Reiseberichte aus Asien in der Zeitung "Offene Türen" Nr. 1, Februar 1912, S. 4-7, 9-13

 

Zugeschickt von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Offene Türen" Nr. 1, Februar 1912. (gotisch) von Viktor Petkau.

 

 

Turkestan.
In der neuen Heimat.

Seit unsrer Ankunft hier sind nun bereits drei Monate verflossen. Wir durften von Anfang unsrer Reise an bis jetzt die Güte und Treue unseres Gottes in reichem Maße erfahren. Wir sehen es als ein Vorrecht an, daß der Herr uns gewürdigt hat, hierher gehen zu dürfen. Wenn wir uns selbst betrachten und an die Hindernisse denken, welche der Missionsarbeit hier in Russisch – Zentralasien entgegenstehen, so möchten wir uns sagen: Wir werden hier nichts ausrichten. Dies ist nun aber nicht unsre Sache. Wir haben die feste Überzeugung, daß der Herr uns hierher gerufen hat und möchten uns von Ihm in allen leiten lassen. Dies ist von so großer Wichtigkeit. Möchte uns der Herr in Gnaden davor bewahren, Seinem Werke irgendwie im Wege zu stehen oder etwas Eigenes zu unternehmen. Wir bitten besonders den Herrn darum, wenn Er Arbeiter hierher sendet in dies weite Gebiet, daß er nur solche sein möchten, die Seiner Sache in keiner Weise Hindernisse bereiten durch unweises Verhalten oder unvorsichtiges Vorgehen.
Über die Verhältnisse Turkestans ist in früheren Nummern von „Offene Türen“ manches berichtet worden, ich will deshalb darauf nicht eingehen. Gewiß hatte Gott Seine Absicht dabei, als vor etwa 30 Jahren eine große Anzahl Deutscher hier ansiedelten. Wir haben hier manche sehr liebe Kinder Gottes kennen gelernt, doch leider gibt es auch hier unter den Deutschen viele, die nur dem Bekenntnis nach Christen sind, während man von geistlichem Leben und Interesse für die Sache des Herrn nichts bei ihnen bemerken kann.
Wir sehnen uns so sehr danach, bald die Sprache der Kirgisen verstehen und sprechen zu können, doch wenn man tagsüber im irdischen Beruf tätig sein muß, so bleibt dafür wenig Zeit und es dürfte immerhin noch eine Weile vergehen, bis wir mit den Kirgisen, die zu uns kommen, in ihrer Sprache vollkommen verkehren können. Wir können ihnen also bis jetzt noch nicht das Evangelium verkündigen, wie es unser Herzenswunsch ist, doch etwas anderes können und dürfen wir und dadurch haben wir sehr bald das Vertrauen der Kirgisen gewonnen. Wir treiben an ihnen praktische Mission. Wir wohnten erst einige Tage hier, als wir bald Besuch von Kirgisen, Männern und Frauen, erhielten, welche Hilfe in allerlei Krankheiten bei uns suchten. Da wir uns ihrer annahmen und nach Möglichkeit ihnen zu helfen suchten, so waren wir unter ihnen bald bekannt und seitdem vergeht selten ein Tag, wo nicht eine Anzahl Kirgisen kommen und die Hilfe der neuen „Doktor`s“ begehren. Hauptsächlich ist es meine Frau, die sich mit ihnen beschäftigt. Vielen Kirgisen haben wir helfen dürfen, doch leider müssen wir manche wieder wegschicken, ohne ihnen helfen zu können, weil es uns an Medikamenten, Instrumenten und dergl. fehlt. Vielleicht legt es der Herr einigen Kindern Gottes, die gern mithelfen möchten, daß die Not unter den leiblich und geistig verkommenen Mohammedanern gelindert wird, aufs Herz, dafür etwas zu tun, denn unsere eigenen Mittel reichen nicht aus zur Anschaffung dieser Dinge, die hierzu Lande noch dazu recht teuer sind. Menschlich betrachtet ist es keine angenehme Sache, mit diesen unwissenden, schmutzigen und fast in allen Fällen mit Ungezieffer behafteten Menschen umzugehen, besonders darf man auf Dank bei ihnen nicht rechnen, ja manche erweisen sich als sehr undankbar. Das soll uns jedoch nicht hindern, uns ihrer anzunehmen soviel in unsern Kräften steht. Wissen wir doch, daß auch wir in den Augen unsers Gottes nicht besser sind als diese Armen und daß es nur Sein Erbarmen ist, welches uns zu Christo zog und in Ihm uns zu Gefäßen Seiner Gnade machte.
Wir freuen uns in dem Bewußtsein, daß teure Kinder Gottes in Deutschland und anderswo betend unsrer gedenken und möchten sie bitten: Laßt uns nach in der Fürbitte für die Völker, unter welchen der Same des Wortes Gottes oft unter großen Schwierigkeiten ausgestreut wird. Betet für die Brüder und Schwestern, die der Herr für diesen Dienst berief und betet weiter noch für uns, daß der Herr uns tüchtig machen möge, zu Seines Namens Ehre und zum Heil verlorener Menschenseelen unsern Platz nach dem Willen unseres Gottes auszufüllen.
1. Kor. 15, 58: „Daher, Geliebte, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“.

