| Unter  den Kirgisen in Zentral – Asien.   Mancher Leser wird uns gewiß gern einmal im Geiste auf  einer Reise zu den Kirgisen in Zentral – Asien begleiten. Im Sommer sind die Kirgisen auf ihren Sommerplätzen in  den Gebirgen zu finden. Will man zu ihnen gelangen, so gilt es manchen riesigen  Gebirgsrücken zu übersteigen und auch einige gefahrvolle Stellen zu passieren.  Abgesehen von einigen Kleinigkeiten ging die Reise gut. Wir hatten abwechselnd  kühle Witterung und heißen Sonnenschein. Was uns wirklich zuweilen etwas  hinderlich war, das waren Br. J´s rheumatische Schmerzen, die sich jedesmal bei  kühler Witterung und nachts, hauptsächlich am Kopfe, dann aber auch in allen  Gliedern einstellten. Die Aufnahmer bei den Kirgisen war überall eine  freundliche, und die Verkündigung des Evangeliums war von sichtlichen  Eindrücken begleitet. Wir sind dem Herrn sehr dankbar, daß wir diese Reise  machen durften.
 Unser Weg führte uns zunächst den Gebirgststrom Talas, in  östlicher Richtung an der Alexanderkette, entlang. Die ersten vier Tage ritten  wir dieselbe Strecke, die Bruder J. und Bruder R. vor 2 Tagen schon einmal  gemacht hatten. Überall, wo wir anhielten und Nachtherberge bekamen, erinnerten  sich die Kirgisen jenes Besuches, und die Eindrücke der gesprochenen Worte  waren noch nicht verwischt. Sehr freundlich und als alte bekannte wurden wir  von einem reichen Kirgisen aufgenommen. Er ließ es sich nicht nehmen, für uns  ein Lamm zu schlachten und uns aufs beste zu bewirten. Als Bruder J. sich nach  seinem Ergehen erkundigte, behauptete er, daß er seit jenem Besuche niemals  mehr Zinsen für ausgeborgtes Geld nehme und überhaupt versuche, nach bestem  Gewissen zu handeln. Wir verkündigten nun ihm und den andern Zuhörern, die sich  nach und nach versammelt hatten, mit allem Nachdruck das Wort vom Kreuz, welches  es völlig ausschließt, daß man sich den Himmel verdienen könne. Unsere Zuhörer  blieben von der Kraft des Wortes nicht ganz unberührt, was aus ihren Fragen,  die sie an uns stellten, deutlich hervorging. Bruder J. bekam es noch besonders  mit dem Hauslehrer zu tun, einem gut geschulten Manne, der ihre Religion zwar  in anständiger Weise aber sehr energisch zu verteidigen suchte. Bruder J.  betonte besonders, daß das nutzlose Hersagen ihrer Gebete in arabischer Sprache  Gott sicher nicht besser gefalle, als wenn man seine Bedürfnisse Gott in  eigenere Sprache sage. Dieses den Kirgisen deutlich zu machen, war überhaupt  ein leitender Gedanke bei unsern Gesprächen mit ihnen. Manche waren tief  ergriffen von dem Gedanken, daß Gott sie erhöre, auch wenn sie in ihrer Sprache  zu Ihm beten. Unser Mullah wurde mit der Zeit entwaffnet und verabschiedete  sich am andern Morgen in sehr freundlicher Weise von uns. Zur folgenden Nacht  kamen wir zu einem andern Kirgisen, der uns vollständig unbekannt war. Auch er  erwies uns viel Gastfreundschaft, ließ schnell von einem Knaben ein Schaf holen  und es für uns schlachten und zubereiten. Unser Wirt, die andern 4 oder 5  Männer des Hauses, zwei Frauen und zwei halb erwachsene Töchter hörten unserer  Rede aufmerksam zu. Wir glauben, daß der lebendige Same dort nicht vergeblich  ausgefreut wurde. Dort war es gerade sehr kühl, und nachts gab es etwas Frost,  infolgedessen hatte Bruder J. starke Schmerzen.
