|
|
Aus der Arbeit unter mohammedanischen Frauen in Zentral-Asien in der Zeitung "Offene Türen" Nr. 8, August 1913, S. 12-14 |
|
Kopie der Zeitung "Offene Türen" Nr. 8, August 1913. (gotisch) von Viktor Petkau.
|
|
Aus der Arbeit unter mohammedanischen Frauen in Zentral – Asien. Es ist hier wie in Samara, fast jeden Tag kommen Kranke, und oft so weit her, daß man sie nicht abweisen kann. Dann kommen sie zu allen Zeiten, oft ist es schon ganz Dunkel oder die Sonne ist eben aufgegangen. Zeitbegriffe fehlen den Leuten hier fast allen. Die Sarten kommen immer viel zu früh, die Russen zu spät. Es ist ein großes Arbeitsfeld hier, doch, wie soll man arbeiten. Meine Schwester fährt jetzt in der Woche ein oder zweimal in die Altstadt, wo sie eine offene Tür gefunden hat bei einer sehr angesehenen sartenfamilie, die Tochter will Handarbeiten lernen; hier hatte sie schon öfter Gelegenheit Zeugnis abzulegen für den Herrn. Verschiedene Frauenhöfe haben wir nun kennen gelernt, das Herz tut einem weh, wenn man die armen, verschüchterten Frauen sieht in ihrem lebenslänglichen Gefängnis. Kommt man zum ersten Male, schauen sie einen gewöhnlich recht mißtraurisch und schüchtern an, doch bald, mit ein wenig Liebe und Zuvorkommenheit, hat man sie gewonnen und bald werden sie zutraulich. Dürfte man doch zu ihnen wie man wollte, doch der Weg geht in allen Häusern durch den Männerhof und die Männer wachen sehr über ihre Frauen, nicht jedermann lassen sie hinein. Vor kurzem besuchten wir einen sartischen Kaufmann. Er bewirtete uns reichlich mit Tee und allerhand Süßigkeiten, dann mit gebratenem Hammelfleisch, Möhren, Zwiebeln und Rosinen.Wir wollten zu den Frauen, doch das ging nicht so schnell, erst mußten wir mit ihm gemütlich speisen, endlich durften wir hinein in das Frauenhaus. Eine ältere Frau mit sehr einnehmenden Zügen und ohne die milancholische Traurigkeit der Sartenfrauen, die wir bis jetzt kennen lernten, begrüßte uns freundlich, dann kamen ihre beiden Schwiegertöchter aus dem Hintergrunde hervor und sahen uns scheu an. (Schwester B., die gerade auf der Durchreise mit Bruder B. bei uns war, war mit). Im Zimmer stand eine kleine Wiege, worin ein kleiner einmonatlicher Junge mit Händen und Füßen festgeschnürt war, der Kopf lag auf einem harten Kissen und konnte sich nicht bewegen. Er war in einer Art Presse, wo hinein alle kleinen Sartenkinder müssen, damit der Kopf eine breite Form bekommt, das erste was wir taten, war ihn aufzuschnüren, er reckte und streckte sich und fing dann an zu weinen, armes Kind, seine Ohren waren beide vereitert und schmutzig, doch das eine mehr wie das andere, hinter diesem war noch ein Geschwür, welches am Aufbrechen war. Als sie erfuhren, daß wir Hebammen waren, betrachteten sie uns beinahe mit einer Art Ehrfurcht und brachten uns geschwind alles, was wir brauchten, reines Wasser, Watte ect. Schwester B. hielt den Kleinen und ich säuberte die Ohren, wobei das Geschwür aufbrach und ihm etwas Erleichterung brachte, ich legte dann eine Kompresse auf und gab hom. Medizin, noch einigemal war ich dort, wobei die Leute von Tag zu Tag zutraulicher wurden und uns mit allerlei Sachen bewirteten, d.h. der Mann in seinem Hofe. Aus Dankbarkeit schickten sie uns dann ungefähr 14 Liter Pferdemilch und 5 Pfund eingemachte Feigen. Schade, daß man erstere nicht sterilisieren kann, ich würde es wohl tun und eine Probe mit nach Deutschalnd bringen. In einem andern Hofe hatte der Mann, ein reicher Sarte, der schon in Deutschland, Frankreich und ich glaube auch in England war, drei Frauen; zwei ältere und eine junge, hier war es uns etwas unheimlich, das Haus war so mit allerhand Schlupfwinkeln gebaut und der Mann schien ein Frauenfreund, das beweist, daß er drei Frauen, und noch eine Geliebte im Männerhofe hatte, sie war eine Deutsche. Hier ist eins der vielen Hindernisse, die sich uns in der Arbeit entgegenstellen, diese Deutsche, natürlich unbekehrt, nennt sich Christin und führt ein anstößiges Leben, was nützt dann unsere Predigt? Sie werden sagen: „Ihr seid schlechter als wir, was wollt ihr uns lehren und was kann von euch Gutes kommen?“ Die Russen, dieses arme blinde Volk, das sich auch christlich nennt, ist mit seiner Trinkerei, seinem Kartenspielen und Heiligenbilderanbeten das nächste, oder besser gesagt, das erste hroße Hindernis. Die Sarten lachen über die „kleinen Götter in der Ecke“, wie sie die Heiligenbilder nennen, für die sie aber trotzdem Öl verkaufen, denn zu jedem Feiertag und derer sind es in Rußland nicht wenige, wird die kleine Lampe vor demselben angezündet und jeder Hereinkommende bekreutzt sich andächtig. |
|
Zuletzt geändert am 25 Mai, 2019 |