Ein Bericht von F.B. (womöglich Franz Bartsch?, der Autor des Buches „Unser Auszug nach Mittelasien“- E.K.) über die Ankunft in Turkestan in "Zur Heimat" vom 7 April 1881, Nr. 7, S. 4 - 6

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

7 April 1881, Nr. 7, S. 4 - 6

Die Ankunft der Auszugsgemeinde in Taschkent, Asien.

Ueber die mühevolle, lange aber doch glückliche Reise und Ankunft der ersten drei Partien der von Südrußland und der Wolga nach Asien ausgewanderten Mennoniten an ihrem Bestimmungsorte Taschkent und Kaplanbek in Central – Asien finden unsre Leser in dieser Nummer des „Zur Heimath“ unter der Rubrik „Berichte aus unsern Gemeinden, III Asien“ eine sehr interessante Korrespondenz, auf die wir Aufmerksamkeit der Leser besonders hinlenken möchten.

Asien.

(Nachstehendes ist ein Theil eines Briefes aus Taschkent an den Präsidenten der Westl. Publ. – Gesellschaft, bezüglich der Reise und Ankunft der Auszugsgemeinde in Asien. Der erste Theil des Briefes, hier weggelassen, enthält eine persönliche Erklärung des Schreibers über die Stellung der Auszugsgemeinde als solche gegenüber den andern Gemeinden, uns soll, wenn anders Raum und Zeit es gestatten, in einer späteren Nummer den Lesern des „Zur Heimath“ mitgetheilt werden. D. R.)

Taschkent, Central – Asien, im Dezember 1880....Unsere Abreise (von der Wolga) war auf den letzten Juni (1880) bestimmt, wurde aber wegen der Krankheit unsers Töchterchens verschoben, so daß wir, als der Herr unser Kind den 1. Juli zu sich nahm, den 3. abreisen konnten. Unsre Reisegesellschaft bestand aus 12 Familien mit 22 Wagen. In Verbindung mit dem Begräbniß unsres Kindes fand die Abschiedsfeier statt und dann fuhren wir um 10 Uhr Morgens (am 3. Juni) aus Hahnsau, wohin die Brüder aus Köppenthal, Hohendorf, Siemonshöh (? – E.K.) gekommen waren, ab. Der Weg ging zunächst über Woskressenka und einige Dörfer nach Nowo – Usjen (Nowo – Usensk – E.K.) Eine Strecke begleiteten uns noch mehrere Brüder, einige bis Usenbach, unserm ersten Nachtquartier, und C. Epp und E. Dück vier Tage. Wie nun unsre Reise äußerlich ging, das werdet ihr euch denken können; um drei Uhr Morgens auf, Ssamowar (Theemaschine) stellen, trinken, Pferde füttern, tränken, dann Alles fortpacken, anspannen, gemeinsamen Morgengottesdienst halten, wobei uns in Ermangelung eines Gemeindelehrers die Br. J. Quiring und W. Penner dienten, dann aufgesessen und weitergefahren. Anfänglich fuhren wir Morgens etwa um 5 Uhr aus. Solange wir innerhalb Dörfern (Ansiedlungen) fuhren, bildeten diese unsre Stationen. Da wurde denn Mittag gekocht, gegessen, gefüttert, getränkt, angespannt und wieder weitergefahren. Bis Nowo – Usjen passirten wir die Flüsse „Maläi Eruslan“ und „Bolschoi Usjen.“ Diese Strecke betrug 150 Werst (100 engl. Meilen.) Hier genügte ein halber Tag zum Einkaufen von Vorräthen, hauptsächlich Hafer und Heu. Der Hafer war theuer, 1 Rubel 20 Kopeken (60 Cents)das Pud (40 Pfund), Heu 15 Kop. (7 ½ Cts. Für 4 Pf.). Noch hatten wir ein Russendorf vor uns, dann kamen Kosakendörfer.