 Unser nächstes Ziel war das Suamirtal; ein langes,  hochgelegenes, fruchtbares und reichbewässertes Tal, welches zur Sommerzeit von  zahlreichen Kirgisen mit großen Herden Vieh bewohnt wird. Hier sind die ersten  Quellen des Syrdarja, die sich zu einem Strom bilden, welcher talabwärts in  östlicher Richtung fließt, dann aber einen Bogen zwischen den Gebirgen macht,  beständig anwächst, und als Narümfluß in westlicher Richtung ein anderes Tal,  Kettmenteppe, in starker Strömung durchzieht. Noch einmal durchbricht er hohe  Gebirgsketten, vereinigt sich dann in der Gegend von Andischan mit dem Sir und  durchfließt in 1800 Kilometer Syr – Darja`s Steppen und Sandwüsten, um dann den  Aralsee zu erreichen. Im Winter ist das Suamirtal wie ausgestorben; die großen  Schneemassen und kalten Stürme machen ein Wohnen dort unmöglich. Vor einigen  Jahren kamen russische Ansiedler über denselben Engpaß, den wir am andern  Morgen passierten, und versuchten dort die Landwirtschaft; aber auch sie  konnten den strengen Winter nicht ertragen und verließen im letzten Frühjahre  das Tal. Von diesem hohen Gebirgsrücken aus, auf dem hier und da noch etwas  Schnee lag, hatten wir eine wundervolle Aussicht. Vor uns in weiter Ferne  erstreckte sich eine viele Kilometer lange Gebirgskette mit vielen hoch  emporragenden Schneekuppen. Tief unten zu unsern Füßen dehnte sich das Tal mit  seinen grün bekleideten Hügeln und rauschenden Gewässern aus. Der blendend  weiße Schnee auf den Bergspitzen erglänzte in der strahlenden Morgensonne. Die  Luft war still und durchsichtig. Wir genossen dieses großartige Bild eine kurze  Zeit in Anbetung vor Gott und beteten zu Ihm um die Errettung armer Kirgisen.  Im Laufe des Tages besuchten wir einen Bekannten von Bruder J., einen reichen,  alten Kirgisen, der die Reise nach Mekka gemacht hat, und darum als heiliger  Mann viel Ansehen von seiner Umgebung genießt. Er begrüßte Bruder J. mit großer  Wärme, und freute sich, ihn noch einmal zu sehen, zeigte sich aber für das  Evangelium ziemlich unempfänglich. Sein Sohn ist ein vornehmer, abgefeimter  Blutsauger unter den Kirgisen und Bruder J. im Herzen nicht zugetan. Nachdem wir  hier unsere Pferdefleischsuppe gegessen und etwas Tee  mit Gebäck genossen hatten, machten wir uns  auf den Weg, um in einem andern Aul (Dorf) Herberge zu finden. Es war bereits  dunkel geworden, als wir nach einm längeren Ritt zu einem älteren Kirgisen kamen,  der uns in seine Jurte aufnahm. Er versicherte uns, daß er nicht in der Lage  wäre, uns würdig aufzunehmen, da seine Hütte so klein sei. Durch einige  beruhigende Worte verscheuchten wir seine unnötige Besorgnis, und während des  Teetrinkens verkündigten wir ihm das Evangelium. Dieser Alte, und seine Schaf-  und Pferdehirten lauschten mit sichtlichem Interesse der frohen Botschaft des  Heils, und ein junger Mann erbat sich ein Buch. Wir schenkten ihm gerne einen  Band der 4 Evangelien in sartischer Sprache. Des andern Tages ritten wir über  mehrere Bergrücken, dann in beträchtlicher Höhe einer wilden Gebirgsschlucht  entlang, bis wir um Mittag mehrere Auls antrafen. Von einem Aulvorsteher wurden  wir mit tiefer Ehrfurcht empfangen, und zwar aus folgendem Grunde. Vor etwa 10  Jahren wurden die Kirgisen dieser Gegend von einem berüchtigten Aufwiegler  gegen die russische Regierung aufgestachelt. Nach einem wirklichen Aufstand  wurden sie dann von der Regierung empfindlich gestraft, und die Wirkung ist  nicht ausgeblieben; sie sind von ihren rebellischen Gedanken vollständig  geheilt und erweisen sich jetzt sehr unterwürfig. Sie haben in uns russische  Beamte, daher auch der Extraempfang. Wir aber sprachen bald mit ihnen über Gott  und Jesus. Ein Mullah interessierte sich besonders für das Evangelium, und wir  schenkten ihm später auch ein Buch. Da Bruder J.