Oswald Herhold und Frau.

 

 

Unter den Kirgisen am Tschu.

Von meiner Reisen nach der deutschen Ansiedlung am Tschu, kehrte ich vor eineigen Tagen zurück. Vor 5 Jahren wurde den hiesigen Deutschen von der Regierung ein Stück Land am Tschu zur Besiedlung angeboten. Etwa 30 Familien aus unserer Mitte wagten es dann, und siedelten dort in der wilden unkultiviereten Gegend an. Anfänglich stellten sich den Ansiedlern fast unüberwindliche Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg. Schon der Weg dorthin, der teilweise durch die Wüste führt, war so anstrengend für das Vieh, daß vieles den Strapazen erlag. Auf dem Ansiedlungsplatz angekommen, machten die ungeheuren Mückenschwärme das Leben für Menschen und Vieh fast unerträglich. Dazu kam noch, daß man einen ungünstigen Bauplatz gewählt hatte, der wieder geräumt werden mußte nachdem sich die meisten schon kleine Hütten errichtet hatten. Im Winter bei anhaltendem Frost tritt nämlich der Tschu in seinem unteren Lauf aus den Ufern und überschwemmt durch die Anstauung der Eisschollen weite Gegenden. Auch der Bauplatz der Ansiedler wurde von den Gewässern berührt. Deshalb waren sie gezwungen, einen andern zu wählen.
Gegenwärtig hat sich die Lage der Ansiedler bedeutend gebessert. Sie bewohnen ihre bescheidenen Lehmhütten und essen ihr eigenes Brot. Manche sind sogar imstande Vieh zu verkaufen. Diese gedeiht bei dem vortrefflichen Futter, das dort in Menge vorhanden ist, vortrefflich. In irdischer Hinsicht werden die Leute bald ihr gutes Fortkommen haben. Außerdem bietet die Gegend nach mancher Seite hin viel Interessantes. Zwischen hohem Röhricht und unbeschreiblichem Dickicht von Oliven- und Weidengebüsch, wälzt sich das ansehnliche Gewässer des Tschu`s, fortwährend Sand empormahlend und unheimliche Tiefen bildend, mit geheimnisvollem Geplätscher, dahin. Schade ist es, daß dieses Wasser, (eigentlich ein Nebenfluß des Syrdarja), sich in Sumpf und Sand verliert. Das Dickicht wird von zahllosen Enten und Gänsen, sowie Fasanen und anderen Vögeln bewohnt. Besonders häufig sind auch Wildschweine, Hirsche und Rehe, leider auch Wölfe. Seltener kommt der Tiger vor.
Verzeihen Sie, daß ich Jhnen eine kleine Beschreibung der Gegend mache. Da ich großer Naturfreund bin, kann ich ja nicht anders. Mitte in dieser freien Natur haben sich die wenigen Deutschen niedergelassen, unter denen auch einige liebe Geschwister sind. Ich hielt mich dort fünf Tage auf und diente jeden Tag mit dem Wort. Schade daß zwei von den Brüdern nicht zu Hause waren. Der Herr hat ja schon früher durch Bruder Bohn und Thielmann dort etwas wirken können und ich hoffe, daß auch meine in aller Schwachheit getane Arbeit nichr vergeblich sein wird.
Die Reise dorthin machte ich zu Pferde mit einem Bruder Epp zusammen, der dort wohnhaft ist und Geschäfte halber auf unserer Kolonie gewesen war. Der Weg dorthin führt, wie schon erwähnt, durch die Wüste. Diese hat aber hier einen mehr harmlosen Charakter und ist nicht so grauenhaft wie z.B. die Wüste Kisil – Kum, (roter Sand), zwischen Buchara und Chiwa oder gar wie die Wüste Gobi oder Shara. Dank des vielen nahrhaften Gesträuchs und Gestrüpps mit dem die Sandhügel bewachsen sind und der vielen, großen Rohrfelder, ernährt sie sehr viel Vieh, hauptsächlich Schafe, aber auch Kameele, Pferde und Rinder. Es ist daher nichts Seltenes, wenn man ganze Herden Pferde am Tage und Nachts frei umherstreifen sieht. Das andere Vieh wird mehr gehütet. Hier führen die Kirgisen in der großen Wüste ein freies Nomadenleben. Offen steht auch die Hütte eines jeden Kirgisen dem Reisenden der dich seiner Aul naht, und nach einem ermüdenden Ritt fühlt man sich des Sommers in der kühlen Jurte, des Winters bei dem wärmenden Feuer gewiß gerade so wohl als in irgend einem, mit allem modernen Komfort ausgestatteten Hotel. Diese Kirgisen unterscheiden sich von unsern Kirgisen in mancher Hinsicht. Erstens dadurch, daß sie sich selbst Kosak nennen und einen etwas anderen Dialekt sprechen. Wenn ich nicht irre, sind es die in den geographischen Büchern bekannten, gastfreien, friedliebenden Kirgisen, die auch in den weiten Steppen Sibiriens wohnen. Bei ihnen zeigt auch das Weib ein bedeutend freieres Auftreten, als bei unsern Kirgisen. Sie lieben sehr Gesang und singen gern zu zweien ihre Volkslieder. Unter ihnen herrscht die Sitte, daß der Gast ein Lied vorsingt. Dieser Umstand paßte uns und wir sangen ihnen auf dem Rückwege, als wir eine größere Gesellschaft waren, einige Lieder, unter anderem auch in ihrer Sprache das Lied: „Jesus nimmt die Sünder an!