Wir durchzogen das Land der Uralischen Kosacken, hatten guten Weg und passierten die Dörfer „Scherina Balka“, „Potjascki“, „Perwäi Tschischinski“ , „Wtoroi Tschischinski“, „Kamenoi“, „Seljonoi“ und „Djerkulski“. Anfangs auf ebenem Steppenboden kamen wir bald über grasreiche Wiesen, auf denen unzählige Heuschober standen, dann zwischen „Kamenoi“ und „Seljonoi“ über die Bergpartie „Sunduk“, wo es festen Sand, Kies und Geröll gab, dann wieder über Wiesen und kurz vor „Uralsk“ trafen wir sogar einen Sumpf. In Uralsk kamen wir den 16. Juli an, nachdem wir in Seljonoi Sonntags den 14. Regen gehabt und in Folge dessen erst Montag 15. abgefahren waren.

Auch Unfälle hatten wir bereits zu bestehen. Gleich hinter Now – Usjen bei einm Brunnen schlug Br. Penners Schimmel Pauls kleinen Heinrich an`s Bein. Ich hatte grade die erste Nachtwache, als er liegen bleiben mußte. In Fort „Kamenoi“ hielten wir etwas zu nahe am Ufer eines Flüßchens. Da zogen die Pferde Br. H. Janzens kleinen Wagen, an den sie gebunden waren, das steile (jähe) Ufer hinunter, während Viele von uns auf den Markt gegangen waren. Der Wagen, in welchem eine Kiste verpackt war, kam aber nicht bis ganz unten, denn er kippte vorher schon um. Die Kiste aber war ganz gut erhalten, auch der Wagen litt nicht besonders Schaden.

In Uralsk lagen viele Straßen (Quartale) noch in Trümmern von dem vorjährigen Brande. Sonst war hier reges Leben. Kosacken und Kirgisen, welche hier die Hauptbevölkerung bilden, sprengten hier und da umher. Heu wird größtentheils auf Kameelen zu Markte gebracht. Uralsk liegt am Ural, etwas ab am Ufer der „Tscheganka“, über die wir fahren mußten.

Von Uralsk bis Orenburg gab`s anfangs viel Sand. Wir fuhren gewöhnlich 3 – 4 Werst von Uralsk entfernt, den wir nur selten zu sehen bekamen, während wir das asiatische Ufer fast immer sahen. Kosackendörfer kamen jetzt so viele, daß ich ihre Namen nicht alle anmerkte. Nur „Borodinsk“ und „Studjonka“ sind mir merkwürdig. Am ersten Ort hatte ich meine zweite Nachtwache, auch fiel mir dort mein jüngstes Pferd und mußte ein anderes gekauft werden. In Studjonka bekamen wir Nachts Regen und wurden naß, da der Platzregen das Wagenverdeck durchdrang und das Wasser auf unsern Betten stand. Den Tag darauf ging`s durch die Niederung des Ural, über Wiesen und durch Wälder nach dem Städtchen „Ilek“, wo eine Brücke uns über der Ural führte. Dann hatten wir noch einige Dörfer auf dem südlichen Ufer, die wir aber nicht alle berührten. Hier bekam ich die Ruhr, und setzte mir, besonders beim Heutragen, Müdigkeit stark zu, bis ich liegen blieb und homöopathische Medicinen nahm. Aber der Herr half; in Orenburg erholte ich mich wieder. Meine Frau hatte während meines Krankseins kutschirt und theilweise auch die Pferde ein- und ausgespannt.