`s Pferd erlahmt war, erbaten  wir uns für eine kurze Strecke ein Pferd für ihn und einen Begleiter; beides  wurde uns am nächsten Morgen mit Bereitwilligkeit gewährt. Der Mullah  begleitete uns bis zum nächsten Aulvorsteher, wo uns auf seine Empfehlung gute  Aufnahme zuteil wurde. Während ein junges Schaf geschlachtet und zubereitet  wurde, unterhielten wir uns mit einigen Männern und alsen ihnen aus der Schrift  vor. Ein junger, gesund und stark aussehender Mann widersprach unsern Worten.  Im Laufe des Gespräches stellte es sich heraus, daß er ein stark in Sünden  gebundener Mensch war, an einer bösen Krankheit litt und deshalb schon lange  nicht mehr seine Gebete verrichtete, weil er an seinem Körper zu unrein war.  Wir sagten ihm, daß er trotzdem zu Gott kommen könne, und daß Gott ihn um Jesu  willen von seinen Sünden heilen wolle; denn Jesus habe die Sünden aller  Menschen gebüßt. Unser Begleiter erklärte mit kurzen aber klaren Worten den  Hauptinhalt unserer Lehre. „Weil Jesus um der Sünden willen der Menschen  geopfert ist, vergibt Gott Sünden.“ Der Eindruck der Unterhaltung war offenbar  nicht ein oberflächlicher, und wir begaben uns mit Dank gegen den Herrn zur  Ruhe. Am andern Morgen verabschiedeten wir uns in aller Frühe und ritten in  Begleitung eines andern Krgisen einen hohen Gebirgskamm hinan, um an der  anderen Seite des Tales das andere Tal, Kettmenteppe, zu besuchen. Als wir nach  kurzem aber beschwerlichen Ritt oben angekommenwaren, verlies uns der  Kirgisenjunge, der uns eine kurze Strecke begleitet hatte, und wir ritten  allein weiter. Hier oben war`s schön. Zu beiden Seiten erhoben sich hohe in die  Luft ragende Felsen; links an der Felsenwand lachender Sonnenschein, rechts bestrichen  graue Nebelwolken, von kühlem, scharfem Winde getrieben das scharfkantige  Gestein der ungeheuren Felsen. Nun gings wieder an einer jäh abfallenden  felswand hinunter nach der anderen Seite, auf einem stufenweise im Zickzack  hinunterführenden Pfad. Wir führten natürlich unsere Pferde am Zügel, bis wir  nach einer kleinen Stunde besseren Weg hatten. Die Schlucht erweiterte sich  mehr und mehr, und die Sonne schien bald rechlich warm, so daß wir uns schon  danach sehnten, endlich in den Schatten zu kommen, um uns zu erquicken. Nach  mehreren Stunden kamen wir um die Mittagszeit zu den ersten Bauwerken der  Kirgisen, die sich in diesem ziemlich großen Tal für den Winter errichtet  haben. Im Sommer findet man hier nur meistens junge Männer oder Jünglinge, die  das Feld bestellen, während die Familien mit dem Vieh oben in den Bergen  sitzen. Zu unserer Freude sahen wir hier einige von diesen jungen Leuten im  Schatten eines Dorfes lagern. Wir ritten auf sie zu. Sobald sie uns erblickten,  sprangen zwei von ihnen auf und ergriffen die Zügel unserer Pferde, aber nicht,  um uns zu überwältigen, sondern um uns absteigen zu lassen. Die Pferde wurden  gefüttert, und in kurzer Zeit war auch der Tee fertig. Wir verkündigten auch  diesen unwissenden Menschen das Wort vom Kreuz. Mit gespannter Aufmerksamkeit  lauschten sie unsern Worten. Wir sagten ihnen, daß sie uns von Gott gezeigt  worden wären, und daß wir ihnen nun im Auftrage Gottes den Weg zur Errettung  verkündigten. Wir sähen uns zum ersten und vielleicht auch zum letzten Male und  wären daher schuldig, ihnen den Weg klar zu machen, dagegen wären sie jetzt  verantwortlich für die gehörten Worte. Es waren 11 Zuhörer, und einige von  ihnen schienen sehr ergriffen zu sein. Wir empfahlen die Aussaat dem Herrn und  ritten weiter. In der Abenddämmerung erreichten wir einen anderen Flecken und  fanden bei Arbeitern Nachtherberge. Beim Schein des Mondes verkündigten wir das  Wort des Lebens 12 Seelen, die rasch zusammengekommen waren, und wiesen auf das  Opfer von Golgatha hin. Wohl selten hat man so aufmerksame Zuhörer, wie diese.  „Wir wissen nicht den Weg, und unsere Mullah`s haben ihn uns nie so klar  gesagt“, so bezeugten sie.