“ Es liegt ein eigener Reiz darin, beim flackernden Schein des Feuers, während vielleicht das Schaffleisch im Kessel kocht und die Frauen die Nudeln zubereiteten, fern von allen Zeremonien, auf den Decken mit unterschlagenen Beinen sitzend, diesen Kindern der Wüste das teure Evangelium zu bringen. Mit besonderer Aufmerksamkeit hörte man mich auf dem Rückwege auf zwei Stellen an. Auf der einen Stelle war es ein erblindeter Mann, dem die Botschaft von Jesus sehr zu Herzen ging. Ich erzählte ihm von unserm blinden Bruder Achmat, wie ihm das innere Auge geöffnet worden wäre und er nun glücklich sei trotz seines traurig scheinenden Zustandes. Wir durchlaufen schnell dieses Leben und Gott wolle uns für eine bessere Welt zubereiten, deshalb mache er es so, damit wir diese Welt nicht lieben sollen u.s.w. Auf der anderen Stelle in einem einsamen Aul war es ein älterer Mann mit seiner Frau, die wirklich innerlich gerührt waren von der Liebe des großen Allah zu uns armen elenden Menschen, der nicht wolle, daß jemand verloren gehe. Sofern ein Mensch, sei er Mohammedaner oder sonst irgend einer Religion Angehöriger, überführt ist von seinem tiefen Elend, nimmt er ja gern den Sünderheiland an, der ihn erlöst hat, und es ist gar nicht nötig, daß man ihn von der Unzulänglichkeit seiner Religion überführt. Das wird sich auch bei den Kirgisen bewahrheiten. Es ist deshalb der beste Rat nach dem Worte des Paulus zu handeln: „Wir aber predigen Christus den Gekreuzigten u.s.w.“
Den Rückweg von der Ansiedlung machte ich per Wagen. Mehrere Deutsche hatten Geschäfte zu erledigen in der Stadt und auf unserer Ansiedlung, so nahm ich die Gelegenheit wahr und fuhr mit ihnen. Die erste Nacht brachten wir unter freiem Himmel zu bei ungefähr 7 Grad Frost. Wenn Sie aber meinen, daß wir gefroren haben, irren Sie sich. Der liebe Gott hat in der Wüste eine Art Gestrüpp wachsen lassen, das stets brennt, wenn es angezündet wird, auch wenn es naß oder grün ist. Dazu läßt es sich leicht ausbrechen und man kann es leicht zerkleinern ohne Beil. Von diesem Holz schleppten wir eine Menge zusammen und zündeten es an; so hatten wir Ofen und Kochherd zugleich und wir litten keine Not. Die übrigen Nächte waren wir dann bei den freundlichen Kirgisen. Interessant ist es auch, das Nachtquartier zu suchen. Die Auls stehen selten am Wege und man kann sie vor den hohen Sandhügeln nicht sehen. Deshalb stößt man, wenn die Zeit zum Rasten gekommen ist, einen langgezogenen, schrillen Schrei aus. Ist in Hörweite ein Aul vorhanden, dann schlagen die Hunde an und man nimmt die Richtung, von woher man das Hundegebell hört, auf. Vielleicht ist es ganz in der Nähe, vielleicht auch in der Ferne, vielleicht ist auch gar nichts zu hören; dann muß man das Verfahren wiederholen, wenn man eine Strecke weiter geritten ist. Als wir uns eines Abends verirrt hatten, waren die Kirgisen, die sich gerade zu uns gesellt hatten, ganz unbesorgt, sie stießen nur ab und zu jene weit hörbaren Töne in die dunkle Nacht hinein, bis wir nach mehrstündigem Ritt auf ein Aul stießen, wo wir dann gastfreie Aufnahme fanden und bei dem lustigen Feuer bald unsere etwas erstarrten Glieder wärmen konnten.
Für die Ansiedler bleibt dieser Weg immerhin sehr beschwerlich und wir begrüßen es daher alle freudig, daß nun doch endlich die Eisenbahn bis Aulieata und weiter nach Wernoje gebaut werden soll, wodurch auch den Deutschen am Tschu der Wagenweg kürzer gemacht wird. Dann können Sie uns auch leichter besuchen und nachsehen ob ich phantasiere oder die Wahrheit gesprochen habe.
Seien Sie inzwischen recht herzlich mit all den Lieben in der Bibelschule gegrüßt von Ihrem