In Orenburg trifft man bedeutende Karavanenzüge aus China, Taschkent und Sibirien. Hier theilt sich das Leben und die Bevölkerung, und besonders ist der Handel asiatisch. Man steht Chinesen mit großen schwarzen Pelzmützen und andere Asiaten auf Kameelen, Eseln, Pferden, mitunter sogar auf Ochsen reitend. In Orenburg verproviantirten wir uns auf `s Neue. Rosinen, Pflaumen, Reis und Grütze bildeten Hauptgegenstände; Kartoffeln waren Leckerbissen, Fleisch war gut zu haben. Hafer (in Uralsk ein Rub. 30 Kop.) kostete hier 90 Kop. das Pud. Wir kauften außerdem noch 150 Pud mit Tschumaken, Frachtfuhrleute, voraus nach „Ak Tuba“, um ihn bis „Karabutak“ selbst zu laden. Hinter Orenburg fuhren wir über die Dörfer „Donguskaja“ und „Jetschanka“ nach „Iletzkaja Saschtschita“, wo ein großes Salzwerk ist, das wir in Augenschein nahmen. Noch zwei Dörfer, „Ugolni“ und „Grigorewski“ passierten wir, dann trafen wir nur Kirgisen – Aule, denn hier hatten wir das Gebiet der Kirgisenhorden betreten. Die Kirgisen waren übrigens ganz freundlich, nur waren sie unverschämt in ihren Forderungen. Wie viele Aule wir getroffen, weiß ich nicht. Unser Weg führte uns immer in der Nähe des „Ilek“ entlang 250 Werst weit.

„Ak Tuba“ am Ilek ist ein kleines Fort, in welchem eine Sotine (100) (Ssotnja (Hundert) aus dem rissischen – E.K.) Kosacken und etwas Infanterie und Artillerie stehen. Auf zwei Positionen stehen zwei Kanonen, dazwischen ziehen sich die Garnisonsgebäude hin. Ein kleiner Basar (Markt) ist auch da und außer dem Militär bilden einige Chachollenfamilien (Kleinrussen) die Bewohner. Leider mußten wir von Mittwoch bis Montag früh still liegen und dennoch vergeblich, denn die Tschumaken mit dem Hafer kamen nicht, und so konnten wir von Glück sagen, daß uns gegen den Hafer, der kommen sollte, andrer Hafer aus den Magazinen (Verkaufsladen – E.K.) ausgetauscht wurde, obwohl wir 30 Kopeken auf`s Pud zuzahlen mußten. Wiederum ging`s jetzt 200 Werst weiter, diesmal auf bergigem Terrain, das theils glatt wie Chaussee und noch glatter, theils steinig war, durch den nördlichen Theil der Muchodscharischen Berge. Wir verließen jetzt den Ilek, fuhren durch den Ort und kamen bei der Station „Damdü“ auf die Poststraße, die von Orenburg über Orsk nach Taschkent führt. Nachdem wir weitere zwei Stationen passirt, kamen wir in das Fort „Karabutak.“ Dasselbe ist auf einem Schieferfelsen gelegen und bietet nicht mehr als Ak Tuba. Wir bekamen nur nothdürftig Futter für die Pferde bis zum Fort Nowo – Uralskoja, und mußten daher Hafer, Mehl, auch Schwarzbrod füttern, um bis Irgis zu kommen. Einmal bekamen wir auch Mangel an Wasser, so daß Viele ihr Trinkwasser den Pferden gaben und selbst nicht kochten. Jedoch konnten wir Abends wieder satt tränken. Aber in einer andern Weise lag des Herrn Hand schwer auf uns. Die kleinsten Kinder wurden schon vor Orenburg krank. Vor Ak Tuba starb Br. Quirings jüngstes Töchterchen. Hinter Ak Tuba mußten wir drei Leichen in ein Grab legen. Vor Karabutak wieder ein Kind und in Karabutak noch einmals ein. Zwischen Karabutak und Irgis starb Quirings jüngster Sohn. Als wir ihn begruben, wurde zugleich Heu gekauft und noch in der Nacht brachten uns die Kirgisen zwei Kameele mit Heu, auch einen Schlauch voll Kumüs. Ich kaufte ihnen eine Kanne voll ab, das Uebrige tranken wir mit ihnen aus. Kumüs ist gegorene Pferdemilch, wird aber oft auch Schaf- und Kameelsmilch genommen. In Irgis bekamen wir reichlich Futter, hatten uns aber auch bis Kasalinsk zu verproviantiren.

