns das stehen, daß uns das Nöthige werden wird. Doch ist die Sache noch nicht zum Abschluß gekommen, ehe es dahinkommt.

In meinem Schreiben ist wieder eine längere Pause eingetreten und wird dasselbe dann schon tagebuchartig. Es ist heute der 20. September und unsere Sache steht noch fast in derselbe Lage, wie vor acht Tagen. Wir liegen noch mit unseren Wagen auf freiem Felde, ohne jede feste Hoffnung für den Winter ein Unterkommen zu finden. Die Behörden, mit der wir verkehren, sind nach wie vor freundlich und thun ihrerseits Alles, um uns zu helfen. Doch sind sie eben Menschen, die, wie das Wort unsres Gottes sagt, nicht helfen können. Das Land, auf das sie uns hinwiesen, ist Privateigenthum, wo sie eben nicht einzugreifen vermögen. Es ist uns mittlerweile auch schon in Buchara Land ermittelt worden, das wir kaufen können, doch da es sehr theuer ist, können wir darauf nicht eingehen und müssen es denn schon dem Herrn überlassen, wie er es führen wird. Zudem würden wir auch durch solchen Kauf unsere Stellung als Pilger und Fremdlinge mindestens in Frage stellen. Es sind nun heute drei unserer Brüder nach Samarkand gereist, um mit den Verwaltern des eben erwähnten Landstückes einen Pachtkontrakt anzuschließen. Ob der Herr dazu sein gnädiges Amen sagen wird, müssen wir abwarten. Das darf ich wohl sagen, daß wir uns alle schon nach dem Abschluß der Reise sehnen, zumal wir, wenn wir natürlicherweise reden wollen, viel mit dem Klimawechsel zu thun haben.

(Schluß folgt.)

15 März 1882, Nr. 6, S. 4 - 5

(Aus Rußland eingesandt für den Bundesboten.)

Neueste Nachrichten von der mennonitischen Auszugsgesellschaft, welche in der Bucharei den Ort der Bergung zur Zeit der letzten großen Versuchung gefunden zu haben glaubt.

„Laut dem letzten berichte glaubte diese Gemeinschaft die „Letztgemeinde“ nach wiederholtem Auf- und Abziehen endlich den von Gott für sie bereiteten Ort der Bergung in der Bucharei gefunden zu haben und hoffte daselbst zur Ruhe gekommen zu sein. Sie legten daher auf jenem Platze aus Erdhütten ein Dörflein an. Doch die Wege des Herrn waren abermals nicht die ihrigen. Noch waren ihre Wohnungen nicht alle zum Winter z.B. mit Oesen und Sonstigem eingerichtet, als, es war am 24. Nov./6.Dez., ein bucharischer Beamter mit einem Trupp Soldaten in ihr Dorf eingeritten kam und auf Gebot des Emirs die sofortige Räumung des Platzes befahl. Dabei machte er das Anerbieten, so viele Kameele und Arba`s(zweirädrige Karren) zu stellen, als die Gesellschaft verlangen würde und zum Fortbringen aller ihrer Habe nothwendig wäre. Auch wolle er nicht, wie er sagte, sie über die Grenze, sondern nur etwa 80 Werst weiter, nach einer Stadt zu, schaffen. Würden sie nun nicht gutwillig Folge leisten, so würde er sie ohne Weiteres mit Gewalt aufpacken und über die Grenze bringen, da wo sie herübergekommen.“