Dankbaren Bruder in Christo
A. Janzen.

Wie man in Turkestan reist.

Unsere zweite Reise traten Bruder G.R. und ich den 18 Oktober 1911 an indem
Bruder R. zur Stadt fuhr und ich gleich von zu Hause aus ritt. Auf dem Wege traf ich mit einem Sarten und einem Kirgisen zusammen und ich machte sie auf die Zeichen der Zeit aufmerksam, und daß es not täte, daß wir uns bereit machten auf das Ende unserer Tage. Den 19. kamen wir zur Stadt und besorgten für Bruder R. einen Reisepaß. Den 20. ritten wir von der Stadt nach Golowatschowka. Auf dem Wege dorthin trafen wir mit zwei jungen Kirgisen zusammen und wir durften ihnen das Wort ans Herz legen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“. Den 21. ritten wir des Morgens von da nach Terß und tranken dort Tee und fütterten unsere Pferde, zur nacht kamen wir bis Tschakbak, von da ritten wir den 22. erst spät weg, denn mein Pferdchen lahmte schon zwei Tage und wir wußten nicht was ihm fehlte. Um 3 Uhr kamen wir nach Tullkibatsch und fütterten dort in einer Karawanserei. Hier trafen wir einen jungen Menschen, der sich zuerst sehr für unsere Testamente in Sartischer Sprache interessierte, als er aber ein wenig darin gelesen hatte, gab er es uns mit vielen Vorurteilen zurück. Dann ritten wir von da hinweg und kamen um 10 Uhr des Abends nach Mankent. Des Morgens des 23. ritten wir von da nach Sairam, einem großen Sartendorfe, links von Tschimkent dort befinden sich viele sogenannten Heiligengräber und viele Mohammedaner wallfahrten dorthin um anzubeten. Um 11 Uhr vormittags kamen wir dorthin. Br. R. sprach in der Karawanserei mit etlichen Sarten unter welchen besonders einer sehr ergriffen wurde. Ich sprach unterdessen im Laden bei einem gewissen Igamberdi und da waren es besonders der Igamberdi und ein Chassambaj die da recht aufmerksam wurden. Nach Mittag ritten wir von da hinweg und kamen spät des Nachts über Beckbarbeck nach Kansseit, wo wir mit dem Wirte und einem Arbakeschen sprechen konnten. Der Wirt nahm uns dann mit Freuden ein Testament ab. Des Morgens, den 24. ritten wir von da nach Jiruj, wo wir bei einem Mallakaner fütterten und mit dem Wirte mancherlei sprechen konnten. Dort wohnt auf seinem Hofe ein Deutscher, welcher mit Branntwein handelt, und so trafen wir da vier Kirgisen, die saßen und tranken eine Flasche nach der andern und als wir sie warnten, sagten sie, wenn sie verloren gingen, dann seien die daran schuld, die ihnen den Schnaps verkauften, also die Christen. Wir machten dann noch den Wirt aufmerksam darauf, daß solch ein Schnapshandel doch nicht erlaubt sei und er als Malakaner so etwas schon gar nicht erlauben sollte auf seinm Hofe. Denn die Malakanersekte glaubt an eine Geistestaufe, die Wassertaufe jedoch erkennen sie nicht an, im übrigen ist ihre Lehre eine gute evangelische. Von da ritten wir dann über Kisilkia nach Kopplanbeck, auf dem Wege dorthin trafen wir noch mit einem Kirgisen, namens Doulat, zusammen und machten ihn auf sein Seelenheil aufmerksam. Bei Kopplanbeck lagen wir des Nachts bei einem reichen Sarten, namens Rssulbeck, wo wir in der Tschaichana ungefähr 10 Zuhörer hatten, welche erst sehr unsinnige reden hatten, dann aber, als wir sie aufmerksam machten auf den Ernst der Zeit, wurden sie stille und nachdenklich, als wir dann geendigt hatten, fing der Buchführer des Wirtes an zu sprechen, über die Lehre Tolstojs und er schloß damit, daß er Mohammed und Jesum beiseite setze und nur allein an den Gott der Liebe glaube, obwohl er ein Mohammedaner heiße. Des Morgens den 25. ritten wir sogleich über den hier vorbeifließenden Fluß, Kelles, nach der