Fünf Stationen hinter Irgis sollte die Sandwüste „Kara Kum“ (schwarzer Sand) beginnen. Schon änderte sich die Vegetation und salzhaltige, stachlige, andererseits dichtblättrige, fleischige Gewächse traten an die Stelle der europäischen Pflanzen. Bodenkultur hatten wir schon lange nicht mehr getroffen, doch der rechte Sand wollte immer noch nicht kommen, wiewohl wir Stellen hatten, die schwer zu passieren waren, aber sie wechselten mit gutem Wege und dann ging`s doch. Das schwierigste war oft das Wasser. Da mußten wir nach schweren Stationen oft 2 – 3 Werst und weiter in die Wüste hinein, wo an tiefen Stellen im Sande sich Brunnen befanden, die aber oft nur sehr wenig Wasser enthielten. Doch half der Herr immer, daß unsere 43 Pferde satt wurden. Einige Morgen freilich mußten wir ohne Wasser bleiben, doch das war selten. Auf solchen Ritten bekamen wir auch Wüste zu sehen. Die weißen Flugsandhügel (also nicht schwarzer Sand) zwischen die wir uns hindurchschlängeln, lagen gleich ungeheuren Schneedünen da und ein etwa hereinbrechender Sturm könnte dergleichen Wüstenreiter leicht verschütten. Aber mit uns war der Herr, und wie er den Nomaden geboten hatte: „Hütet euch, daß ihr mit meinen Kindern nicht anders redet als freundlich“, so auch hier dem Winde und Sande, daß sie uns nichts thun durften.

In der Station „Dschulus“ sagte uns der Posthalter, wir hätten noch vier Stationen, dann müßten wir vom Postwege abbiegen und einen 40 Werst langen Nebenweg einschlagen, den auf Postwegen sei kein Durchkommen, da seien zwei Stationen ganz verschüttet. Diese 40 Werst würden wir aber nicht Wasser haben und am Ende derselben sei der schwerste Sand, darnach müßten wir uns richten. Wir fuhren Montag früh aus und tränkten nach 16 Werst bei der ersten Station. An der zweiten, 10 ½ Werst weiter, fuhren wir vorbei, weil kein Wasser da war, aber nun kam die dritte, 17 Werst, und die wurde schwer, denn es fanden sich gegen das Ende, die letzten 10 Werst, viele Sandhügel, dazu waren unsre Kirgisen mit dem Hafer voraus, und wir hatten kein Wasser. Aber Gott half. Von Ochsenfuhrleuten, die uns begegneten, als wir noch acht Werst von der Station waren, hörten wir, daß unsre Kirgisen*) sich nur 1 ½ Werst von uns gelagert hätten. Nun hieß es aufpassen, denn es wurde dunkel. Da aber die Kirgisen ebenso aufpaßten, so trafen wir uns. Athemlos kam der Eine mir mit dem Rufe: Tamür, Tamür! (Freund, Freund) entgegen. Sie zeigten uns auch Wasser und so hatten wir wieder zu loben und zu danken. Es war der erste September. Dienstag den 2. September machten wir den Rest von sechs Werst und eine weitere Station von 20 Werst. Den 3. sollten nun die 40 Werst ohne Wasser gemacht werden. Wir fuhren 3 ½ Uhr Morgens aus, trafen oft Sand, aber auch recht guten Weg und machten bis 10 Uhr etwa 24 Werst (16 engl. Meilen). Wir tränkten die Pferde aus unsern Gefäßen und fuhren um 12 Uhr weiter, doch kamen wir erst um 3 ½ Uhr Nachmittags bis an den Sand. Wir fanden hier aber doch Wasser, 1 ½ Werst vom Wege ab bei einem Aul. Wir reisten nun schon nicht weiter, sondern ließen das Durchfahren für den nächsten Tag. Dann legten wir einander vor. Den 7. September Abend waren wir noch in der Wüste. Donnerstag passierten wir den schwersten Sand bis ein Werst hinter der Station „Akdschubjaß“. Das Wasser war schlecht. Der Weg führte uns ganz in die Nähe des nördlichen Theiles des Aralsees, sowie einiger kleiner Seen, die mit ersterm in Verbindung stehen mögen.