Andererseits hatte der russische General – Gouverneur der Gesellschaft wiederholt Winterquartiere auf der russischen Seite anbieten lassen, die sie auch, was Abkürzung halber hier gleich erwähnt sei, schließlich nothgedrungen angenommen haben. Es ist in einem Sardendorfe, Namens Serabulak, wo ihnen auf Befehl der russischen Obrigkeit Wohnungen eingeräumt sind. Sogar die Moschee (muhamedanisches Gotteshaus) haben die Einwohner, wie erwähnt Sarden, hergeben müssen und sind darin vier Familien untergebracht. Die Brüder, im Glauben, daß sie durch ihre bisherige Nachgiebigkeit und ihr Menschengehorchen dem Namen ihres Herrn und Bräutigams nur Schande gemacht hätten, entschlossen sich nun, unter heißem Ringen mit Gott im Gebet, sich des Abweichens nicht mehr schuldig zu machen, sondern auf dem Platze, den ihnen der Herr geschenkt und Zeugniß gegeben hatte, daß es der rechte sei, auszuharren. Das war an einem Dienstage. Die Soldaten unternahmen an diesem Tage weiter nichts, als daß sie ein Zelt aufzurichten suchten, und als es starker Windstöße aus dem Gebirge halber nicht ging, sich in die Hütten einquartieren. Mittwoch gegen Abend ließ der Beamte zwei noch nicht bewohnte Erdhütten zuschaufeln. Donnerstag schickte er einen Boten an seinen Vorgesetzten ab. Dieser kehrte gegen Abend zurück und brachte den Befehl des höhern Beamten, daß vier Brüder vor ihn gebracht werden sollten. Nun redeten die Bucharen den Brüdern zu, daß sie den höheren Beamten nur um Aufschub des Auszugs bis zum Frühlinge bitten sollten, der Kranken und Kinder halber. Die Brüder sahen in solchem Rath nur eine listige Versuchung des bösen Feindes. Aber so oder anders, ihrer Viere mußten, es war heller Mondschein, in die Nacht hinausreiten. Sehr weit war es übrigens nicht. Dort vor dem Oberbeamten erklärten sie, daß sie dem Befehle zum Abzuge nicht gehorchen dürften. In Folge dessen wurden ihnen die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt und sie unter Wache gesetzt. Ein Sarde, welcher Freitag Morgens bei der Niederlassung der Brüder vorüberkam, brachte Nachricht davon und sagte, daß jene vier Männer als Geißeln so lange gefangen gehalten werden sollten, bis die ganze Gesellschaft zum Zuge aufgebrochen sein würde. Das bestätigte sich aber nicht. Nachmittags kamen die Viere zurück und zugleich mit ihnen erschien auch der Beck. Dieser gab nun Befehl, die Wohnungen zu zerstören. Die Soldaten legten Hand ab, aber trotzdem daß die Beamten mit „Prügeln“ in der Hand zur Eile trieben, ging das Zerstörungswerk nur langsam vorwärts, wie wenn eine höhere Hand gewehrt hätte.

Kamen sie an eine Wohnung, so wurden zuerst die Fenster eingeschlagen, worauf die Bewohner hinausgingen und dann das Zerstörungswerk vollendet wurde. Daneben packten sie ab und zu einen von den Brüdern mit Gewalt auf ein Fuhrwerk und fuhren mit ihm ab. Gegen Frauen und Kinder aber blieben sie mehrentheils freundlich. Als es Abend wurde, stand noch über die Hälfte der Wohnungen unversehrt und hieß man die Familien, welche seit Zerstörung ihrer Hütten unter freiem Himmel lagerten, zu den andern in die unversehrten Hütten gehen. Sie fanden auch alle Raum darin und verharrten die ganze Nacht im Gebet und Schreien zum Herrn um Hülfe und Kraft. Sonnabend Morgens sollten alle aus den Hütten hinaus, und als man nicht gutwillig ging, wurde, doch erst Nachmittags, Gewalt gebraucht, alles zertrümmert und die ganze Gesellschaft fortgetrieben. Wie es da herging, kann man sich schon ohne ausführliche Schilderung denken. Es waren dies und die folgenden Tage, bis sie, was schon erwähnt, in dem Sardendorfe auf russischer Seite untergebracht waren, sehr schwere Tage, wie sie solche noch nicht erlebt hatten. Es war der Gang nach Gethsemane und von da nach Golgatha, wo sie erst recht die Fußstapfen ihres Herrn und Bräutigam erkennen und darin, wie es Seiner Braut gezieme, nachfolgen lernten.