Stelle, wo wir anno 1880 überwinterten, und besuchten die Gräber der damals dahingestorbenen Unsern, dann ritten wir in das hier nicht weit abgelegene Sartendorf, Kopplanbeck und nahmen bei einem Chalmat das Frühstück ein und sprachen mit ihm über die vergangenen Zeiten, als wir hier überwinterten. Denn, er konnte sich unserer noch gut erinnern. Wir machten ihn dann im Hinblick auf die soeben besprochene Hinfälligkeit des Menschen aufmerksam auf die Notwendigkeit unserer Zubereitung auf den Tag, da wir vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen müssen. Dann ritten wir weiter über Alt – Taschkent nach Neu – Tschkent und nachdem wir unsere Pferde in einem Saraj untergebracht, suchten wir, sagte Bruder Th.: „kommt nur mit, ich werde stadt die sartische Sprache studiert“. Als wir bei ihm ankamen und etwas gesessen hatten, hörten wir aus einer Nebenstube einen schönen Gesanf, und als wir uns danach erkundigten, sagte Bruder Th.: „Kommt nur mit, ich werde euch gleich mit den Sängern bekannt machen, denn es sind hier etliche Kinder Gottes von den russischen Brüdern aus Asskabath und Samarkand hergekommen einen Evangelisten von L., namens S., zu hören. Letzterer ist hergekommen die russischen Brüder hier zu besuchen.“ Als wir dann in das Zimmer kamen, wi die Geschwister sangen, war nach der üblichen Vorstellung die erste Frage, ob wir auch Kinder Gottes und also Brüder in Christo seien. Als wir dies mit einem „Ja“ beantworteten, war die Freude groß, und unser allgemeiner Ausspruch war: „Wie groß und herrlich ist doch Gott unser Vater, der die Nationen nicht ansieht, sondern unter allen Völkern seine Kinder hat.“ Hier wurden wir auch mit einem alten Bibeldepot – Agenten von Samara, namens K. bekannt, einem lieben Bruder. Als wir dann noch etliche Lieder zusammen gesungen hatten aus der Gußli fuhren wir wieder nach unserem Quartier und besorgten unsere Pferde. Abends gingen wir dann in die Versammlung der russischen Brüder, wo die erste Ansprache ein Taschkenter hielt und nach ihm Bruder S. über blutflüssige Weib, Ev. Mark. 5, 24 u.s.w. Den 26. des Abends gingen wir noch einmal in die Versammlung, da sprach dann wieder, nachdem ein Taschkenter Bruder den Anfang gemacht, Br. S. über die Rede Jesu mit Nikodemus, Joh. 3, 1 u.s.w. Nun war aber hier schon ein sogenannter russischer Missionar zugegen und der wollte etliche Einwendungenmachen, er kam aber nicht zu vielen Worten, und nach einer kleinen Störung, ging dann alles seinen Gang bis zum Schlusse. Dann gab`s noch etliche kleine Auseinandersetzungen und bald ging alles nach Hause. Den 27. ritten wir nach dem Dorfe Nickolsk und blieben da bei einem alten Bekannten von mir, namens Kollossow, über Nacht. Des Morgens den 28. ritten wir über Jangibasar nach Parkent und blieben da bei einem Wolostrichter Omarkasi über Nacht, des Abends machten wir ihn noch aufmerksam auf den Ernst und Verantwortlichkeit seines Postens und daß doch nach den Zeichen der Zeit das Ende ganz nahe sei, (welches er auch anerkannte) und somit wahre Buße nebst der dazu gehörenden Frucht, unumgänglich nötig sei. Den 29. ritten wir von da über Samsareck nach den Tadschickendörfern, Naudeck und Newisch, kamen da bei einem alten, Bekannten von mir, namens Mulla Hajdar an, der auch Imam, d.h. der führende Mulla einer Moschee ist, und wurden hier sehr gut aufgenommen. Ich bin hier früher 3 Jahre von der Krone angestellter Forstbeamter gewesen und so fand ich hier viele alte Freunde, viele aber auch waren gestorben. Da sie uns nun alle gerne aufnahmen, so blieben wir etliche Tage da nach dem Worte unseres Heilandes Ev. Matth. 