Von hier an hat die Wüste ein sonderbares Aussehen. An einzelnen Stellen wachsen Wüstenpflanzen in ziemlichen Büschen; dazwischen ist der Sand tief ausgeweht, so daß alle diese Orte das Aussehen von Grabhügeln haben und die ganze Gegend einem unermäßlichen Kirchhof recht ähnlich steht. Die rothblühenden stacheligen Salzkräuter geben dem Ganzen eine interessante Färbung, so daß dieser Theil der Wüste ein recht interessantes Bild bietet. Einmal hatten wir auch Wind, der den Sand aufjagte, was viel Aenlichkeit mit einem Schneetreiben hat.

Als Brennmaterial für die Ssamowaren (Theemaschinen), die mit einer Scheidewand versehen zugleich zur Zubereitung von Speisen dienten, so daß wir z.B. in der einen Hälfte Reis, Klöße, Rosinensuppe und dergl., auch Fleisch kochten, in der andern Thee- oder Kaffeewasser, dienten Holzkohlen, die wir immer noch bekommen konnten. Feuer zum Braten und dergl. machten wir in einem Blechringe, in welchen man den Dreifuß stellte. Anfangs hatten wir genügend Holz, dann lasen wir trockenen Kuh- und besonders Kameelsmist auf, der auch sehr gut brannte.

Den 9. September kamen wir nach Kasalinsk, seit Orenburg der bedeutendste Ort. Hier war alles zu haben, Heu, Klee (Luzerne), Gerste (letztere dient hier zum Pferdefutter, Hafer wird nicht gebaut), gelbe Rüben, Kartoffeln, Zwiebeln etc., besonders auch schöne Arbusen (Wassermelonen) und Melonen (Musk Melons). In Kasalinsk wurde eine Schwester (Gerh. Janzens Frau) entbunden; der Herr half durch. Uns bereitete dies allerdings einen sechstägigen Aufenthalt. Wir glaubten, in Kasalinsk sei die Wüste zu Ende, aber weit gefehlt! Wir hatten oft noch ziemlich Strecken Sand. Wir reisten in der Nähe des Syr – Darja und die Stationen lagen an demselben bis Fort II Karmakteni. Hier biegt sich die Poststraße vom Syr – Darja ab und es gibt wieder Brunnen, die oft wenig Wasser haben; oft muß man auch hier wieder weit reiten zum Wasser, bis man nach Fort Perowski kommt, welches früher Ack Metsched hier; da hat man wieder den Syr – Darja.

In diesen Städten, wie auch in den folgenden, bilden Ssarten die Hauptbevölkerung. Sie sind persischer Abstammung und stechen im Gesichtstypus von den Kirgisen, denen man den Mongolen gleich ansieht, sehr ab. Daneben wohnen auch arabische Kosacken (wahr. Kasachen – E.K.), während der Beamtenstand in Händen von Russen ist. In Kibitken (Wohnhäuser der Nomadenvölker – E.K.) umher wohnen auch Kirgisen. Diese Gegend hat noch ganz die Wüstenvegetation, nur daß die Kräuter sich zu Bäumen erheben und zuweilen Wälder bilden, die eigentümlich in ihrer Art dastehen. Da ist ein Baum, der in der „Kara Kum“ zuerst als Kraut uns begegnete. Er trägt nicht Blätter, sondern eher Nadeln, die aber nicht glatt sind, sondern rund, dick und fleischig; allmählig verholzen sie, werden zu Zweigen und werden wieder Nadeln. Das Holz selbst sinkt im Wasser unter und wird hier Sexual genannt; es brennt, selbst wenn es noch grün ist, und ist sehr spröde und splittrig. Wir fingen hier an, es zum Ssamowarheizen zu benutzen. Hinter Perowsk fanden wir auch ganze Wälder von wildem Oelstrauch, dazwischen immer noch Sand. So ging es bis nach dem kleinen Fort Dschuluk, wo wir Regen bekamen. Der Herbst meldete sich. Noch zwei Stationen weiter verlor sich der Baumwuchs wieder, die Steppe fing an und zur Linken zeigten sich die Berge des Karatan - Zuges, die immer höher neben uns aufstiegen.