Und nun? Sie glauben, daß sie bald wieder nach jenem Ort, von dem sie vertrieben, zurückkehren werden, denn es ist und bleibt der Ort, welchen der Herr für Seine Letztgemeinde zubereitet hat. Mit lob- und dankerfüllten Herzen rühmen und preisen sie die Wege Gottes und bekennen es frei vor aller Welt: die Wege des Herrn sind richtig, wenn`s auch dornenvolle Kreuzeswege sind. Der Herr hat sie, die Letztgemeinde, und nicht sie Ihn erwählt, und will sie würdig machen zu stehen vor Ihm, wenn Er kommt, und will sie herrlich machen, wenn Er gekommen ist. Die Wege des Herrn sind wunderbar, das erfahren sie, und herrlich führt Er es hinaus, das glauben sie.

Ja, gnädig ist der Herr, fügt der Schreiber dieses hinzu, gnädig, barmherzig und von großer Güte und Treue, der nicht handelt mit uns nach Menschenweise. Das sehen wir auch hier wieder an Seiner Führung der Auszugsgesellschaft. Drum wollen wir nicht über sie urtheilen, wohl aber auf`s ernstlichste für sie beten.

Die diesjährige Auszugsgesellschaft, unter Führung des Claas Epp selbst, hat in der Stadt Turkestan ihr Winterquartier aufgeschlagen, wahrscheinlich des harten Winters halber, der ihr Vorhaben, bis Taschkent zu kommen, vereitelt haben wird. Der Aufschwung des Claas Epp soll scheinbar im Niedergange sein, seine Vorträge ihre Kraftbeweisung verloren haben, so daß sie nicht mehr wie früher anziehen, und daher Mancher die Versammlung weniger zu besuchen anfängt.

15 März 1882, Nr. 6, S. 6

Asien.

Geschichte der Buchara – Auszugsgesellschaft.

(Schluß.)

Wir haben ein Theil Schwache und Kranke unter uns. Besonders ist unter den Kindern eine schmerzliche Augenkrankheit ausgebrochen, die uns manche Sorge macht. Ach, der Pilgerstaub brennt an den Füßen. Doch wird der treue Herr weiter helfen; ist er doch unser lieber Vater, der den Kindern keine Steine für Brod gibt und stellen wir uns im Glauben vor das Wort, daß dieser Zeit Leiden nicht werth sind der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden, so gibt das eben wieder Muth es glauben zu können: Der Herr wird`s versehen.

Nun will ich denn an den Schluß denken. Ich hoffe vor Abgang des Briefes das Schlußresultat mittheilen zu können. Ueber unsere ganze Auszugssache mag Ihnen von berufener und unberufener Seite manches mißfällig berichtet worden sein. Ich will darauf nicht weiter eingehen, weil man so leicht in den Zug hinein kommt, sich selbst rechtfertigen zu wollen, das sei ferne. Es hat manchen Kampf und Thränen gekostet. Selbst der alte Ohm T...hat uns sehr widerstanden und hat nicht immer die besten Waffen gewählt. Doch genug, der Herr helfe uns. Nun denn, dem Herrn befohlen. Auf Erden dürfen wir wohl kaum noch auf ein Wiedersehen hoffen, wohl aber, o der treue Herr gebe es, vor dem Throne des Lebens. Daß briefliche Nachricht uns sehr lieb sein würde, darf ich wohl nicht besonders erwähnen. Die Adresse lege ich bei. Nun denn, noch ein herzliches Lebewohl in dem Herrn Jesu, Er sei Ihnen und uns nimmer ferne; und so oft wir uns im Gebet und Flehen beugen, wollen wir einander nicht vergessen.