10, 11. Wir hatten hier viel Gelegenheit mit den Leuten zu sprechen und zu lesen, denn dem Mulla Hajdar hatte ich schon anno 1896 ein Testament gegeben, aber er gestand uns nun, daß er es doch auf manchen Stellen nicht verstehen könne, wir erklärten ihm dann mancherlei, bei unseren Lesungen, die wir mit ihm hatten, beteiligten sich auch noch hauptsächlich ein Mulla, Radschamat und Chambarali und im Dorfe Naudek waren es ein Kurbanchodscha und Usta Schadi, die bei der Anhörung des Wortes Gottes, bis zu Tränen hingerissen wurden und sie dann sagten, so etwas hätten sie noch nie gehört. Eines Tages sagte ich ihnen unter anderem, daß wir sonst keine Geschäfte hier hätten, als die frohe Botschaft der Gnade Gottes zu verbreiten. So viele Menschen lebten in Sünden und ohne Hoffnung dahin. Das habe uns nicht mehr in Ruhe gelassen, sondern die Liebe zu ihnen habe uns hergetrieben, ihnen dieses zu sagen. Da schmolz auch die letzte Eisrinde von den Herzen und wir haben herrliche Stunden mit ihnen verleben dürfen.
Auf etlichen Stellen meinte man, unsere Reise sei vielleicht eine ähnliche wie sie ihre Heiligen, Ischans, machen um von ihnen viele Geschenke zu erhalten. Als wir ihnen dann alles so etwas ausredeten, und ich ihnen sagte, daß Bruder R. nach dortigen Begriffen ein reicher Mann sei und ich auch wohlhabend sei, also von Geschenken keine Rede sein dürfte, da waren sie ganz besiegt, und so hatten wir in diesen zwei Dörfern ungefähr 25, recht aufmerksame Zuhörer und als wir dann den 2. November weiter ritten, war ihr Bedauern groß und wir, Bruder R. und ich, wir konnten nicht Worte genug finden dem Herrn zu danken für so viel Gnade und wir baten den Herrn: „O zünde Du doch hier in diesen Dörfern ein Feuer an, das bis in die Ewigkeit brennt, und bekehre diese Leute.“ Besonders ist es der liebe Imam Hajdar und Mulla Radschamad und auch Kurbanchadscha nebst Chambar, die da besonders angefaßt wurden. Mulla Radschamad nahm uns auch mit Freuden ein Testament ab. Dann ritten wir weiter und kamen zu einem alten Bekannten von früher, Arsikul. Bei ihm tranken wir Tee und hierbei wurde auch er aufmerksam gemacht auf das Wort: „Tuet Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Auch er wurde sehr ergriffen. Dann ritten wir weiter und kamen in das Dorf Sokak, wo wir auch bei einem alten Freunde einkehrten und des Abends ihnen aus dem Testamente verlasen. Hier besuchte uns auch der Imam von dem kleinen Dörfchen Segenek, an welchem wir vorbeigeritten waren, denn weil Bruder R. ein sehr schmerzhaftes Geschwür an den einen Finger bekommen hatte, so mußten wir anfangen zu eilen, daß wir die Reise beendigten, denn es wurde immer schlimmer mit ihm. Der benannte Imam von Segenek Mulla Aschur sprach sich beleidigt aus darüber, daß wir an seinem Dorf vorbeigeritten waren und nicht angehalten hatten. Wir machten ihn dann aufmerksam auf das Wort Matth. 4, 17. Als wir dann etwas persönlich zu ihm wurden, weil er in seinen Reden sehr leichtsinnig war, zog er sich bald zurück und verschwand. Aber unser Wirt Mulla Abdumachsut und ein Mulla Mirgdalak blieben noch bis spät in die Nacht mit uns zusammen. Ihnen wahr sehr bange, daß wir Mohammed unter Jesum stellen wollten. Ich ließ mich aber auf keinen Vergleich ein. Br. R. hatte sich vor Schmerzen am Finger zur Ruhe gelegt und so blieb ich mit meinen zwei Zuhörern allein. Ich verfolgte mit ihnen nur dieses, ob sie es verstehen könnten, daß Gott ihre 30 Tage Fasten und fünfmal beten in arabischer Sprache, die sie doch selbst nicht verstehen könnten, nicht nötig habe und daß Gott doch zuletzt den Menschen