So kamen wir nach Turkestan, der ersten Stadt von afganischer Bauart, wo man nur Lehmmauern und krumme Straßen, aber keine Fenster sieht und keine Haus. Interessant sind die Basare, die ich hier nicht beschreiben will, auch von Sitten etc. der Bewohner ein andermal. Nur Eines sei hier bemerkt. Wenn ein Ssarte seine Marktbude verläßt, so setzt er eine Rohrmatte davor, und das schützt ihn vor dem Eintritte Fremder. Niemand wird die Rohrmatte entfernen und die Bude betreten. Dasselbe geschieht bei Nacht und der Form wegen, hängt er an die Rohrmatte ein Hängeschloß. Von Turkestan weiterziehend passierten wir das Ssartendorf Ikan und mehrere Gebirgsbäche, unter denen der Arüß sich durch seinen starken Strom auszeichnet. Hier zerriß an einem Geschirr etwas und ich mußte im Strome stille halten, bis Hülfe kam.

Jetzt bekamen wir wieder bergiges Terrain bis Taschkent; das in einem schönen Thale gelegen mehr einem Garten, als einer Stadt gleicht. Es wurde auf unserm Wege jetzt immer bergiger und steiler (jäher). Ein Unfall passirte Bruder Wiebe, dessen einspänniger Wagen ohne Fuhrmann umstürzte und das Verdeck zerbrach. Drei Stationen vor Taschkent kam uns ein Beamter entgegen, der uns „Kaplanbeck“ zum Winteraufenthalt anwies und durch Kirgisen zeigen ließ. Den 17. Oktober kamen wir hier an, hatten also 15 Wochen gereist. Kaplanbeck liegt etwas seitwärts von der Poststraße, ein holpriger Weg führte und von der Poststraße dorthin. Er kostete noch ein paar Wagenräder.

Bis an`s Ende der Reise hatte uns der Herr die Zuchtruthe auf dem Rücken gelassen, doch seine Gnade immer dabei. In der Wüste nahm er Geschw. Kopper drei Kinder so schnell hintereinander, daß sie in ein Grab gelegt werden konnten. In Kasalinsk begrub Bruder H. Wiebe sein zweites und letztes Söhnchen. In Perowsk wurden zwei junge Leute krank, die von ihren vorläufig noch zurückgebliebenen Eltern voraus mit Andern als Kutscher mitgeschickt waren. In Turkestan kam zu diesen zwei Kranken noch ein Dritter. Die Krankheit war Typhus. Wir brachten sie krank nach Kaplanbeck; der Herr hat ihnen geholfen. Auch hier sind wir von Krankheit nicht verschont. Eine junge ledige Schwester haben wir bereits in`s Grab gelegt. Hier in Kaplanbeck war früher ein Gestüt. Die jetzt leeren Ställe konnten wir für uns und die nachkommenden Brüder in Stand setzen. Es ist hier recht schön und wird besonders im Frühjahr noch schöner sein. In einer Entfernung von 80 Werst haben wir schneebedeckte Berge des Aletau (Alatau – E.K.) vor uns, die uns den verschiedenartigsten Anblick je nach Tageszeit und Witterung darbieten. Es können Gipfel von 5 – 8000 Fuß sein.

