Bericht von Heinrich Janzen aus Turkestan in „Zions-Bote“ Nr. 46 vom 22. November 1905, S. 2

 

Zugeschickt von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung „Zions-Bote“ Nr. 46 vom 22. November 1905, S. 2. (gotisch) von Elena Klassen.

 

 

Asien, Turkestan, Aule Ata, 25. September.
Heute war ein besonderer Tag der Freude und des Segens, 3 Seelen: Bern. Klassen, Susie Dörksen und Maria Wall wurden durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen. Es war ein sehr stark besuchtes Tauffest, sogar Gäste von der Wolga, Trakt, waren zugegen. Einige andere Seelen bereiten sich zur Taufevor. Einleitung machte Br. Joh. Wall, Taufrede wurde gehalten von Br. Jac. Janzen über Matthäus am Letzten; die Taufe vollzog Br. Fr. Braun.
Gestern wurd in Koeppenthaler Bethause Erntedankfest gefeiert; war auffallend schwach besucht. Nächsten Sonnabend, den 1. Okt. wird solches, so der Herr will, im Gnadentaler Versammlungshause gefeiert werden. Ernteertrag ist sehr befriedigent.
Dann ist ein trauriges Ereignis, menschlich gesprochen, zu berichten, das auch eine Freude in Folge hatte. Den 12 Sept. früh 2 Uhr starb Schwester Wilh. Dyck. Sie erlag einer Entbindung, vor 24 Stunden, und ging getrost der Auflösung entgegen, hinterläßt außer ihrem verwitweten Manne 3 unerzogene Töchter; war etwas über 25 Jahre alt. Die nächste Folge war, daß sich 3 verirrte Seelen wieder in die Gemeinde aufnehmen ließen.
Am 5. Sept. geschah ein, sogenanntes, Unglück bei B. Dyck in Gnadental, indem ein Kirgise, er war der Halbbauer (??? – E.K.) von Dyck, einem kleinen Kirgisenjungen mit dem Revolver von Dycks Sohn ins Gesicht schoß. Die Kugel ging an der linken Seite an der Nase ein und machte den Ausgang an der rechten Seite unter dem Backenknochen. Der Beschädigte ist bereits geheilt und hält auch keinen Schaden außer den Narbe. Der Revolver wurde vom Pristaw abgeholt. Der Schuß wird ziemlich teuer werden. In der Ernte verunglückte G. Reimer, indem er vom Urmaral – Berg herunterfuhr, folgten die Pferde nicht und er stülpte seitwärts hinab. Reimer kam zum Bewußtsein, als man ihn verband und auf den wieder aufgerichteten beladenen Wagen brachte. Er hatte eine ziemliche Wunde am Hinterkopfe, außerdem war er stark im Genik verletzt.
Morgen gedenkt Fr. Pauls nach Rußland abzufahren, seine verwitwete Schwiegermutter, C. Martens, jetzt Pastwa fr. Liebenau, herzuholen. Nach 14 Tagen gedenken Geschw. Jacob Reimers Grdt. (?? – E.K.) nach der Krim abzufahren, Schw. Abr. Kröker und ihre Schwester Helena werden sie wohl begleiten.
Corn. Wall sen. Müller ist nach einer etwa anderthalbjährigen Abwesenheit aus dem europäischen Rußland heimgekehrt. Weizen preist jetzt 8 Rbl., Hafer 5 Rbl. a Batmann – 12 Pud. Schweinefleisch hatte den höchsten Preis 7 Rbl. a Pud, ist aber bereits gesunken. Das Wetter ist sehr günstig für das Einbringen des Erntesegens. Obst ist gut gediehen, nur haben wir in demselben schon hin und her Würmer entdeckt, was bisher nicht da war. Im August kam Hein. Neumann, Sohn des Pet. Neumann, Koeppenthal, hier an; er kam von Omsk. Br. Jacob Giesbrecht muß wieder sitzen; eine schwere Prüfung für die Geschwister. Der Schulunterricht begann mit der Mitte d. Mts. Ich nenne unsere Dorfsnamen absichtlich mit ihren deutschen Namen, da den früher Weggezogenen die russischen Namen nicht bekannt sind.
Zuletzt einen innigen Gruß an alle Leser, besonders unsere gewesenen Asiaten: Heinrich Wedels u. D. Peters nebst Kindern besonders, dann noch Geschwister Wilh. und Jac. Martens. Von Letzteren einen Brief erhalten und beantwortet. Dann noch an Claas Kröker und H. Unruhs, beide aus der Krim. Meine Frau ist Maria Töws, Timir Volost, Krim. Im vorigen Sommer sandte ich mit andern Photographien zusammen auch eine solche an H. Janzen, Oklahoma; ob er selbige erhalten hat? Bekommen keine Nachricht.
Grüßend
Heinrich Janzen.

 

Bemerkungen von Elena Klassen (ohne Gewähr) –
der Verfasser des Berichtes Heinrich Janzen - es handelt sich womöglich um die Familie Janzen, die auf dem Foto S. 17 (s. unten) im Buch von R. Friesen „Die alte Heimat im Talas – Tal, Bildband“ abgebildet ist.

   
Zuletzt geändert am 22 Februar, 2019