richten werde, nachdem er gelebt und gehandelt habe, und also ein jeder, der nicht Buße tue, auch nicht Früchte der Buße habe, müsse doch dem ewigen Tode anheimfallen trotz dem Fasten und dem fünfmal Beten? Der Herr gab auch hier Gnade, daß die Herzen weich wurden und sie mit Tränen bekannten, ja es wäre wohl so. Als wir dann des Morgens den 3. hier weg ritten, da nahm Mulla Abdumachsut uns mit Dank ein Testament ab, wir aber ritten über Sarkent und Chanlik, nach dem Dorfe Chsarek, wo wir bei Anarkul Aksarkal übernachteten. Wir hatten hier 8 Zuhörer, unter ihnen einen jungen Imame, namens Abduchalik, welchen wir besonders aufmerksam machten auf den Ernst seiner Stellung als Imam und Kinderlehrer. Den 4. ritten wir dann über die Dörfer Tschange und Parkent nach Troizkoje, wo wir bei meinem früheren Vorgesetzten namens M. übernachteten. Wir wurden auch sehr gut aufgenommen, nur war unser Wirt sehr angetrunken, seine Frau war zur Stadt gefahren, kam aber spät abends nach Hause. Als der Wirt dann nüchtern geworden war, fing ich an mit ihm über das Wort Gottes zu reden, aber da war sehr wenig zu machen und er wurde manchmal recht ungehalten über die russischen Baptisten. So barchen wir dann bald ab und legten uns zur Ruhe. Ich schlief gleich ein, aber Bruder R. konnte wegen seinem Finger nicht schlafen und so beobachtete er gelegentlich, daß der Wirt viermal aufstand und Schnaps trank. Des morgens als wir dann weiter reiten wollten, klagte uns die Frau ihre Not mit dem Manne wegen seinem starken Trinken, sie weinte sehr heftig und ich wies sie nochmals hin auf das Wort Gottes, und da wurde denn auch der Mann so viel erweicht, daß er von uns mit einem Kusse Abschied nahm und so ritten wir denn des Morgens, als am 5. November von da über Konstantinovka nach Mariental und blieben über Sonntag bei den deutschen Brüdern und besuchten dreimal die Versammlungen. Da Bruder Regehr`s Finger aber immer schlimmer wurde, ritten wir noch kurz vor Sonnenuntergang von Mariental hinweg und kamen spät des Abends nach einem Malakanerdorfe. Am folgenden Tage den 7. ritten wir bis nach Tschimkent, wo Br. R. während ich in die Badestube gegangen war, in dem Karawanserei Gelegenheit hatte zu sprechen. Er hatte da 7 aufmerksame Zuhörer. Den 8. zu Mittag kamen wir nach dem Dorfe Tschornowodsk und kehrten da bei einem Freunde von Bruder R. zu Mittag ein, konnten uns da mit dem Wirte recht viel aus dem Worte Gottes unterhalten. Als Wahrheitsuchender, durch die Pfaffen aber vom Worte Gottes d.h. von der Bibel abgeschreckt, meinte er, er habe viel gelesen über den Frieden und die durch den Frieden zu Wohlstand gelangten Völker in Oesterreich und Ungarn er wolle einmal dorthin fahren und sich die Sachen dort ansehen. Wir sagten ihm, daß er den Weg zum Frieden nur im Worte Gottes finden könne und das, was in Ev. Joh. 3, 1 u.s.w. beschrieben sei, müsse an uns zu einer selbsterlebten Wirklichkeit werden, nur dann könnten wir wahren Frieden finden. Unter anderem wiesen wir ihn auch zu den russischen Brüdern in Taschkent. Da sagte er aber: „Die werden ja von den russischen Missionaren verfolgt“. Und gegenwertig sei im nächsten Dorfe ein Missionar und suche sich alle Stundisten und Baptisten auf um sie wieder zur rechtgläubigen Kirche zurück zu bringen. Unterdessen waren unsere Pferde satt und wir schieden von diesem Manne mit der Bitte, er möge nur Gott bitten und dann würde er nach oben benanntem Worte Joh. 3, auch den rechten Frieden finden. Er sagte dann noch, daß er mit den russischen Popen schon lange fertig wäre. Wir ritten dann weiter und kamen zur Nacht nach Maschatt, wo