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Bericht aus Asien in der Zeitung "Offene Türen" Nr. 5, Mai 1913, S. 8-10 |
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Kopie der Zeitung "Offene Türen" Nr. 5, Mai 1913. (gotisch) von Viktor Petkau.
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Asien. Nach der Ernte machte ein Bruder J. J. und ich eine Reise durch die Kisilkumwüste an den Fluß Tschu, wo vor etlichen Jahren eine neue deutsche Ansiedlung gergündet ist. Den 10. Oktober ritten wir von Hause weg und nächtigten nach einem Ritt von 70 Werst in der Stadt Aulie – Ata. Am 11. gings dann weiter der großen Wüste zu und kamen abends am Rande derselben an, wo wir in einem Kosakendorfe übernachteten. Sowohl hier als auch in dem Dorfe, wo wir mittags Rast gemacht hatten, hatten wir Gelegenheit, das Evangelium zu verkündigen. Den 12. ritten wir in die Wüste hinein. Um die Mittagszeit trafen wir einen Aul, wo wir und unsere Tiere uns stärkten, und nachdem wir den Leuten noch das Evangelium verkündigt hatten, ritten wir weiter; wir verfehlten aber des rechten Weges und irrten bis abends umher, ohne den rechten Weg zu finden, und nächtigten dann schließlich zwischen Sandhügel und Strauchgewächs. Da wir kein Wasser hatten, legten wir uns zur Ruhe, ohne gegessen und getrunken zu haben. Das Wetter war dem Herrn sei Dank, sehr schön; der Himmel wölbte sich so schön blau über uns, beleuchtet vom schönsten Vollmonde. Beim ersten Zeichen des herannahenden Tages, ritten wir weiter und fanden um 9 Uhr glücklich einen Aul. Wir machten daselbst Rast und entschädigten uns mit Speise und Trank für die vergangene Nacht. Hier fanden wir einen Mulla, der schon etliche Jahre den Mohammedanern in der Wüste verbietet, das Evangelium zu lesen, welches ich dort verbreitet habe. Schon früher hatte ich von diesem Manne gehört, ohne ihn selbst kennen zu lernen; doch die Zeit war kurz, und da er ebenfalls auf einer Reise war, so wurden wir nur flüchtig bekannt, wir sprachen jedoch über manche ihm unverständliche Stellen des Evangeliums und trennten uns dann. Als wir weiter ritten, verfehlten wir aber wiederum des rechten Weges, fanden ihn aber gegen Abend wieder am Rande eines Saksaulwaldes, der Saksaul – Baum ist ein wurzelähnliches Gewächs und wächst nur im Sande; das Holz ist nur zum Brennen geeignet und da es sehr hart ist, erzeugt es eine besonders starke Hitze. Als wir einen Brunnen fanden, machten wir uns schnell ein Feuer und kochten uns Kaffee; nachdem wir uns und unsere Tiere gestärkt hatten, setzten wir unsere Reise fort, die ganze Nacht durch. Früh morgens erreichten wir ein deutsches Dorf Alexejewka. Es war gerade Sonntag, die Freude der lieben Geschwister war groß. Wir blieben 11 Tage dort; am Tage besuchten wir die Kosakendörfer und verkündigten den Leuten das Evangelium, und abends widmeten wir uns den Geschwistern. Von hier begaben wir uns auf den Heimweg und etliche Brüder begleiteten uns; da sie den Weg gut kannten, so ritten wir nicht mehr irre. Die erste Nacht übernachteten wir wiederum unter freiem Himmel, die zweite in einem Aul. Und, wie wunderbar! Der Herr führte es so, daß der Mulla, den wir auf der Hinreise getroffen hatten, auch zur Nacht hierher kam. Ich konnte den ganzen Abend mit ihm über das Wort Gottes sprechen, und da lernte er den Heilsplan Gottes verstehen. Er rief aus: „Ja, jetzt verstehe ich das und will nicht mwhr dagegen sein“. Als er am andern Morgen Abschied nahm, bat er mich, ihn doch nicht zu vergessen vor dem Herrn. Am nächsten Tage ritten wir weiter und erreichten gegen Abend das am Rande der Wüste gelegene Kosakendorf, in dem wir schon auf der Hinreise übernachteten. Noch einmal durfte ich dort abends das Evangelium verkündigen. Am folgenden tage ritten wir dann weiter, mußten noch einmal unterwegs übernachten und gelangten am 29. Oktober wohlbehalten zu Hause an. |
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Zuletzt geändert am 25 Mai, 2019 |