 Am nächsten Tage brachen wir in aller Frühe auf, um noch  vor der Tageshitze ein Stück Weges zurückzulegen. Das Tal ist von hohen  Gebirgen eingeschlossen, die nur überritten, nicht überfahren werden können,  und im Sommer herrscht hier große Hitze und Windstille. Eine große  Erleichterung für die Bewohner ist das viele Wasser, welches in mehreren  kleinen und einem großen Flusse das Tal durchzieht. Unser nächstes Ziel war  eine russische Ansiedlung in diesem Tale, wo wir uns und den Pferden etwas rast  gönnen wollten. Gegen Mittag erreichten wir das Dorf und fanden auch bei einem  russischen Bauern Quartier. Inzwischen aber sprachen wir noch bei einer Tasse  Tee mit 8 Kirgisen von der Erlösung des Menschen durch Christus. Bei einem von  den jungen Leuten war der Eindruck so stark, daß er uns beim Abschiede 35 Kop.  überreichte und uns bat, sie als Ausdruck seiner Dankbarkeit anzunehmen. Solche  Gaben gibt ein Mohammedaner sonst nur seinen Lehrern. Daß dieser junge Mensch  auch uns mit solcher Gabe beehrte, bewies nur, daß er tief ergriffen war von  unsern Worten und sie mehr schätzte, als das fade Gerede ihrer Priester. In dem  russischen Dorfe weilten wir 1 ½ Tage. Für Bruder J. war der Aufenthalt dort  sehr gut, seine Schmerzen ließen ganz nach; auch unsere Tiere erholten sich  gut, aber die Hitze war sehr drückend. Unser Wirt zeigte sich offen für die  Wahrheit, er hatte selbst ein Neues Testament und las fleißig darin.
 Am 30. Juli traten wir auf einer andern kürzern Strecke  den Heimweg an. In dem Tal sprachen wir desselben Tages noch einmal mit  Kirgisen. Der Eindruck unseres Zeugnisses kam in folgenden Worten eines jungen  Kirgisen zum Ausdruck. Ein zweiter fragte ihn nämlich: „Was sind das für Oruß?“  (gemeint war Russen). Darauf erwiederte er: „O, das sind nicht Russen, sondern  Deutsche. Sie sagten uns bessere Worte als unsere Lehrer, und wir müssen es so  machen, wie sie sagten, sonst können wir nicht selig werden“. Die folgende  Nacht verbrachten wir in einem Aul hoch oben in den Bergen. Bruder J. hatte  wieder seine Schmerzen, und nach eingenommener Mahlzeit legten wir uns zur  Ruhe. Morgens ließen wir die Männer des Auls zusammenkommen, und Bruder J.  sprach vor 15 Mann von dem Heil in Christo. Ein Mullah widersprach, indem er  sagte, daß das Gesagte nicht mit ihren Büchern übereinstimme, andere hörten  schweigend zu. Wir hatten nun auch hier getan, was wur tun konnten. Nach einem  mehrstündigen scharfen Ritt kamen wir über den letzten Gebirgskamm mit  ziemlichen Schneemassen in eine felsige, wildzerklüftete Schlucht, in welcher  wir abwärts unserm Tale zuritten. Bei einm Bekannten von Bruder J. machten wir  noch einmal Halt und setzten dann unsere Reise weiter fort. Als bereits der  Abendseine Schatten über Berg und Tal gelagert hatte, erreichten wir ein  kleines deutsches Dörfchen, welches am Rande des gebirges vor einigen Jahren  angesiedelt worden ist; dort wohnen Bruder J.`s Brüder. Nach erquickender  Nachtruhe in diesem Dorfe erreichten wir am andern Morgen unsere Heimat und  freuten uns der Gnader des Herrn, der uns und die Lieben zu Hause bewahrt  hatte.
 Wir sind der festen Überzeugung, daß die Reise nicht  vergeblich gemacht wurde. Mancher Kirgise hörte wenigstens einmal die Botschaft  des Heils. Manches Auge eines starren Nomaden leuchtete bei der Anhörung einer  so einfachen und doch so wunderbaren Botschaft freudig auf. Und der Erfolg? Wir  wollen es dem Herrn überlassen, dessen Wort es ist, welches wir verkündigen.
 A. J. |