wir in einem Saraj abstiegen. Hier hatten wir drei aufmerksame Zuhörer. Den 9. kamen wir über Tullkubasch und Tschakbak zur Nacht nach Nanjirr und übernachteten da bei einem Russen, welcher ziemlich verkommen aussah. Des morgens knüpfte ich noch schnell eine Unterhaltung mit ihm an, aber sein Bekenntnis war, er habe keine Sünden und meine es mit allen Menschen gut, er trinke nur manchmal etwas viel Schnaps und das sei sein einziger Fehler. Von da kamen wir den 10. nach dem Dorfe Grosnaja und da unsere Pferde ziemlich angestrengt waren, blieben wir da über Nacht, trotzdem es noch etwas früh war. Hier hatten wir in dem Saraj, wo wir lagen, Gelegenheit mit dem Wirte zu sprechen. Außer ihm waren da noch zwei Zuhörer. Hier trafen wir mit Soldaten zusammen, die waren auf der Durchreise nach Jarkent nach Taschkent und, da sie auch mit uns in demselben Saraj lagen, so bekamen wir Gelegenheit, mit etlichen von ohnen zu sprechen und dem einen konnten wir ein Testament verabreichen was, wie es schien, ihm sehr wohl tat. Dann ritten wir des Morgens den 11. von da nach dem Kapp. Auf dem Wege dorthin ritt ein Kirgise eine Strecke Wegs mit uns zusammen und da wir ihn aufmerksam machten auf das Wort des Herrn, tue Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen und wir ihm dann sagten, daß dieses Wort auch direkt ihn angehe u.s.w., so kam er so weit, daß er neben uns herritt, jammerte und betete: „O Gott, erbarme dich meiner, denn ich bin ein armer Sünder, öffne mir die Augen und bringe mich auf den rechten Weg!“ Es war traurig mit anzusehen, wie er jammerte, und wir sagten ihm, wir würden auch für ihn beten und so schieden wir von einander. Als wir dann nach dem Kapp kamen, hatten wir kaum Tee getrunken, als Jakob Wahl von Romanowka kam und uns bat mit nach Hause zu fahren. Voll Dank und Anbetung über alles was wir gesehen und gehört hatten, gelangten wir zu Hause an. Wir haben es auf unserer ganzen Reise täglich sehen dürfen, wie der Herr mit uns war, denn es ist wunderbar, daß der Herr doch die fanatischen Mohammedaner für sein Wort zugänglich machte. Gerne wären wir noch weiter gereist, aber es ließ sich diesmal nicht machen. Der Herr hat großes an uns getan, wie herrlich und mächtig ist doch der Herr, daß er auf so vielen Stellen, wie oben geschildert, die Herzen weich machte, und sie sein Wort aufnahmen, und manches mit Tränen gefüllte Auge uns ansah, mit dem Bekenntisse: Frieden haben wir nicht trotz der Beobachtung aller unserer mohammedanischen Fasten und Gebetsformen, und doch möchten wir Frieden haben, die Imams haben es uns so, wie ihr, noch nie gesagt. Unser Wort war allerwärts, wo wir hinkamen, das Wort unseres Heilandes: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Hier knüpften wir dann mit den Leuten an, ihnen zu erklären, welcher Art diese Buße sein muß. Man hat uns meistenteils aufmerksam uns sehr gespannt zugehört, und an vielen Stellen wurden sie bis zu Tränen hingerissen und sie fragten dann: „Wie soll das mit uns werden?“ Da wir nun wissen, daß das Wort des Herrn nicht leer zurück kommen soll, so wissen wir daß der Herr durch seinen Heiligen Geist das Seinige Tun wird; jedoch bitten wir alle wahre Missionsfreunde, gedenkt in eurer Fürbitte auch des bis dahin hier unter unsere Mohammedaner ausgestreuten Gottes Wortes. Uns aber wolle der Herr Kraft und Weisheit schenken nach Leib und Seele, uns ganz erfüllen mit seinem Heiligen Geiste und seiner Liebe, auf daß wir mutig weiter arbeiten können, denn das Arbeitsfeld ist so groß, und der Arbeiter so wenig.

Amen!
J.

 

   
Zuletzt geändert am 23 November, 2018