Den 20. Oktober. Ein ganzer Monat ist verflossen, seitdem ich den Schluß der vorigen Briefbogen machte. Und welch ein Monat. Vieles hat er uns gebracht, viel Noth, äußere und innere, aber auch viel Segen. Ich erwähnte, daß drei Brüder nach Samarkand reisten, um dort das Nöthige abzumachen und so zog sich unsere Sache etwas in die Länge. Da mit einem Male kam die Ordre vom russischen General – Gouverneur, wenn wir noch nicht über die Grenze wären, so sollte der in unserer Mitte weilende junge Mann eingezogen werden. Das beschleunigte unseren Gang. Nachdem wir uns noch in dem Mahle des Herrn gestärkt hatten, reisten wir zum zweiten Male in Buchara hinein. Aber wieder hatten wir kaum einen Tag dort zugebracht, und waren eben im Begriff uns Winterwohnungen zu machen, als ein Beamter erschien und uns aufforderte, wieder über die Grenze zurück zu gehen. Ach, das war eine ernste Lage; vor uns Rußland mit seinen eisernen Gesetzen; hier keine Erlaubniß zu bleiben. Das trieb sehr in`s Gebet. Wir standen vor der Frage, ob gehen oder bleiben. Da der betreffende Beamte sehen mochte, wie es uns zu Muthe war, beschlich ihn wohl ein Gefühl von Mitleid, oder war es eine List, genug er versprach uns, uns nicht über die Grenze zu führen, sondern nur auf eine andere Stelle, da der Ort, wo wir hielten, Privateigenthum sei. Wir folgten nun, mußten es aber erfahren, wie listig unser Feind sei. Wir wurden wieder zurück über die Grenze gebracht, und befanden uns somit am Abend wieder auf russischem Boden. Das war ein schwerer Tagesschluß. Was sollten wir nun machen? Wir bekamen Freudigkeit, den folgenden Morgen wieder über die Grenze zu gehen, und der Beamte von gestern erschien denn auch, und ertheilte uns seinerseits die Erlaubniß dazu. Doch mußten wir uns sagen, daß wir vielleicht schweren Kämpfen entgegen gingen. Weichen konnten wir nicht mehr. Der folgende Tag wurde von der ganzen Gemeinde als Fast- uns Bettag geheiligt, und der treue Herr machte es, daß uns an diesem Tage keine Feind nahen durfte. Der folgende Tag brachte aber schon den Anfang neuer Noth. Es kam die Aufforderung: zurück über die Grenze zu gehen. Wir antworteten, daß wir dieses nicht könnten. Den folgenden Tag kam die Aufforderung strenger. Wenn wir nicht gehen würden, so würde man mit 400 Soldaten kommen und an zu schießen fangen. Wir sagten, man möge es thun, weichen würden und könnten wir nicht. Ob wir uns denn wehren würden? Nein! Wir würden ruhig mit uns machen lassen, was man wolle. Der Abend, der diesem Tag folgte, war sehr ernst. Wir mußten es uns sagen, daß wir einfach vor das Wort uns zu stellen hätten: „Sei getreu bis in den Tod“, und das ist denn doch leichter gesagt als gethan. Für uns blieb aber keine weitere Wahl. Ach, wenn die, die unsern Gang so oft verlästert haben, an diesem Abend in unserer Mitte gewesen wären, sie hätten vielleicht leichter urtheilen gelernt. Es wurde bei dem gemeinsamen Abendgottesdienste viel und heiß gebetet. So erschien der folgende Tag und der Herr gab uns Freudigkeit und Ruhe. Die angekündigten Soldaten kamen nicht, wohl aber Beamte, die uns aufforderten bis dicht an die Grenze zu fahren, der Beck (höherer Beamte) habe erlaubt, dort uns einzurichten. Wir versprachen zu gehorchen. Den folgenden Tag mußten zwei Brüder mit zum Beck reiten, um demselben den Dank für seine Erlaubniß abzustatten, kamen aber mit der Nachricht zurück, daß folgenden Tag 2000 Soldaten geschickt werden würden, uns alle niederzuschießen, zuletzt war es so weit gemildert worden, daß man uns binden und nach Samarkand senden würde. Es konnte dem Beck aber wieder keine andere Antwort gegeben werden, wie vorhin. Der Herr möge uns beistehen. Ich zog an diesem Abend den Spruch: Fürchte dich nicht, du sollst nicht zu Schanden werden. Und der liebe Herr ließ uns erfahren, daß er um sein Volk her ist. Es kam den folgenden Tag Keiner und ist bis jetzt noch Keiner gekommen. Was ferner geschieht, das weiß der Herr. Zu schwer wird` s nicht werden. Wir fangen nun an, uns Wohnungen für den Winter einzurichten. Nun habe ich unsern Gang in Etwas geschildert, ihn ganz zu fassen, dazu muß alles mit durchlebt sein. O, seid nicht unter denen, die da spotten und lästern! Wäre diese Sache ein Strohfeuer, der Wind der Anfechtung hätte es längst verweht. Wir preisen den Herrn, der uns bis hierher geholfen hat.

Jac. Töws