Von Taschkent sind wir 20 Werst ab und muß viel dorthin gefahren werden. Auch Taschkent kann und will ich diesmal nicht beschreiben. Wir hatten Verschiedenes zu thun, unsre und der Andern Wohnungen einzurichten, Futter und Brennmaterial herbeizuschaffen etc. Nun sagten uns die hiesigen Leute, daß jetzt der Winter, hier Regen und Schnee, Frost und Wärme durcheinander, deren Resultat Schmutz sein muß, bald anfangen und unsre Arbeit hindern werde. Die andern Brüder (von der Wolga) waren aber noch sechs Wochen, die Molotschnaer neun Wochen hinter uns zurück, wie sollten die dann herkommen? Und wie bangte uns für die Gesundheit der Nachkommenden! Wir hatten 11 Kindlein auf der Reise verloren, mit unsrer Kleinen 12, wie viele dachten wir, würden sie dann wohl hergeben müssen? Nun, wir beteten für sie uns der Herr half. Wir erhielten Nachricht von ihnen aus Karmaktschi, wo sie schon 10 Grad Frost zu leiden hatten, dann noch Turkestan durch einen Juden. Nun rechneten wir schon die Tage nach. Der Herr ließ wohl regnen und schneien, aber auch wieder frieren und trocknen, und so kamen sie denn Montag den 24. November hier an. Ich war nicht zu Hause, sondern mit Fuhren nach Patzen (Lehmziegeln) gefahren und fand sie schon dort. Nein die Freude! Und keine Kranke unter ihnen, trotzdem sie 13 Grad Kälte bekamen, durch beinahe fußtiefen Schnee hatten schreiten müssen, von Regen durchnäßt und von Frost erstarrt waren. Begraben hatten sie unterwegs nur ein Zwillingpaar, an demselben Orte, wo es das Licht der Welt erblickte. Und nun erst die Molotschnaer Brüder! Montag den 2. Dezember rückten sie in Taschkent ein, wo ihnen der General – Gouverneur hatte Wohnungen machen lassen. Denkt euch, sie, der größte Zug von 63 Wagen, hatten den Weg, zu dem wir 15 Wochen brauchten, in 13 Wochen zurückgelegt! Durch den tiefsten Sand hatte der Herr durch Regen und Frost den Weg so zubereitet, daß sie ohne einander vorzulegen, durchfahren konnten. Sie, sowie die zweite Partie waren über Orsk gefahren, wo sie zwar schweren Weg, aber besseren Futter hatten. An den Brunnen der Wüste, wo unsre 43 Pferde kaum satt wurden, sind auch ihre 150 satt geworden! Das hat der Herr gethan und ist ein Wunder vor unsern Augen! Ja auf Adlerflügeln hat der Herr die Erstlinge seines Volkes 2600 und 3600 Werst (ca. 1700 und 2400 engl. Meilen) geführt. Noch eins, geliebte Freunde! Noch ist mir die Warnung: „Verlasset euch nicht auf Fürsten!“ wohl im Andenken. Nun so höret, was hier der General – Gouverneur Kauffmann unsern Deputierten sagte, als sie ihm für das Entgegenkommen dankten: „Gott wird Ihnen weiter helfen !“ war der Schluß der Unterhaltung von seiner Seite. So ist die Obrigkeit Gottes Dienerin uns zu gut! Mehr erwarten wir von ihr nicht. Das walte Gott!

Morgen, so Gott will, fahren wir nach Taschkent, um Sonntag im Verein mit den Molotschnaer Brüdern, deren Aeltesten Abraham Peters auch wir als unsern Aeltesten anerkannt haben, das Mahl des Herrn und das Fußwaschen zu begehen und uns darnach im Liebesmahle mit ihnen zu vereinigen.

(F.B.)

*) Von Irgis aus ließen wir den Hafer durch Kirgisen mit Kameelen durch die Wüste transportieren.